Rumänien und die Merkwürdigkeiten der eigenen Geschichte

Rumänien und die Merkwürdigkeiten der eigenen GeschichteAuch das kommunistische System unter Diktator Ceausescu hatte bis zu einem gewissen Grad akzeptiert, dass es in Rumänien Minderheiten anderer Völker gibt. Diese konnten ihre Sprache und ihre Bräuche pflegen, hatten eigene Schulen und Medien. So hatte die bis Ende der 80er Jahre die noch knapp eine halbe Million Personen zählende deutsche Minderheit Schulen mit Deutsch als Muttersprache und auch Zeitungen, die - wie rumänischsprachige Publikationen auch - aber stets verpflichtet waren, die offizielle Parteilinie zu vertreten.
Bei der geschichtlichen Vergangenheit wurde aber sichergestellt, dass es nur ein Volk gab, das Rumänien geprägt hatte. Von den Dakern aus römischer Zeit stellte man schnurstracks eine rumänische Kontinuität bis in die heutige Zeit fest. Offiziell wurden alle anderen geschichtlichen Entwicklungen totgeschwiegen. Dass zum Beispiel die Siebenbürger Sachsen eine 500-jährige Siedlungsgeschichte in Transsilvanien oder Ardeal wie die Rumänen die Region nennen, haben ist vielen Rumänen auf Grund der Geschichtsklitterung der letzten 50 bis 60 Jahre unbekannt. Und das obwohl die Baudenkmäler der Sachsen noch heute kaum übersehbar in den siebenbürgischen Städten und Dörfern stehen. In der Stadt Schässburg / Sighisorara gibt es im Uhrturm ein kleines Geschichtsmuseum, das noch zu Beginn der Jahrhundertwende ausführlich über die Daker berichtet, aber mit fast keinem Wort die siebenbürgische Geschichte der Stadt erzählt. Spuren dieses Verdrängens sind auch noch auf Webseite des rumänischen Tourismusbüros, das die Stadt unter dem Slogan “Lebendiges Mittelalter” vermarktet, zu erkennen, wo berichtet wird: “Sighisoara (Schäßburg) ist eine wunderschöne Stadt, sie ist durch mittelalterliche Bausubstanz und Geschichte stark geprägt” und erst weit unten unter der Rubrik “kurze Geschichte” erfährt man: “Zwischen 1191-1198 wurde die spätere Festungsstadt von deutschen Siedlern (vor allem Sachsen) gegründet, die vom ungarischen König Geza II im Land angesiedelt wurden.”
So ist es nicht verwunderlich, dass sich Vertreter der zwar kleinen, aber noch präsenten deutschen Minderheit, wundern, wenn ihre rumänischsprachigen Landsleute wieder einmal vergessen haben, dass es deutschen Rumänen tatsächlich noch gibt. Aus Kronstadt / Brasov berichtet die “Allgemeine Zeitung für Rumänien” (ADZ) von mehrsprachige Hinweistafeln, die Kronstadts Besucher auf die Sehenswürdigkeiten der Stadt aufmerksam machen sollen. Bei der deutschen Übersetzung der Tafeln soll man aber auf kompetente Hilfe aus Kreisen der deutschen Minderheit verzichtet haben, denn der Text lautet so: “„Willkommen auf der Gasse hinter den Mauern, wo Sie die alten Mauern der Zitadelle von Brasov finden können. Sie wurde restauriert und als Sehenswürdigkeiten vom Herrn Vorsitzender Aristotel Căncescu durch ein Projekt, das im Jahre 2007 begann und vom Landesamt finanziert wurde, betrachtet.“ Dazu schreibt Ralf Sudrigian in der ADZ: “Dass aber die Sehenswürdigkeiten durch ein Projekt betrachtet werden, kann den deutschen Touristen nur wundern. Die Tafel selbst wird, wenn nicht gerade zur Sehenswürdigkeit, so doch zu einer Merkwürdigkeit.Es wäre viel einfacher, verständlicher und besser gewesen, wenn eine fachkundige deutschsprachige Person diesen Text vorher gesehen und verbessert hätte. Solche Personen gibt es, Gott sei Dank, in unserer Stadt  und sie sind auch nicht schwer zu finden. Ansonsten könnte es heißen, die armen Kronstädter hätten, trotz Honterus, ihre Schwierigkeiten mit einem korrekten Deutsch. Außerdem fällt es auf, dass die deutsche historische Stadtbezeichnung fehlt. Weshalb wird weiterhin vermieden, gerade im deutschen Text, die Stadt auch so zu nennen, wie es inzwischen auf den dreisprachigen (rumänisch, deutsch, ungarisch) Tafeln bei den Stadtein- und -ausfahrten zu lesen ist: „Kronstadt“?”
Rumänien ist mit seinem derzeitigen Staatsgebiet als Produkt des 1. Weltkrieges noch ein relativ junger Staat in Europa. Die daraus resultierende Unsicherheit führt oft zu übertriebenem Nationalismus in der Behandlung der Minderheiten. Der erzwungene Versuch der Geschichtsklitterung kann allerdings nicht funktionieren. Erst mit einem gesunden Selbstbewusstsein wird das Mehrheiten-Volk der Rumänen auch die Leistungen seiner Minderheiten unverfälscht zu würdigen wissen. Dazu gehört aber, dass in Schule in Museen die Geschichte so dargestellt wird wie sie sich abgespielt hat.
Informationsquelle
„Sehenswürdigkeiten vom Herrn Vorsitzender“ – Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien
Rumänisch-deutsche Ortsschilder im Burzenland - Karpaten-Rundschau

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