[Robert E. Howard & Conan der Barbar] Kapitel 2 – Robert E. Howard: Der tragische König der Kurzgeschichte (Teil 1)

[Robert E. Howard & Conan der Barbar] Kapitel 2 – Robert E. Howard: Der tragische König der Kurzgeschichte (Teil 1)

Robert E. Howard war einer der Stars der Pulp-Literatur. Er war der König der Kurzgeschichte, jemand, der es wie kaum ein Zweiter verstand, auf wenigen Seiten Spannung und Atmosphäre aufzubauen, seine Leser_innen in die Welten seiner Fantasie einzuladen und sie an Figuren zu binden, die so lebendig waren, dass sie zwischen den Zeilen hervorzuspringen drohten. Er gilt als einer der Väter der modernen Fantasy und des Subgenres Sword and Sorcery, obwohl diese Bezeichnung erst lange nach seinem Tod geprägt wurde. Seine Schöpfung des Cimmeriers Conan, der heutzutage besser als Conan der Barbar bekannt ist, war ein Meilenstein. Dennoch scheut sich sein Biograf Mark Finn, der als Autorität auf dem Gebiet der Howard-Forschung gilt, ihn als Fantasy-Autor zu bezeichnen.

2006 veröffentlichte Finn die Biografie „Blood and Thunder: The Life and Art of Robert E. Howard". 2011 erschien eine zweite, überarbeitete Ausgabe, die sich nun in meinem Regal befindet. Darin verfolgt Finn einen völlig neuen Analyseansatz des Lebens und der Karriere des Schriftstellers, der das Verhältnis beider Aspekte umkehrt. Er glaubt nicht, dass Robert E. Howards Karriere sein Leben bestimmte. Er glaubt, dass sein Leben seine Karriere bestimmte. Deshalb weigert er sich, ihn als Fantasy-Autor vorzustellen und argumentiert, dass Howard in erster Linie ein Autor seiner Heimat war. Er war ein texanischer Autor. Texas und die örtliche Tradition des Geschichtenerzählens lagen ihm im Blut und beeinflussten sowohl seine Kreativität als auch die Motive und Glaubenssätze, die sich in seinen Werken finden. Finn geht sogar noch einen Schritt weiter und bezeichnet Conan als Anomalie in Howards Vermächtnis, die nicht repräsentativ für sein übriges Schaffen ist.

Ich gebe zu, als ich diese Theorie zum ersten Mal las, war ich sehr skeptisch und auch ein bisschen schockiert. Ich kannte Robert E. Howard im Grunde nur dank Conan. Ich wusste, dass er weitere Geschichten geschrieben hatte, aber ich dachte, Conan wäre der Höhepunkt seines Schaffens gewesen, sein zentrales Werk. Doch nachdem ich „Blood & Thunder" von vorne bis hinten gelesen hatte, musste ich anerkennen, dass Finns Vorschlag, Howard als texanischen Autor zu begreifen, dessen wahres Talent eben nicht in seinen Conan-Geschichten zu Tage trat, durchaus schlüssig ist. Daher habe ich beschlossen, mich in meiner biografisch-analytischen Zusammenfassung von Robert E. Howards Leben und des Abrisses seines Schaffens an Mark Finns Biografie zu orientieren. Finns Argumentationskette ergibt einfach Sinn und beleuchtet den Werdegang des Schriftstellers auf eine Weise, die für mich - und dementsprechend hoffentlich auch für euch - nachvollziehbar ist. Die Beiträge können folglich als etwas unkonventionelle Rezension zu „Blood & Thunder" gedeutet werden. Aber „unkonventionell" seid ihr im Kontext von Non-Fiction ja schon von mir gewöhnt. 😉
Wappnet euch für eine Reise in die Vergangenheit; besuchen wir Robert E. Howard, der nun bereits seit 84 Jahren tot ist, dessen Werk ihn jedoch unsterblich machte.

Robert E. Howard verbrachte sein gesamtes Leben in Texas. Er verließ seine Heimat niemals. Deshalb lohnt es sich, sich zuerst einen Überblick darüber zu verschaffen, wie der südliche Bundesstaat damals aufgestellt war, um zu verstehen, in welche Welt Howard 1906 hineingeboren wurde und mit welchen Lebensbedingungen er konfrontiert war.

