Man sollte zum besseren Verständnis wissen, dass Menschen, die in Osteuropa sozialisiert wurden, ihre Kinder anders erziehen. Russische Kinder gehen in die Musikschule oder zum Sport – die der Deutschen ins Internet. Und Kinderladen, Waldorfpädagogik, antiautoritäre Erziehung waren stets (und bleiben es auch) in Moskau oder in Kiew als zugelassene pädagogische Konzepte unbekannt.
Im Gegenzug gelten dortzulande die Weisheiten von Makarenko, Rousseau, Pestalozzi und viel Liebe, wonach es die 3 Säulen zur Menschwerdung gibt: Verinnerlichte Disziplin, Selbstverwaltung und nützliche Arbeit. Die Autorität des Erziehers beruhte auf gegenseitiger Achtung, welche die Achtung des Erziehers gegenüber dem Kind einschließt. Absoluten Aufrichtigkeit und festes Vertrauen gegenüber dem Kind gehören dazu. Vor allem aber Strenge. Kam ein Lehrer in die Klasse, standen wir auf, Hausaufgaben machten wir fast immer zu Hause, Betrug bei Klassenarbeiten war zwar manchmal üblich, aber eigentlich verpönt.
Die eigentliche Geschichte:
Junge Spätaussiedler – Deutsche – zogen nach Potsdam und werden hier von miesen deutschen Nachbarn argwöhnisch beäugt.
“Haste jehört – die sprechen Russisch mit ihren Kindern!?”
Diese deutschen Nachbarn sind ausländerfeindlich, harzen tagsüber und schreiben manchmal Briefe. Anonym. An Gott und die Welt.
Einer der anonymen Briefe landete beim Jugendamt, was für die Behörde Grund genug ist, die junge Mutter vorzuladen. Am 8. Dezember 2012 soll das kleine Mädchen 21:00 Uhr noch wach gewesen sein und am 2. Januar sei der Junge mittags durch die Wohnung gerannt.
Man gibt mir eine poetische Kostbarkeit zum Übersetzen. Die Faustformel: Ein Wort zwei Fehler. Völlig undeutsch.
In Antwort hierauf knallt die junge empörte Mutter zahlreiche Papier auf den Tisch des Amtes: Musikschule, Judoklub, Zeugnisse – überall gehören ihre Kinder zu den besten. Auch im Deutschunterricht.
“Und?”, will ich wissen.
“Naja, ich sage Ihnen das ja auch nur, damit Sie wissen, dass es so etwas gibt. Machen Sie sich doch keinen Kopp!”
Wenn das kein Grund ist, sich “einen Kopp” zu machen. Das deutsche Amt wertet miese Nachbarn auf statt ab. Und – eigentlich – gehören rotten neighbors bestraft. Aber pure, zur Schau getragene Ausländerfeindlichkeit ist in Deutschland nie Grund genug.