Heute ging der „Runde Tisch Heimerziehung“ zu Ende. Allerdings kann das Ergebnis zu Recht als Farce bewertet werden. Zu stark sind offenbar die Verstrickungen von Staat und Kirche. Da müssen die Opfer der Kirche hintenan stehen.
Letztlich, um überhaupt eine Entschädigung zu erhalten, stimmten die Opfer dem Kompromiss zu.
Am Freitag schrieb die Süddeutsche:
Ein bisschen haben die Heimkinder auch noch erreicht, in diesen letzten beiden Verhandlungstagen in Berlin, die am Donnerstag bis um 21 Uhr und am Freitag bis um 16 Uhr gingen. Bund, Länder und Kirchen wollen nun zu gleichen Teilen insgesamt 120 Millionen Euro in einen Fonds zahlen; die Summe kann aufgestockt werden, wenn das Geld nicht reicht, um alle berechtigten Ansprüche von Heimkindern zu befriedigen. Und die Hürden für die Antragsteller werden wohl vergleichsweise niedrig sein – es soll genügen, dass sie glaubhaft machen, dass sie bleibende seelische oder körperliche Schäden durch Schläge, Demütigungen oder sexuelle Gewalt im Heim davongetragen haben, dass ihnen Lohn oder Rentenzahlungen vorenthalten wurden. Ein Nachweis, der oft schwer zu beschaffen ist, ist damit nicht nötig, vielen Traumatisierten soll so eine erneute Traumatisierung erspart bleiben.
Andere Regelungen bleiben allerdings aus Sicht der Heimkinder unbefriedigend. Es wird keine pauschale Entschädigung geben, sondern Einzelfall-Hilfen; wie viele Heimkinder auf sie Anspruch haben oder sie in Anspruch nehmen werden, steht in den Sternen. 30000 bis 50000 der bis zu 700000 Kinder und Jugendlichen, die zwischen dem Kriegsende und den siebziger Jahren im Heim waren, haben bleibende Schäden davongetragen, schätzt man am runden Tisch. Und immer noch steht die offizielle Zustimmung des Bundes und der Länder zur Zahlung in der Fonds aus – einzig die evangelische und die katholische Kirche haben fest zugesagt, ihren Anteil zu zahlen. Vor allem die unionsgeführten Länder bleiben unsichere Kandidaten.
Und was in der Pressekonferenz des „Runden Tisches Heimerziehung“ noch als Erfolg dargestellt wird, führte zu Protesten der Betroffenen:
Der Verein der ehemaligen Heimkinder (VeH) hat in einer heute veröffentlichten Pressemitteilung „in aller Entschiedenheit gegen den Abschlussbericht des „Runden Tisch Heimerziehung“ (RTH) protestiert. Dessen Empfehlungen seien „beschämend für ein reiches Land wie Deutschland“. (hpd)
Der VeH hat nach der Jubel-Pressekonferenz des RTH eine eigene einberufen. In der Pressemitteilung dazu (pdf) heißt es:
Mit dem Abschlussbericht des RTH haben sich leider unsere schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet: Die ehemaligen Heimkinder sollen in Deutschland nicht angemessen entschädigt, sondern mit einer Summe abgespeist werden, die lediglich einem Bruchteil des Betrags entspricht, der den Heimkindern in Irland, einigen katholischen Diözesen der USA, einigen Bundesländern von Österreich, Norwegen und Kanada für die gleichen Erziehungsverbrechen gezahlt wurde. Der bisher höchste Betrag lag bei etwa 75.000,– Euro pro Person. Die Empfehlung des RTH ist beschämend für ein reiches Land wie Deutschland und eine weitere Demütigung für all die Menschen, die in deutschen Heimen geschlagen,
unterdrückt, missbraucht und zu Zwangsarbeiten herangezogen wurden.
Es ist noch nicht zu Ende.
Ich lese gerade „Der Mann, der sein Gedächtnis verlor“ von Kuno Kruse. (Der Portraitierte ist auf dem obigen Bild zu sehen.) Vielleicht sollte man dieses Buch an alle geben, die dort am Runden Tisch saßen. Vielleicht begreifen sie dann, worüber sie reden…
Nic