Fakten:Rogue One – A Star Wars Story
USA. 2016. Regie: Gareth Edwards. Buch: Tony Gilroy, Chris Weitz, Gary Whitta, John Knoll. Mit: Felicity Jones, Diego Luna, Alan Tudyk, Donnie Yen, Wen Jiang, Ben Mendelsohn, Forest Whitaker, Riz Ahmed, Mads Mikkelsen, Jimmy Smits, Alistair Petrie, Genevieve O'Reilly, Ben Daniels, Paul Kasey, Stephen Stanton, Ian McElhinney uvm. Länge: 133 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Ab 15. Dezember 2016 im Kino.
Story:
Die Galaxie befindet sich im Wandel, und das Imperium bringt ein Sternensystem nach dem anderen unter seine Kontrolle. Der Todesstern fungiert dabei als unbesiegbares Symbol in einem Kampf, der bereits entschieden scheint. Doch die Rebellen-Allianz hat eine letzte Mission in die Wege geleitet, um das Schicksal der Galaxie zu ändern: Die Widerstandskämpfer, unter ihnen die zunächst widerwillige Halbwaise Jyn Erso (Felicity Jones), wollen die Pläne des Todesstern stehlen, um die Zerstörung weiterer Planeten, die sich nicht dem Machtarm des Imperators unterwerfen wollen, zu verhindern.
Kritik:
Die Franchise-Ausschlachtung nach Marvel-Format, der entbehrliche Fanboy-Hype, die unausweichliche Skepsis gegenüber Spin-Offs, die Produktionsschwierigkeiten unter Beihilfe von Tony Gilroy, etc., etc. - auch wenn alle äußeren Faktoren dagegen sprechen, ergibt „Rogue One: A Star Wars Story“ letzten Endes dennoch eine angenehme Überraschung. Im Grunde bestätigt der Film aber auch nur die Qualitäten seines Regisseurs Gareth Edwards, dessen Leistungen innerhalb seiner zwei letzten Werke, „Monsters“ und „Godzilla“, im Verlauf der Jahre so kleingeredet wurden, dass man's beinahe schon glaubte. Dabei geht seine Autorenschaft hier erneut voll auf, wenn er den Krieg im Krieg der Sterne an die Front der Emotionen holt, von der Überwältigung Einzelner erzählt und dafür tief in die Mythologie der Space-Oper greift, um Gigantisches wie Fremdartiges als Sinnbild der menschlichen Probe zu ballen. Das schließt natürlich auch ein, dass er sein Ensemble an Charakteren nicht so eindeutig an Wiedererkennungswerte koppelt, wie sie Vorgänger J.J. Abrams konstruierte, doch wo dieser per bunter Retro-Pastiche ankam, sind die Funktionen von Jyn Erso (Felicity Jones), Cassian Andor (Diego Luna) oder Saw Gerrera (Forest Whitaker) diffuser, bewusst auf stets unsicherem Boden aufgeteilt. Das geht schon von der leichten Handkamera aus, die in ihrer Erdung gen Cast klaustrophobische Stellungen einnimmt, ehe der Blick zum Horizont, der Zerstörung dessen und darüber hinaus, die Massen des Imperiums offenbart, wie die Planetenzerstörer in stiller Kälte über den Köpfen schweben, von dort aus eine Zerstörung erwirken, die Edwards sinnlich durch die Dimensionen trägt, machtlos beobachtet.
