In Paris, Hauptstadt der alten Kolonialmacht Frankreich und Schmelztiegel der Kulturen, haben die Zuwanderer sich im Laufe der Jahrzehnte in verschiedenen Viertel niedergelassen und prägen dort bis heute das Straßenbild.Dazu gehören spezielle Stadtteile wie Chinatown in Paris. Während Afrikaner und Araber vor allem im Stadtviertel Barbès zu finden sind, weht unweit des Pariser Bahnhofs Gare du Nord ein Hauch von Bollywood. Im Dreieck, gebildet durch die Avenue de Choisy, die Avenue d’Ivry und den Boulevard Masséna, sowie den umliegenden Straßen leben in der größten Chinatown Europas über 200.000 Menschen. In den riesigen, sterilen Hochhaussilos, die bereits von der Place d’Italie aus gut zu erkennen sind und in den 70er Jahren erbaut wurden, wohnen Menschen aus China, Vietnam, Laos und Kambodscha – vorwiegend Kriegsflüchtlinge.
Die asiatische Kultur in Paris
Fernab von ihrer Heimat haben sie hier im 13. Arrondissement von Paris ein Stück Heimat auf französischem Boden geschaffen. Dabei gibt es nicht nur ein Chinatown in der französischen Kapitale, auch in anderen Vierteln sind Chinesen sesshaft geworden. Zum Beispiel im 19. Arrondissement zwischen Belleville und der Metrostation Crimée, am Stadtrand zwischen dem Boulevard de la Chapelle und dem Boulevard Ney sowie im Marais. Doch an diesem sonnigen und angenehm warmen Nachmittag im September steht ein Spaziergang auf der Avenue d’Ivry auf dem Programm.
Mein Weg durch Chinatown Paris führt mich an Friseurshops, Bäckereien, Modeboutiquen und zahlreichen Nippes-Läden vorbei, in denen nicht nur Winkekatzen herumstehen, sondern auch Teegeschirr und anderer Krimskrams aus Asien feilgeboten werden. Vor dem Schaufenster des Reisebüros „CFA Voyages“ bleibt eine Frau mittleren Alters stehen und mustert das Angebot an Charterflügen. Plagt sie etwa das Heimweh oder möchte sie zum Fest Verwandte besuchen? Den Flug Paris – Hongkong kann man für 545 Euro buchen, nach Shanghai kommt man für 700 Euro. Eine Reise zum Mont-Saint-Michel ist ebenfalls im Programm. Aus reiner Neugierde würde ich gerne wissen, wie häufig diese Reise in Chinatown wohl nachgefragt wird.
Eine Tour durch die gastronomische Welt
Als Besucher fühlt man sich hier schon nicht mehr in Frankreich: Die Sprache der Emigranten dominiert Schilder und Aushänge der Geschäfte, unbekannte, exotische Düfte umspielen fortwährend meine Nase. Selbst die McDonald’s-Filiale in der Pariser Chinatown hat sich optisch an ihre Umgebung angepasst. Im Herzen des asiatischen Viertels versteckt sich in einer Tiefgarage unter dem Einkaufszentrum Olympiade an der Avenu d’Ivry übrigens ein 200 Quadratmeter großer buddhistischer Tempel (44, avenue d’Ivry).
Natürlich entdecke ich bei meinem Rundgang zahlreiche Schnellimbisse und Restaurants, in denen thailändische, chinesische, japanische oder vietnamesische Speisen (bzw. eine bunte Mischung von allem) auf den Tisch kommen. Auch Pho (gesprochen „Fö“), die traditionelle Suppe der vietnamesischen Küche, deren einzigartigen Geschmack ich bereits in München genießen durfte, bemerke ich auf den Speisekarten. Rund sieben Euro bezahlt man in einer Wirtsstube für die kräftige klare Brühe mit Reisnudeln, Hühnerfleisch, Zwiebeln, Lauch sowie verschiedenen Gewürzen – die Hälfte dessen, was mich die Spezialität in der bayerischen Landeshauptstadt gekostet hat. Ein Tipp: Wenn Sie sich ein Lokal ausgesucht haben, in dem viele Asiaten essen, scheint der Koch sein Handwerk zu beherrschen und die Qualität stimmt.
