An aus, an aus geht das Licht, als Ronja das Buch, aus dem sie vorlesen möchte, zuklappt und wieder aufmacht. Und schon beginnt das Spiel um die Räubertochter unter lautem Kindergelächter.
Im Dschungel Wien läuft derzeit die theatrale Erzählung „Ronja Räubertochter“ nach dem gleichnamigen Kinderbuch von Astrid Lindgren. Die Regisseurin Mia Constantine übergab dabei Aleksandra Corovic jenen unsichtbaren Regie-Zauberstab, mit dem sie sich ganz alleine auf der Bühne in vielerlei Rollen verwandelt.
Sie ist Ronja, das unerschrockene Räuberhauptmannmädchen, aber auch ihr allerbester Freund Birk, den sie auf einem ihrer Ausflüge kennenlernt. Sie spielt ihren grimmigen Vater, ihre sorgende Mutter aber auch den allergrößten Feind, den Hauptmann der gegnerischen Bande. Das gelingt ihr, indem sie unter anderen die braune Webpelzjacke ihres Vaters umlegt oder das karierte Holzfällerhemd von Birk nah an ihren eigenen Körper hält und die Stimme verändert. Die Kinder verstehen rasch, welcher Charakter sich hinter den verschiedenen Kleidungsstücken verbirgt.
Corovic erzählt die Geschichte von Ronja von ihrem eigenen Zimmer aus. Alles was die Tochter von Mattis und Lovis erlebte, jeder Ort an dem sie war, die Burg ihrer Eltern, der Wald, der voll ist mit gefährlichen Trollen, der Höllenschlund, vor dem ihr Vater sie warnte, entsteht nur in der Phantasie des Publikums. Ein kleiner Bildschirm am Boden hilft Blitz und Donner zu markieren, ein Lagerfeuer oder das Gefieder der heimtückischen Wilddruden sichtbar zu machen. Dabei bleibt Aleksandra bzw. Ronja immer in ihren eigenen vier Wänden. Dass eine Schüssel voll mit Wasser zum reißenden Fluss mutieren kann und sie darin sogar Fische fängt, fasziniert die jungen Zuseherinnen und Zuseher dennoch sichtlich.
Einfühlsam legt die Regisseurin Wert darauf, die charakterliche Entwicklung von Ronja nachzuzeichnen. Ihre erste Rebellion, ihren Drang nach Freiheit, ihre Hilfsbereitschaft, aber auch ihren Mut und ihre Loyalität zu ihrem Freund, der in den Augen ihres Vaters doch den Feinden zuzurechnen ist. Die Geschichte zeigt in ihrem Subtext aber auch auf, dass Eltern ihren Kindern eine gehörige Portion Freiheit zugestehen sollten, wenn sie Wert darauf legen, Menschen zu erziehen, die einmal selbständig und unabhängig ihr Leben meistern können. So wie es Ronjas und Birks Eltern taten.
Gewiss, die Zeiten haben sich geändert. Unsere Kinder leben nicht mehr in Räuberhöhlen oder Burgen und haben nicht mehr die Möglichkeit, im Sommer monatelang den Wald auf eigene Faust zu erkunden. Aber es gibt nach wie vor Mittel und Wege, seinem Nachwuchs lustvolle Eigenverantwortung zu übertragen, vor allem wenn es in Ferienzeiten darum geht, das eigene Ich und das der anderen kennenzulernen. Die Regie-Idee, Ronja die Musik von Björk zur Seite zu stellen, ist äußerst gelungen. Mit 12 nahm die isländische Sängerin bereits ihre erste Platte auf und mit 14 gründete sie ihre eigene Mädchen-Punkband. Als „sisters in crime“ dürfte Mia Constantine die beiden erkannt haben und mit Aleksandra Corovic, die Ronja lebendig werden lässt, sind die drei ein starkes Frauentrio.
Eine rund 10-minütige Kürzung würde dem Stück sicher gut tun, auch wenn dafür Details aus der Geschichte gestrichen werden müssten. Volksschulkinder hätten dann sicher auch kein Aufmerksamkeitsproblem. Zu beachten gilt das Alterslimit, denn unter 6-Jährige könnten mit dem raschen Rollenwechsel unter Umständen Zuordnungsschwierigkeiten haben.
Empfehlung an die Eltern, Lehrerinnen und Lehrer: Eine vorherige Einführung mit der Erklärung der Hauptcharaktere kann hier den Spaß des Zusehens noch unterstützen.
Termine für weiter Vorstellungen auf der Seite vom Dschungel Wien.