Dieser Horror der Demut, der seine Perspektiven am Spektakel vorbei auf die Gewissenlosigkeit des Bösen richtet, wird oftmals der Fokus innerhalb der Bemühungen jener Rebellen, welche untereinander schon von Misstrauen gekennzeichnet sind, sowieso ohne das Selbstverständnis der Magie aus vorherigen Episoden auskommen müssen. Stattdessen begibt sich Edwards mit ihnen ins Peitschen der Elemente, schon im Intro auf karge Felder unter Wind und Regen, in denen die galaktische Fehde ihr Fieber der Gewalt ausstößt, zwischen Galen Erso (Mads Mikkelsen) und Orson Krennic (Ben Mendelsohn) die ideologische Bekehrung einprügelt, in der Uniformen alles von sich abperlen und der Karriere wegen in die Lumpen der Unfreiwilligen fallen lassen. Dieses Abbild an Macht-/Missbrauchs-Verhältnissen, mehrmals im Verlauf des Films variiert, löst virtuos die Vergleiche mit Akira Kurosawa ein, die man der Reihe seit jeher anrechnet und setzt die Gefälle des Wesens Krieg dann auch im Spiel von Licht und Schatten um, dass man für knapp 130 Minuten eine Liaison mit dem allzu gegenwärtigen Spektrum an Widerständen und Vertrauensfragen eingeht. In diesem Sinne bricht der Film oftmals mit dem Konsens an Eskapismus, den man allgemein mit der Marke „Star Wars“ verbindet (auch wenn er nur ein Teil derer ist), so wie sich die Geschichte ihrer selbst willen von der Title-Scroll-Pflicht löst, bei der Einführung aller wirkenden Parteien schon auf eine Desorientierung fern festgelegter Sympathien setzt und es insofern schwieriger macht, das ersehnte Quäntchen Hoffnung anzutreffen. Es passt ins Jahr 2016, dass wir auch in diesem Rahmen mit moralischen Grautönen zu hadern haben, Druckwellen an Pessimismus nachspüren und den Schluss der Aufopferung ziehen.
Der Fatalismus nimmt überhand und behält sich dafür auch ein Finale vor, das makaber wie ein Veit Harlan den Sieg ohne Sieger empathisiert - „Das Imperium schlägt zurück“ bekommt Konkurrenz. Edwards kommt zwar auch nicht vom Grundriss der Heldensage weg, doch selbst wenn der Wille zur Wiederwehr hochgeschaukelt wird, verkneift er sich naiven Pathos, lässt anstelle dessen die Verzweiflung aufschwellen, welche ihren Idealen nur schwer in die Augen sehen kann, während diese unbarmherzig getilgt werden. Deren (ewige) Präsenz lässt sich aber nicht leugnen und dafür holt die Regie ein Gesamtbild raus, das seine Mammuteffekte der Phantastik in verlebte Kulissen nach „Solaris“-Art einspannt, sich vermummt durch den Sand schleppt, mit hageren Haaren und klobiger Rüstung auf nasse Schluchten hievt, an dreckigen Schläuchen atmet, unter Freunden wie FeindenKugeln und Granaten einschießt, ebenso Roboterhirne aufschraubt. Die taffe, sehr direkte Montage zu solchen Eindrücken sucht dieses Jahr ihresgleichen! Daran werden auch durchaus im Voraus vermutete Actionszenarien aufgearbeitet, doch die bringen eine kernige Spannung mit sich, weil Edwards in der Ratlosigkeit seiner Helden eine Spontanität aus diesen schöpft, die lediglich in geringsten Anteilen mit der Blockbuster-Standard-Anlaufstelle Humor reagiert – der angebliche Szenenstehler-Android K-2SO (Alan Tudyk) belässt es da dann auch mehr bei trockenen Bemerkungen. Kein Wunder also, dass der Fan-Service minimalen Einfluss hat, zwar trotzdem stört oder auch befremdet (Stichwort: digitale Verjüngung), sich jedoch nimmer in die Belange des charakterlichen Nukleus einmischt. Da muss man sich auch mal diese ungemein starke Jyn Erso reinziehen, welche von einem Trauma ermordeter Vertrauenspersonen ins nächste rutscht, permanent die Enttäuschung verlorener Zeit durchlebt und quasi im Schockzustand den Vorstoß gegen das Imperium mobilisiert, deren Gefahren ohnehin eine ermattende Grobheit vorleben.
