Seit Anfang Jahr habe ich in ziemlich hohem Tempo gelebt. Zu hoch, wie ich mir bei der heutigen Bestandesaufnahme in professioneller Begleitung eingestehen musste. Mir scheint aber, dass ich so ganz allmählich meinen Fuss wieder vom Gaspedal nehmen kann. Zwar sehe ich noch nicht allzu viel Freizeitgewinn, dafür aber häufen sich die Anzeichen für ruhigere Zeiten im Verhalten meiner Familienmitglieder. Die untrüglichen Zeichen, dass Mama Venditti so langsam aber sicher wieder auf ein erträgliches Lebenstempo kommt sind:
- Der Zoowärter will keinen Moment mehr ohne Mama sein. Solange ich nicht abkömmlich war, hat er sich zurückgehalten, aber jetzt, wo er spürt, dass wieder mehr Freiraum da ist, bricht das ganze Elend aus ihm heraus. Bin ich bei ihm, klammert er sich an mich, bin ich beschäftigt, liegt er wimmernd auf dem Sofa und mir zerreisst es beinahe das Herz, weil mir erst jetzt dämmert, wie sehr das Kind unter dem ganzen Stress gelitten hat.
- „Meiner“ lässt hin und wieder verlauten, dass er ziemlich müde ist. Solange meine Tage bis obenhin mit Arbeit angefüllt waren, blieb er stark, aber jetzt kommt ans Licht, dass auch er ziemlich schwer an meiner Überlast getragen hat. Nun, immerhin kann er sich heute mal einen Sauna-Abend gönnen. Um die geleistete Überzeit zu kompensieren, sozusagen.
- Luise verbietet mir, vom Tisch aufzustehen, um mir mein eigenes Essen zu schöpfen. „Bleib jetzt mal sitzen, Mama. Du siehst ja völlig geschafft aus“, ermahnt sie mich bei jeder Gelegenheit. Und ich denke, dass ich solche Sätze eigentlich erst im Altersheim zu hören bekommen sollte.
- Das Prinzchen ruft nachts wieder nach Mama und nicht nur nach Papa, wenn er einen Schoppen will. Beim ersten Mal fragte er mich zwar: „Chasch du Schoppe mache, Mami?“ was soviel heissen soll wie „Bist du überhaupt fähig, mir ein Fläschchen zu machen?“, aber inzwischen traut er mir das wieder voll und ganz zu. Und so kommt es, dass „Meiner“ hin und wieder eine ganze Nacht lang ungestört durchschlafen kann.
- Karlsson traut sich wieder, sich vorpubertär aufzuführen. Nicht allzu heftig, aber immerhin so, dass ich mich hin und wieder an die Zeiten erinnert fühle, als der heutzutage so nette und angepasste Junge noch ziemlich klein und ziemlich störrisch war.
- Der FeuerwehrRitterRömerPirat lädt wieder Freunde ein. Nun gut, das hätte er auch gerne getan, als mir die Arbeit bis zum Halse stand, aber da konnte er nicht, weil ich immer schon eingeschlafen war, bevor er Zeit gehabt hatte, mich nach der Telefonnummer seiner Freunde zu fragen.
Es zeichnet sich also ganz deutlich ab, dass jetzt, wo es beruflich wieder etwas ruhiger werden sollte, zu Hause ein paar Herausforderungen auf mich zukommen. Ist ja auch gut so, denn sonst würde ich noch auf die Idee kommen, mich um mich selbst zu kümmern und dann würde ich feststellen dass ich a) ganz dringend mal zum Coiffeur gehen müsste, weil meine grauen Haare in alle Himmelsrichtungen abstehen, dass ich b) mal wieder schlafen sollte und dass ich c) mich hin und wieder ein wenig bewegen könnte. Und das alles kann nun wirklich noch eine Weile warten.