Rosa für alle!

Wir alle kennen das: Beim Spaziergang, im Fernsehen, sogar auf der Autobahn entkommen wir kaum den Bildern von Frauen, die sexy für Solaranlagen, Baustoffe und Essen werben. Und wir sind entsetzt, wie viel nackte Haut unsere Kinder dadurch sehen. Doch das ist nicht das einzige Problem: Dass Frauen eine Küche anpreisen, während die Männer das nächste Automodell vorführen, verfestigt schon früh Geschlechterklischees bei den Kleinsten.

Also schalten wir auf eine Kindersendung um oder holen die Kinderbücher raus – ist da endlich alles gut? Leider nein!

Ende 2018 lebten rund 10,5 Millionen Kinder unter 14 Jahren in Deutschland – 5,4 Millionen Jungen und 5,1 Millionen Mädchen. Doch im Fernsehprogramm für diese Zielgruppe flimmern Jungen und Männerfiguren 3-mal so häufig über die Bildschirme wie Mädchen -bzw. Frauenfiguren. Bei Fantasiewesen wie z.B. Tierfiguren sind sogar 87 Prozent männlich. Besonders selten sind Frauen als Anführerinnen dargestellt. Männer übernehmen auch meistens die Rolle des Erklärers oder der Moderatoren. Das Kinderfernsehen ist somit rückständiger als das Programm für Erwachsene, wo Männer immerhin nur doppelt so häufig vorkommen.

Egal? Keineswegs! Medienangebote und ihre Protagonist*innen erklären Kindern die Welt, begleiten sie bei der eigenen Entwicklung und bieten Orientierung beim Finden der eigenen Identität. Wird dabei das eigene Geschlecht nur minimal oder gar nicht gezeigt, kann dies psychische Auswirkungen haben. Auch die Rolle, die das eigene Geschlecht spielt, ist besonders wichtig. So könnte das Fehlen weiblicher Führungspersonen in Kindersendungen Mädchen entmutigen, später selbst führende Positionen anzustreben. Natürlich prägen auch Eltern, Erzieher*innen, Lehrkräfte und der Freundeskreis, wie Mädchen und Jungs sich selbst und das jeweils andere Geschlecht sehen und welche Erwartungen und Vorstellungen sie für ihr späteres Leben in Beruf, Familie und Gesellschaft entwickeln. Aber eben auch Medien sind ein entscheidender Einflussfaktor für die Identitätsbildung von Kindern.

Kaum jemand hinterfragt, warum Kinder von so vielen starken Männern umgeben sind und von so wenigen starken Frauen oder warum die wenigen starken Frauen und Mädchen ausnahmslos schön und oft sogar sexualisiert dargestellt werden. Erschreckend oft sind weibliche Figuren in Kindermedien passiv, während männliche Figuren überwiegend lösungsorientiert und aktiv handeln. Mädchen interessieren sich für ihr Aussehen, Jungen für das, was sie tun. Diese Vorstellung findet sich nicht nur in Medien, sondern auch in Gute-Nachtgeschichten, in denen der starke Prinz mal wieder die hilflose Prinzessin rettet, oder in Kinderliedern und -reimen, in denen Mädchen und Frauen so gut wie nie vorkommen. Da tanzt ein Bi-Ba-Butzemann im Haus herum, dort geht ein Mann die Treppe rauf, um „Herrn Nasemann“ fröhlich „Guten Tag“ zu zurufen und seit Generationen lieben Jungen wie Mädchen den Knie-Reit-Vers „Hoppe-Hoppe-Reiter“, bei dem die Mädchen sich schon mal daran gewöhnen können, „mitgemeint“ zu sein.

Rosa für alle!https://rosa-hellblau-falle.de/2018/10/poster-kinder-erziehen-ohne-geschlechterklischees/

Übrigens spiegeln Kinderbücher oft nicht nur starre Rollenverteilungen wider, sondern zeigen in erster Linie weiße Kinder mit vielen Spielsachen, wenigen Geschwistern und Mama und Papa. „Wo sind Sara, deren kleine Schwester eine schwere Krankheit hat, Lena, die das jüngste Kind einer sechsköpfigen Familie ist oder Bilyan, der mithilfe eines Cochlea-Implantats gut hören kann, wo ist Mariam mit zwei Vätern, wo die arbeitslose Mutter?“, fragt die vom Bundesfamilienministerium geförderte Fachstelle Kinderwelten für Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung. Sie stellt deshalb regelmäßig Kinderbuchlisten für verschiedene Altersgruppen zusammen, die das Leben so vielfältig zeigen, wie Kinder es Tag für Tag erleben – damit sie sich mit den dargestellten Figuren identifizieren oder ihren Blick erweitern können.

Für 12-16jährige gibt es außerdem z.B. den YouTube-Kanal „LuLikes“, eine freche Alternative zu den gängigen, Beauty-fokussierten YouTube-Formaten. Die Videos werden von pinkstinks.de produziert, einer Initiative gegen Rollenklischees, die Theaterarbeit an Schulen sowie Informationen und Publikationen für Erzieher*innen und Eltern anbietet (für diese auch hilfreich: die Rosa-Hellblau-Falle). Vor Allem aber sammelt sie sexistische Werbung, sucht das Gespräch mit Werbeagenturen und Unternehmen und prämiert progressive Werbung mit dem Positivpreis „Pinker Pudel“. Denn auch hier tut sich was.

Hanna Bludau, ehrenamtliche Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Hardegsen
Artikel erstmals veröffentlicht im Hardegser Stadtgeflüster 06/2020


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