Weiße Weihnacht, weißer Jahreswechsel - Herz, was willst du mehr?
Die Schwangauer indes, die können den Hals nicht vollkriegen. Die wollen immer mehr Touristen anlocken und geben sich einfach nicht damit zufrieden, dass ihnen der König (bzw. seinerzeit noch: Kronprinz) Maximilian II. die Burgruine Schwanstein als "Hohenschwangau" zu einem neugotischen Palast umgebaut hat (der mich übrigens stilistisch irgendwie an die Alte Weberei in Bielefeld erinnert), und König Ludwig der II. von Bayern ihnen das weltberühmte Schloss Neuschwanstein hingestellt. Auch die eindrucksvoll auf weite Wiesen vor eine großartige Berglandschaft platzierte barocke Wallfahrtskirche St. Coloman (darüber mehr in meinem Blott "St. Coloman in Schwangau ist wunderschön,...") reicht denen nicht aus, und ebenso wenig die Königliche Kristall Therme oder die spektakuläre brandneue Badelandschaft des Hotel König Ludwig.
Nein, die Tourist Information Schwangau hat noch ein ganz spezielles Anlockprogramm für Touristen aufgelegt. Je nach Zielgruppe wird es beworben mit den Slogans
"Tiere schauen dich an" oder
"Mit der Hirschkuh per Du".
Bei dieser Schilderung der Dinge ist mir nun freilich ein wenig Jägerlatein aus der Tastatur getropft. Lassen wir also das "Gästeblättle" (das man übrigens auch gratis als Mailinfo abonnieren kann) sprechen. In der Ausgabe vom Dezember 2010 (S. 8) erfahren wir darüber:
"Nur selten begegnet man den „Königen der Wälder“ in solch unmittelbarer Nähe, wie bei der Wildfütterung in Schwangau, die zwischen dem Bannwald- und dem Forggensee liegt. Ihr Besuch ist immer ein besonderes Naturerlebnis. Vom Ortsteil Brunnen erreicht man sie auf einem ausgeschilderten Fußweg. Einfacher und romanischer ist jedoch die Fahrt mit den Pferdeschlitten; zwei Fuhrbetriebe fahren täglich. (Siehe Infokasten am Ende des Artikels)
Früher zog das Wild aus den Bergwäldern zu den Flussauen am Lech. Dort fanden sie nahrungsreiche Wintereinstände. Solche Ökosysteme gibt es kaum noch. Und die wenigen sind schwer erreichbar. Straßen und Siedlungen machen es den Tieren fast unmöglich, dorthin zu gelangen. Deswegen fühlen sich die Jäger aufgerufen, dem Wild die Winterzeit durch Fütterung zu mildern. Mit dem ersten Schnee verlassen die Wildtiere das Hochgebirge und ziehen – nach Instinkt – in das Lechtal, in die Wälder am Bannwaldsee, um dort zu überwintern. Aus diesem Grund wurde der Lebensraum dort vor Jahren per Verordnung zum Wildschutzgebiet erklärt. Es herrscht Betreungsverbot, wie Schilder rundum hinweisen. Dieses Rückzugsgebiet der Tiere nutzen die Jäger seit Jahrzehnten zur Wildfütterung. Täglich gegen 15 Uhr wird dort gefüttert.
Die Tiere verlassen vorsichtig ihre Einstände, kommen zum Futterplatz und nähern sich den
Besuchern auf einzigartige Art und Weise. Ein außergewöhnliches Erlebnis, die Wildtiere aus
dieser Nähe zu erleben. Eine Erfahrung, die in Erinnerung bleibt. Zudem informieren Jäger bei der Fütterung über Wald und Wild. Die Tiere stört das nicht; bei plötzlichen Bewegungen der Zuschauer oder bei scharfen Lauten – wie Hundegebell – flüchten die Tiere jedoch zurück in den Wald. Hunde sind daher vom Bereich der Wildfütterung fern zu halten.
Wildfütterung in Schwangau
Romantische Schlittenfahrt zur Wildfütterung
Die Wildfütterung erreicht man in einer gut halbstündigen Wanderung. Der Weg ist gut ausgeschildert. Besonders romantisch sind Schlittenfahrten nach dorthin.
Die Schlitten fahren um 14 Uhr:
Fahrbetrieb Josef Kotz
Abfahrt in Brunnen, vor dem Haus Seestraße 74.
Anmeldung im Haus oder unter 0 83 62 / 85 81.
Fahrbetrieb Otto Kotz
Abfahrt in Brunnen, am Parkplatz Karbrücke, Ortsrand Brunnen.
Anmeldung im Haus Schwangau, Unterdorf 5 oder unter 0 83 62 / 80 94."
