Rotlicht

Von Privatkino
Titel: Rotlicht
Autor: Nora Bossong
Genre: Sachbuch
Verlag: Hanser Verlag
Format: Brochiert, 240 Seiten
ISBN:978-3-446-25457-2


Kauft doch wieder mal in der örtlichen Buchhandlung ein!

Die Welt des Sex ist eine unendliche. Sexshops, Swingerclubs, Tabledance, Prostitution etc., das Feld lässt sich unendlich vorführen. Nora Bossong stand, wie andere Kinder wohl auch, oft staunend vor dem Sexladen am Bahnhof, mit Sicherheitsabstand natürlich. Die Geheimheit dieses Ortes, sie zog an, ließ die Fantasie kreisen, welche wohl absonderliche Welt hinter dieser Tür liegt.
Und der Gedanke bleibt, wer noch nie in einem Bordell war, stellt sich vermutlich die abenteuerlichen Szenarien vor und weil der Mensch ziemlich neugierig ist, hat Nina Bossong ihren Voyeurismus nachgegeben und es sich zur Aufgabe gemacht, die Welt des kommerziellen Sexes kennenzulernen. Als Beobachter.

Die erste Station ist eine Tabledancebar, die erste Begegnung soll nicht erschrecken, doch eine Sexmesse folgen, auf der klar wird, dass die Frau, trotz Emanzipation oftmals eines bleibt – ein Lustobjekt. Wenn auf der Bühne eine Dame steht und sich mit einen Rießendildo penetriert, gekünstelt stöhnt und die Männerschaft ihre Kameras einzig und alleine auf das Geschlechtsorgan der „Schauspielerin“ richten, durchzieht einem beim Lesen doch ein Schauer.
Das Gespräche mit einem Pornoproduzenten bringt eigentlich auch nur die Erkenntnis, dass die sexuelle Welt, nicht wirklich auf Frauen ausgelegt ist, Männer sind die Hauptkunden, wollen ihre Fantasien erfühlt bekommen, wenn auch nur gedanklich, an die Frauen denkt man kaum.

Man mag sich die Welt des käuflichen Sexes als etwas schmutziges vorstellen, ekelhaft und erniedrigend, diesen Aspekt nimmt Nora Bossong in ihrem nächsten Kapitel auf. Den Besuch zweier Sexkinos. Während das eine eher wie eine Szene aus einem Horrorfilm wirkt, hat das andere etwas anonymes an sich – letztlich alles eine Frage des Preises. Näher gibt es in keinem dieser Orte, alles ist einer reinen Oberflächlichkeit ausgesetzt, doch während man am einen Ort Angst haben muss, ist der andere so Distanziert, dass der Kontakt zu den Gefühlen verloren geht.
Da überrascht es ein wenig, dass der Besuch im Swingerclub eher wie ein biederer Abend unter Fremden wirkt. Nudelsalat wird aufgetischt, die Stammgäste haben ihre Badelatschen, die es nicht anzurühren gilt, in dieser Welt, die eigentlich als regellos dargestellt wird.

Für den letzten Teil hat sich die Autorin die Welt der Prostitution aufbewahrt, der Teil, der wohl unter die Haut geht und die Gedanken des Lesers fliegen lassen. Huschke Mau, ehemalige Prostituierte, bringt es auf den Nennen, dass kaum jemand freiwillig in dieser Branche arbeitet, hinter allem stehe ein gewisser Zwang. Und Nora Bossong trifft zwei Ungarinnen, die auf Grund der schlechten wirtschaftlichen Situation in ihrer Heimat, nach Deutschland kamen, um Geld zu verdienen.
Doch auch die Osterweiterung der EU im Jahre 2007, brauchte unzählige verzweifelte Menschen aus Bulgarien und Rumänien nach Deutschland. Die Trostlosigkeit und Hoffnungslosigkeit ihrer Heimat, als Antrieb, sich in dieser Branche zu bewegen und wie es mit Verzweiflung immer so ist, jemand wird sie benutzen, um sich selbst zu bereichern. Zuhälter beherrschen die Frauen und viele sprechen schon von Glück, wenn sie nicht allzu oft geschlagen oder all ihr Geld abgeben müssen.

„Glaubt man Alice Schwarzer, ist dabei keine einzige von ihnen selbstbestimmt und wird jede ihrer Handlungen durch Not, Misshandlung, frühen traumatisierenden Missbrauch angetrieben. Dagegen steht etwas die Meinung von Hydra, der ältesten Hurenorganistiaton Deutschlands, die in den achtziger Jahren ebenfalls aus dem Kreis linker Feministinnen hervorging und für die es durchaus selbstbewusste Sexarbeit gibt. 

Beide Seiten beanspruchen, für die Rechte von Frauen einzutreten.“ (Seite 167)

Nora Bossong bleibt zum Schluss parteilos, sie hat viel gesehen und gehört, wenn man auch eine leichte Tendenz spürt, dass auch sie nicht an Freiwilligkeit in der Branche glaubt, lässt sie es dem Leser selbst im Kopf, darüber nachzudenken. Es bleibt im Kopf, man wälzt hin und her. Und bleibt letztlich immer außen vor, als Beobachter, der eigentlich nichts weiß.

Weitere interessante Rezension zu dem Buch:
kapri-zioes