Die Küche in Ecuador ist besser als erwartet. Ich habe in der Nähe von Charlottes Klappsmühle ein tolles Frühstückslokal gefunden. Dort gibt es vorzügliche Tomaten-Rühreier, dazu werden eine scharfe rote Koriander-Zwiebel-Sauce gereicht, Weizen-Brötchen mit Kuhkäse, Milchkaffee und köstliche Fruchtsäfte, aus Papayas oder Guaven.
Ich durchmarschierte Quito vom Osten in den Westen. In Anbetracht meines nachfolgend beschriebenen Vorhabens keine Absicht. Bevor ich also am telefériQo ankam, war ich schon im Arsch. Diesmal allerdings – wie beim Fußball es immer der Schiri ist – waren die Höhenmeter schuld. Es ist auch schwer mal ein Hinweis-Schild aufzustellen! An der Kasse erschrak mich folgendes Schild: „Foreigners 8,50 $“ (US-$ wohlgemerkt). In Deutschland muss ein Tourist nicht das Doppelte für die gleiche Dienstleistung zahlen, nur weil er ein Tourist ist. Ja gut, Touristen haben Geld und ich bin in Ecuador … aber gnädige, nicht verhandeln wollende, Marionette, ich habe seit Tagen nicht warm geduscht; ich habe Juckreiz und Rötungen von meinem derzeitigen Bett; die Frau, bei der ich umsonst übernachte, ist ‘ne kiffende schriftstellernde Alkoholikerin; ihre Katze ist zwei Monate alt und verhält sich dementsprechend – meine Malereien auf Nacken und Händen sind Zeugnis; ich esse zweimal am Tag in den billigsten Buden – und was die Portionen angeht: ich habe nicht die Statur, und den damit verbundenen Energiebedarf, eines typischen Ecuadorianers; ich trinke Leitungswasser, obwohl mein Reiseführer davon abrät; ich trage meine Sachen, bis ihr Gestank mich sozial isoliert, da mir eine Wäscherei zu teuer ist; ich gehe zu Fuß, benutze also keine Busse und Taxen, um zu sparen; ich habe kein wi-fi und seit Wochen keinen Sex und außerdem haben die Spaßvögel in Cali mir die falschen Rasierklingen verkauft … also behandeln sie mich Reisenden nicht wie einen Gold scheißenden Esel, sonst …!
Mit dem telefériQo bin ich dann auf 4.100 m Höhe gefahren. Für 8,50 $. Die Wolken hatten längst den Berg besetzt und spielten Katz und Maus mit dem Blau. In einiger Entfernung thronte erhaben der Rucu Pichincha, 4.700 Meter hoch. Das gelb-grüne Gras duckte sich. Entlang der Hügel zog sich ein Trampelpfad dem Berg entgegen. Ab und zu konnte ich ein Blick auf Quito erhaschen. Goldene Lichtfetzen trieben auf den Hängen, stürzten in grauen dichten Nebel, ertranken. Ein, aus der Laguna de Mojanda bekannter Vogelgesang, begleitete mich. Meine Pausen wurden wieder häufiger. Diesmal war der Pfad aber deutlich einfacher zu begehen – ich fand schneller zu einem Rhythmus. Ich schaute eher auf den Boden und belastete nur den Vorderteil des Fußes. Meine Schritte waren klein, aber zügig. An den Hängen wuchsen Berg-Zimterle. Die letzte Stunde kletterte ich grauen, braunen Sand und scharfkantige Sedimente hoch, immer mäandernd – ein direkter Weg wäre vermutlich zu schnell und somit zu anstrengend. Geröll stürzte herab. Mehrfach schnitt ich mich. Am Gipfel angekommen umhüllte mich das graue Kleid der Wolken. Meine erste Reaktion war ein Schreien. Ich war voller Euphorie. Ich aß meine letzten Bananen. Der Wind pfiff und ab und zu sah man Quito, in das die Sonne gerade ihr Licht goss.
Cotopaxi, ich komme!
Abends saß ich auf dem Boden und schrieb. Charlotte hatte geladen. Sie tranken Mojitos, rauchten, erzählten. Entweder sie wirkten alle verbrauchter, oder sie waren tatsächlich Mitte, Ende Dreißig. Ein Pulver ähnelte Paniermehl. Ich blieb beim Anis-Likör. Charlottes kleine Katze saß auf meiner Schulter, schaute mir zu und hopste auf die Tastatur: Zzz.