Weitere Informationen liefert der Text "Könige der Wälder: Wildfütterung in Schwangau" (Januar 2010) auf der Gemeindewebseite (meine Hervorhebungen):
"In der Weihnachtszeit - ab 25. Dezember und danach, solange Schnee liegt - kann jeder dieses Schauspiel, täglich um 15 Uhr beobachten. Den Futterplatz erreicht man bequem mit einem halbstündigen Spaziergang vom Ortsteil Brunnen aus.
An einem großen Tor, etwas abseits der eigentlichen Wildfütterung beginnt das Abenteuer. Pünktlich muss man allerdings dafür dort sein. Denn genau um 15 Uhr wird das Tor kurz zum Einlaß geöffnet. „Die Tiere haben sich an diese Uhrzeit für die Fütterung gewöhnt“, erklärt Jagdvorsteher Kuno Rinke.
Nach kurzer Zeit treten einige starke Hirsche misstrauisch sichernd und zögernd aus dem verschneiten, frostigen Wald. Jetzt heißt es still zu sein und plötzliche Bewegungen zu vermeiden. Denn viele Tiere verstecken sich im Dickicht. Wenn sie keine ungewöhnlichen Laute oder schnellen Bewegungen schrecken, kommen sie nach und nach zu den Futterraufen auf der Lichtung. Dort finden sie nahrhafte Delikatessen, die Kuno Rinke und sein Team vorher für das Rotwild ausgebracht haben: Heu, Äpfel, Kleie und Rüben. Bis zu 140 Tiere zählte man schon bei einigen Fütterungen, ... ."
Noch weit ausführlicher ist der Bericht "Rendezvous mit dem «König der Wälder» im Allgäu" auf der Webseite der Aachener Zeitung vom 05.01.2011. Und zutreffend ist die Schilderung auch, obwohl wir am Ende erfahren, dass "Die Recherche ... von Füssen Tourismus unterstützt" wurde ;-).
Auszüge (meine Hervorhebungen):
"Ein derartiges Rendezvous mit dem «König der Wälder» gibt es nur im Winter, wenn Schnee liegt, etwa ab Weihnachten bis in den März hinein, dafür täglich. Hier am Bannwaldsee befindet sich eine der größten öffentlichen Rotwildfutterstellen des Ostallgäu. Es ist alles gut organisiert, damit man aus nächster Nähe die Tiere beobachten kann. Hunde sind nicht zugelassen. Denn Ruhe ist geboten. Jede ungewohnte Bewegung, jeder scharfe Laut würde das zu erwartende Naturschauspiel zunichte machen, erklärt später Jagdaufseher Kuno Rinke.
Das Warten hat sich für die Besucher gelohnt. Auch wenn sie hinter einer Absperrung bleiben müssen, kommen sie auf kurze Distanz an den Futterplatz heran. Der Eintritt ist frei. Aber wenn der Hut des Jagdvorstehers herumgeht, spenden viele gern etwas Geld für den Futterkauf. Die Absperrungen seien nötig, damit sich die Hirsche stressfrei dem Futterplatz nähern können, erläutert Rinke. ...
Fasziniert lauschen die Besucher den Ausführungen des Jagdaufsehers. Viel Wissenswertes über Wild und Wald ist von ihm zu erfahren.... das Wild kann die Futterstelle ungehindert betreten und auch wieder verlassen. Da lichten sich schon die Reihen - sowohl bei den Tieren als auch bei den Besuchern. Die einen sind satt. Die anderen locken offensichtlich Wintererlebnisse anderer Art in der traumhaften Kulisse des sogenannten Königswinkels, wo Berggipfel märchenhaft in der Sonne glitzern."
Zu den Schlittenreisenden gehörten wir nicht; wir hatten festtägliche Kaloriensünden abzubüßen und mussten also per pedes apostolorum zum Veranstaltungsort des animalischen Grande Bouffe pilgern, wobei uns andere Wild-Pilger unterwegs überholten:
Die Schlittentouris machten einen Fotostopp, was andere Fotografen sogleich für ihre eigenen Zwecke ausnutzten:
Und weil's so imposant ist, hier gleich ein anderes Bergbild mit Staffagefigürchen im Vordergrund:
Das Erlebnis der Tierfütterung begann mit einen Irrtum (wohl nicht nur bei uns). Wir glaubten nämlich, nur bis zu diesem Zaun gehen zu können und das Wild von dort - durch die Büsche - betrachten zu können.
