Rückt das Aus für Atomstrom näher?

Eine neue Studie bringt wieder Schwung in die Debatte um den Atomausstieg. Forscher der Johannes Kepler Universität Linz (JKU) haben festgestellt, dass indirekte Subventionen für AKW-Betreiber gegen Europarecht verstoßen und deshalb verboten werden müssen. Ein Verbot der indirekten Subventionen würde das wirtschaftliches AUS für die Atomkraft bedeuten.
In Auftrag gegeben wurde die Studie von dem oberösterreichischen Landesrat Rudi Anschober (Grüne). Er wollte überprüfen lassen, ob die Subventionen, die in Form von Haftungsbegrenzungen für AKW-Betreiber vorliegen, gegen geltendes Europa-Recht verstoßen. Zwei renommierte Rechtsexperten der JKU, Ferdinand Kerschner und Franz Leidenmühler, waren mit der Überprüfung des Falles beauftragt. Das Ergebnis ist eindeutig: „Die in einigen Mitgliedsstaaten der EU vorgenommenen Haftungsbegrenzungen und -übernahmen zugunsten von AKW-Betreibern stellen staatliche Beihilfen dar, die durch die Begünstigung eines bestimmten Produktionszweiges den zwischenstaatlichen Wettbewerb verfälschen. Sie sind daher grundsätzlich mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten." Die österreichischen Grünen sehen in dem Ergebnis eine neue Chance für den europaweiten Atomausstieg. Mit korrekten Haftungs- und Versicherungssummen würde die Atomenergie endgültig restlos unwirtschaftlich.

Haftungslage bei AKW in der Europäischen Union

In vielen Mitgliedsstaaten der EU gibt es staatliche Haftungsbegrenzungen für AKW-Betreiber. Sie basieren auf völkerrechtlichen Verträgen, insbesondere dem Pariser Übereinkommen über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie von 1960. So haften z.B. in Tschechien AKW-Betreiber bis zu einer Schadenshöhe von 306,2 Millionen Euro und in Großbritannien mit bis zu 156,7 Millionen Euro.
In der BRD ist die Haftung theoretisch unbegrenzt. Aber durch die Beschränkung auf das Gesellschaftsvermögen ist sie faktisch sehr gering. Zudem kommt es in Deutschland wegen der Deckungsvorsorgehöchstgrenze von 2,5 Milliarden Euro und der Freistellungsverpflichtung des Bundes zu einer weitgehenden Haftungsübernahme des Staates. Im Falle eines Super-GAU müssten deutsche AKW-Betreiber nur für etwa 0,1% bis 10% der Schadenskosten decken.

Mögliches Schadensausmaß bei AKW-Unfällen

Der Schaden beim Reaktorunfall in Three Mile Island des Jahres 1979 in den USA war noch relativ gering. Der radioaktive Austritt war relativ gering. Nach Angaben der Versicherungsforen Leipzig (2011) und der UN (1990) lag die Schadenshöhe bei etwa einer Milliarde US-Dollar. Die Kosten und direkten Verluste der Tschernobyl-Katastrophe von 1986 werden auf etwa 1,37 Billionen Euro geschätzt. Nach neuere Berechnungen soll sich der Schaden auf 4,6 Billionen Euro belaufen, so die Studie. Die japanische Kommission für Atomenergie hat den Schaden durch den Unfall des AKW Fukushima auf 44,9 Milliarden Euro geschätzt. Kürzlich veröffentlichte das französische Institut für Strahlenschutz und nukleare Sicherheit eine Untersuchung, wonach ein Atomunfall vom Ausmaß des Unglücks in Fukushima einen Schaden von rund 430 Milliarden Euro in Frankreich anrichten würde.
Dass ein Atomunfall in Europa denkbar ist, hat eine Untersuchung der Europäischen Kommission ergeben. Der von ihr veranlasste Stresstest ergab, dass z.B. beim tschechischen AKW Temelin, aber auch bei den meisten anderen europäischen AKW gravierende Sicherheitsmängel bestehen.

Einbindung erneuerbare Energien wird erschwert

Es entspricht der herrschenden juristischen Auffassung, dass Haftungsbeschränkungen und -übernahmen staatliche Beihilfen sein können. Es liege jedenfalls eine Begünstigung durch den Staat vor, so die Studie, da die AKW-Betreiber keine (angemessene) Gegenleistung erbrächten. Dagegen seien die öffentlichen Haushalte potentiell massiv belastet. Im vorliegenden Fall läge deshalb eine Wettbewerbsverzerrung vor, die eine verstärkte Einbindung erneuerbarer Energiequellen erschwert.
AKW-Betreiber beglichen keine Versicherungsprämien, die erforderlich wären, eine vollständige Haftungsübernahme im Schadensfall abzudecken. Szenarien zufolge, würde dies zu einem erheblichen Stromkostenanstieg führen und die AKW unrentabel werden. Die Versicherungsforen Leipzig errechneten 2011, dass durch eine vollständige Haftungsübernahme der Preis des Atomstroms in Deutschland um 0,14 Euro/kWh bis zu 2,36 Euro/kWh ansteigen würde.

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