Deren Todesstern erreicht in diesem Sinne auch ein Gewicht wie nie zuvor, das in der schlichten Bewegung der Schatten und Laser zum gnadenlosen Monster manifestiert, welches Obermotz Krennic seinem sterbenden „Publikum“ vorstellen will. Wenn der Mann redet, spuckt die Arroganz zudem so kurzatmig, dass sich selbst Darth Vader in Zurückhaltung übt, gerade in einer Subtilität, in der das rote Lichtschwert die alleinige Lichtquelle wird, einen Albtraum von der dunklen Seite der Macht aus evoziert – vom Gedanken lesenden Tentakelviech als Vorschau ganz zu schweigen. Edwards ist da wie gesagt geschickter als Abrams unterwegs, wenn es um die Kräfte des Schreckens geht, ironischerweise findet er sodann das meiste Licht, eben den unbedingten Glauben an die helle Seite der Macht, im Blinden, Chirrut Îmwe (Donnie Yen). Als Typ ist man ihm allerdings näher als manch Mitglied der an Jedi-/Sith-Kräften beerbten Skywalker-Sippe, so abgeklärt denen das Schicksal schon in die Wiege gelegt wird, er sich hingegen mit Vertrauen herantastet, nicht durch Ären an Backstory definiert ist und nimmer 100%-ig aufgeklärt wird, gerade darin aber greifbar bleibt, ohne rein kalkulierbare Rollenmodelle der knappen Emotionalisierung wegen zu bestätigen. Der Großteil an hier kontinuierlich erarbeiteten Sympathieträgern operiert in jener Erzählweise, braucht sich im Dialog dann auch nicht auf simplistisches Phrasendreschen einlassen, eher auf die Ambivalenz an taktischen Manövern reagieren und dort am Konkretesten wirken, wo die Allianzen zum Guten noch umstritten sind. Hallt da die Hoffnung nach, die man im Strudel an schweren Verlusten nicht aussprechen kann, aber in jeder potenziellen Chance festhält?
Sich in der Waage um Aufgabe und Fortschritt zum Optimismus einzufinden, wird da sowohl der stärkste Antrieb als auch die konzeptionelle Schwäche des Films, wenn er seine Gewichte aufs Bewusstmachen brutaler Größenverhältnisse verlagert, die Erlösung aus deren Willkür im Verstecken bzw. als trojanische Pferde erwirkt und zu guter Letzt für die gute Sache sterben muss. Jene (Selbst-)Zerstörung bedingt er sogar mit Ankündigung, solange ein Mann wie hundert gegen die Truppen des Terrors antreten kann/will. Ein Kriegsfilm, wie er leibt und lebt, inklusive „For Yadha!“ und „May the force be with us“ als Schlachtrufe der Rechtschaffenheit, ohne in die Falle des Jingoismus zu tappen, was eben nur anhand des Nihilismus im Imperium sowie der Hoffnungsverdrossenheit binnen der Rebellion gelingt. Das lässt sich als Produkt einer Disney-Unterhaltungsmaschinerie teilweise schwer schlucken und treibt manchmal deutlich in trüben Gefilden der Todessehnsucht herum, signalisiert aber auch den Wachstum für eine Serie, die ihre Differenzierungen von Gut und Böse wie Macht und Ehre inzwischen wieder hauptsächlich mit Knalleffekten zu verknüpfen drohte. Bei Edwards wird der Furcht wegen nicht chargiert, beim Glauben an die Macht aber erst recht nicht via Nerd-Zynismus ironisiert, sondern (selbst in vermeintlich gedämpften Phasen) auf die Kadrierungen, rauen Flächen und Natürlichkeiten eines Krieges vor langer, langer Zeit in einer weit entfernen Galaxis konzentriert. Fantasievoll, brutal und ehrlich nah dürfte die Enttäuschung unter Einbeziehung aller sorgfältigen filmtechnischen Qualitäten und Eigenarten also eher gering ausfallen.
7 von 10 Baller-Gnomen
vom Witte