Sozusagen bei der Bescherung durch einen Türspalt schauen zu müssen
Pünktlich um 15.00 h jedoch öffnete sich ein Gatter, und die Schaulustigen konnten den abgezäunten Bereich betreten. (Ich sage "ab-", nicht "ein-gezäunt", weil es sich eben nicht um ein Gehege handelt, sondern die Wildtiere von anderen Seiten her freien Zu- und Abgang haben. Nur hier zum Weg hin ist es abgesperrt.)Die Tiere waren zunächst noch etwas scheu, aber nicht furchtsam. Man stand schließlich etwa 10 oder 20 m entfernt, und die Knipserei konnte losgehen.
"Nein, nein, ich bin kein Bambi!"
Wir haben es hier, wie uns der Aufseher erläutert, nicht mit Rehen zu tun, sondern ausschließlich mit Rothirschen (Rotwild). Rehe seien zu scheu, um den Menschen derart nahe zu kommen.
Anstellen, bitte!
Aber meine Herrschaften! Bitte nicht drängeln! Es ist genug für alle da!
Na also: an dieser Futterkrippe sind doch alle satt geworden!
Stille Nacht, heilige Nacht: Alles frisst, einer wacht.
Zwei Schnüffler
Sicherheitsbeauftragter oder: "Der Bulle vom Bannwaldsee"
Randerscheinung: "Come a little closer"
Doppler-Effekt
Head or tail?
"Verdammt, jetzt schieß doch endlich, damit ich weiterfressen kann!"
Profil zeigen
"Wer bist du denn?"
Unübersichtliche Interessenlage
Licht und Schatten. Im Winter verändert sich die Fellfarbe des Rotwildes zwar mehr ins Gräuliche, ist aber - speziell im Schein der Wintersonne - immer noch rot genug um meinen Blott-Titel zu rechtfertigen.
Licht-Spiele
Multidirektional
Geweih-Gewimmel
Eine Hörner-Gruppe (aber nicht die Hörnergruppe)
Geweih-Wald
The Show is over: Auszug der Gladiatoren
Beschließen kann man (und beschlossen haben wir), mit Kaffeetrinken (wie wir) oder mit Abendessen, den Tag im Café Gerlinde im Schwangauer Ortsteil Waltenhofen am Forggensee. (Dieser Stausee ist jetzt abgelassen, aber auch die "Priele" auf dem Seeboden sind fotogen.) Wir waren bereits in unserem Oktober-Urlaub dort gewesen und fanden Dekoration geschmackvoll ...
[Einziges Desiderat wäre die Lieferung von Papierservietten auch zum Kuchen (könnte ja sein, dass man sich mal die Sahne aus dem Mundwinkel wischen möchte).]
Nachtrag 09.01.11
Schöne Fremdphotos von der Wildfütterung z. B. bei Heise.de oder auf der Webseite der Ferienwohnung Böck (im Schwangauer Ortsteil Horn).
Für alle, die bewegte Bilder bevorzugen, hat ein Sigi Helmer (aus Füssen) bei youtube ein Video der Brunnener Wildtierfütterung eingestellt.
Und hier auf AllgäuTV gibt, wie auch bei unserem Besuch, der oben schon erwähnte Jagdaufseher Kuno Rinke ausführliche Erläuterungen.
Kritisch zum Thema der Bericht "Wildfütterung im Winter – Darf man Wildtiere füttern?". Sehr viel tiefer geht (und ausführlicher ist) der Artikel "WILDFÜTTERUNG Sinn oder Unsinn ?", der (als Übernahme aus der Zeitschrift "Wild und Hund") auf der Webseite "Südtiroler Jagdportal" eines Walter Prader reproduziert wurde. Die zunächst allgemein gehaltenen Ausführungen konzentrieren sich dann aber letztlich auf die Probleme einer Fütterung von Rehen.
Auch die Wikipedia bringt einen einschlägigen Artikel, jedoch unter "Winterfütterung".
Auf jeden Fall ist die Wildtierfütterung im Winter eine Touristenattraktion, auch anderen Ortes.
A note for any fortuitos English speaking guests:
These photos were not taken in a zoo, but in Schwangau, in a spot close to Bannwaldsee lake, to where the red deer (am.: elk) descend from the mountains during winter.
Since their traditional (natural) feeding grounds for this period along the river Lech are now taken up by the Forggensee artificial lake, the deer are fed by the hunters. You come very close (maybe 10 - 20 m) with no fence between you and the animals. Unless you make any very loud noise (like applauding the caretaker, who is giving explanations), the animals will not run anway. Dogs, of course, are not admitted.
The feeding takes place only in winter during the snow period, roughly from Christmas til March, daily at 15.00 h p. m. There is no entrance fee but at the end of some interesting explanations (only in German, though) a collection will take place where the visitors may donate voluntarily.
Textstand vom 10.01.2011
Aufnahme im "Paperblog":
«Ich bestätige die Einschreibung dieses Blogs auf Paperblog unter dem Benutzernamen cangrande».