Der Ring ist abgebaut, die Arena in Stuttgart ist bereit für “Müzik Benim Sahne Benim“, ein Unterhaltungsprogramm, bei dem in Europa der türkische Superstar gesucht und gefunden werden soll. Anlass genug einen Blick zurück auf die zweite Veranstaltung von Sturm Box-Promotion zu werfen.
Der übertragende Sender SAT 1 tat sein Bestes, dem Event Glanz zu geben. Es wurden Fußballer, die aktiv sind und solche, die im Ruhestand sind, am Ring gesichtet und um ihre Meinung gebeten. Jede Menge Bespaßer vom Privatfernsehen taten ihr Bestes witzig und originell zu sein – so weit so gut.
Sportlich allerdings war unübersehbar, dass Felix Sturm weit hinter seinem Anspruch zurück blieb. Wie ein Mantra hat er im Vorfeld immer und immer wiederholt, dass er die Besten boxen will. Präsentiert hat er dann aber nur einen Gegner, der an Platz Nummer 50 der unabhängigen Weltrangliste rangiert. Und ganz genau so hat dann auch Hearns Jr. geboxt; dementsprechend einseitig war dann auch der Kampf. An dieser Stelle muss Sturm sich schon die Frage gefallen lassen, warum nicht ein anderer Gegner gefunden werden konnte. Hinzu kommt die banale Erkenntnis, dass der Sohn eines großen Boxers nicht automatisch auch selber ein guter Boxer sein muss. Felix Sturm bleibt Super Champion im Mittelgewicht nach Version WBA, hat aber an Glaubwürdigkeit erheblich eingebüßt – was beides zu erwarten war.
Die Auswahl von Gegnern, bzw. das Matchmaking, scheint ein Grundproblem von Sturm Box-Promotion zu sein, was sich auch im Vorprogramm deutlich zeigte. Sturm oder sein Matchmaker (Hat Sturm überhaupt einen Matchmaker und wenn ja, wen?) wollten doch allen Ernstes Werner Kreiskott als Aufbaugegner für Adnan Redzovic holen. Mich gruselt bei dem Gedanken, dass dies das Boxen ist, das Felix Sturm und sein Team wollen.
Leider wurde derjenige Kampf, der wohl der beste des Abends war und ganz anders ausging, als er wohl geplant war, vom TV-Sender weder erwähnt noch, und sei es in Ausschnitten, gezeigt. In der „Kölner Stadtmeisterschaft“ im Super Mittelgewichtler unterlag nämlich der bis dahin ungeschlagene Patrick Dobroschi überraschend gegen Mounir Toumi durch TKO in Runde 4. Toumi (jetzt 12 Kämpfe, 5 Siege, 2 durch KO, 7 Niederlagen, 4 durch KO), der bis dahin noch nicht einmal in der unabhängigen Weltrangliste geführt wurde, vermöbelte Dobroschi regelrecht. Man könnte jetzt sagen: So ist das Boxen. Man könnte aber in dieser Niederlage auch einen weiteren Beleg für Probleme im Matchmaking sehen.
Die glamouröse und bunte Show von SAT 1 kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der 32-jährige Wahlkölner Sturm in atemberaubendem Tempo an Glaubwürdigkeit verliert. Jedenfalls hatte ich persönlich schon einige Schwierigkeiten, seinen selbst formulierten Anspruch mit seiner selbst inszenierten Wirklichkeit irgendwie zu vereinbaren. Sein Matchmaking ist, so finde ich, unprofessionell und gruselig. Sein Vorprogramm verdient wohl eher den Namen Prä-Event, denn um Boxen ging es da weniger.
© Uwe Betker