Selbst wenn man nur eine kleine Brotzeit machen möchte, kommt man in Chinatown deutlich günstiger weg als anderswo in der Hauptstadt. In einem Sandwich-Laden erkundige ich mich nach einem typisch vietnamesischen Snack. Der nette Verkäufer empfiehlt mir „Banh Mi Thap Cam“ (mit Karottenstreifen, Salatgurke, Schweinesülze und Kräutern) für 2,60 Euro, ein zusätzliches Getränk kostet nur einen Euro extra. In diesem Augenblick ärgere ich mich ein klein wenig, dass ich kürzlich für ein mageres Thunfisch-Baguette im nicht touristisch geprägten Alésia-Viertel auf der Terrasse eines Cafés rund 7 Euro hingeblättert habe
Eingekauft wird im Pariser Chinatown in Supermärkten, die viele dem europäischen Gaumen fremde Lebensmittel anbieten. Ob im größten und bekanntesten Asia-Supermarkt von Paris der Gebrüder Tang, im Big Store oder im Continental Marché: Neben einer stattlichen Auswahl an exotischem Obst (Mangos, Litchis, Papayas, Guaven usw.) und Gemüse findet man hier eine gut ausgestatteteTiefkühlabteilung mit Meeresfrüchten, Fischspezialitäten und diversen Fleischsorten.
Was wären fernöstliche Speisen ohne Kräuter und Gewürze wie Lotus, Koriander, Zitronenkraut oder Ingwer? Auch Soßen in verschiedenen Schärfegraden dürfen in der asiatischen Küche nicht fehlen. In Regalen stapeln sich unzählige Dosen und Gläser, in denen weiß Gott was drin ist. Giftgrüner Pudding sticht mir ins Auge, der bei chinesischen Kindern sicher Begeisterungsstürme auslöst. In einer Ecke liegen riesige Reissäcke, das Grundnahrungsmittel geht selbstverständlich nur kiloweise über den Tresen. Den Reiskocher kann man übrigens praktischerweise gleich dazu kaufen.
Ein paar Schritte weiter spielt sich das Leben der Chinatown-Bewohner unter freiem Himmel ab. Ein paar ältere Damen verkaufen auf Klapptischen Eier und Gemüse, bessern so ihre bescheidenen Einkünfte auf. Nebenan spielen zwei ältere Herren auf umgedrehten Holzkisten eine Partie Schach.
Besonderheiten in Chinatown
Sehr beschaulich geht es heute in Chinatown zu, doch das ist natürlich nicht immer so. Ein besonderes Spektakel wird hier zur Feier des chinesischen Neujahrs veranstaltet, wie man mir erzählt. Einen Monat nach Silvester würden die Chinesen das neue Jahr mit Knallfröschen, Drachen und roten Laternen begrüßen. Gerne würde ich das bunte Treiben einmal live in Shanghai an der Seine erleben. Doch für heute ist meine Entdeckungstour des asiatischen Viertels von Paris beendet. Auf einer Ruhebank bei der Metrostation Porte d‘Ivry esse ich noch in Ruhe mein leckeres Sandwich auf, ehe ich zum nächsten Spaziergang durch Paris aufbreche.
Ihr wollt vom heimischen Sofa aus einen Rundgang durch die Pariser Chinatown unternehmen? Dank Google Street View gar kein Problem:
https://bit.ly/31rPBog
Weitere interessante Quellen rund um das Leben in Paris:
- https://www.gate-to-paris.com/en/life-in-paris/
- https://www.connexion-emploi.com/de/a/tipps-um-eine-wohnung-in-paris-und-frankreich-zu-finden
foto:©laurent KB – FlickR