Anfang des 20. Jahrhunderts war Texas weitgehend unbesiedelt. Der Historiker T.R. Fehrenbach, den Mark Finn zitiert, schätzt, dass der Südstaat zu dieser Zeit in seiner Entwicklung etwa 60 Jahre hinter den übrigen USA zurücklag. Das Bild des einsamen Cowboys, der allein durch die endlose Prärie reitet, war damals tatsächlich noch Realität. Texas war Grenzland, der sogenannte Frontier, dessen blutige Vergangenheit der Kriege mit der indigenen Bevölkerung nicht lange zurücklag. Landwirtschaft beherrschte die Industrie. Spannungen zwischen Ranchern, die Rinderzucht betrieben und Farmern, die Baumwolle, Weizen und/oder Mais anbauten, wurden nicht selten mithilfe von Waffen gelöst.

Die Wende kam, als die Eisenbahn expandierte und den Staat nun nicht mehr nur auf einer Nord-Süd-Route verband, sondern auch von Osten nach Westen. Die Bevölkerungszahlen stiegen in den ersten 20 Jahren des 20. Jahrhunderts rasant an. Im Windschatten des Schienennetzes entdeckten neue Industrien das Potential von Texas, vor allem die Ölindustrie. Daraus ergab sich ein politisches Pulverfass, in dem sich ethnische und wirtschaftliche Konflikte vermischten, die oft zu Gewalt führten und unter anderem einen Wiederaufschwung des Ku-Klux-Klans in den frühen 1920ern verursachten. Der Bundesstaat blickt auf eine lange Geschichte von Feindseligkeiten zurück, die wiederholt in einem Bruch mit der Regierung gipfelten, was die Mentalität der texanischen Bevölkerung entscheidend prägte. Mark Finn schreibt, dass Texas immer für einen Menschenschlag attraktiv war, der fest entschlossen war, seinen eigenen Lebensweg zu gehen oder bereit war, bei dem Versuch kämpfend unterzugehen. Alles, was die Selbstverwirklichung gefährden oder verändern konnte, wurde als Bedrohung interpretiert, gegen die es vorzugehen galt. Die Immigrationswellen, die instabile Politik der Zeit und der rasche gesellschaftliche Fortschritt des neuen Jahrhunderts harmonierten nicht mit dieser Einstellung. Aufhalten ließ sich die Entwicklung dennoch nicht, schon gar nicht, als das Erdöl ins Spiel kam.

1901 begründete das Ölfeld Spindletop in Beaumont an der Golfküste den texanischen Ölboom. Bis 1928 sollte Texas durch die Ölindustrie zum reichsten Staat der USA werden. Boomtowns sprossen wie Pilze aus dem Boden; in kleinen verschlafenen Nestern explodierten die Einwohnerzahlen innerhalb weniger Monate. Man muss sich vorstellen, was das für diese Städte und Dörfer bedeutete: plötzlich mussten beispielsweise nicht mehr 1.500 Einwohner_innen versorgt werden, sondern 10.000, ohne dass die dafür nötige Infrastruktur vorhanden gewesen wäre. Sie wurden überrollt und obwohl das Geld, das die Ölindustrie generierte, natürlich äußerst gern gesehen war, brachte sie auch jede Menge Probleme mit sich. Überbevölkerung, Kriminalität, Lärm, Gewalt, Instabilität, ein Verkehrsaufkommen, dem die unbefestigten Straßen nicht gewachsen waren. Über allem hing eine Aura der Gesetzlosigkeit, weil die Verwaltungen einfach nicht die Mittel hatten, den Scharen von Menschen, die dem Boom folgten, Herr zu werden. Das Verbrechen florierte. Zusätzlich war die Arbeit auf den Ölfeldern extrem gefährlich und grauenvolle oder sogar tödliche Unfälle beinahe an der Tagesordnung. Es war eine unsichere, chaotische Zeit, in der Robert E. Howard das Licht der Welt in einem Staat erblickte, in dem Wehrhaftigkeit und die Bereitschaft zur Gewalt als Tugenden betrachtet wurden. Wie hätten diese Umstände nicht in sein Werk eingehen können?

Robert Ervin Howard wurde am 22. Januar 1906 in Peaster, Texas geboren. Er war der Sohn des Landarztes Dr. Isaac Howard und der Hausfrau Hester Jane Ervin Howard. Die ersten Jahre seines Lebens waren von ständigen Umzügen geprägt. Bis er 13 Jahre alt war, zog die Familie vermutlich etwa 10 Mal um (möglicherweise sind nicht alle Stationen dokumentiert), legte dabei tausende Meilen innerhalb Texas zurück und blieb selten länger als ein oder zwei Jahre am selben Ort. Dr. Howard, der als Landarzt alles von Geburten bis Schusswunden behandelte und oft weite Strecken in Kauf nahm, um seine Patient_innen zu besuchen, hatte es sich in den Kopf gesetzt, neben seinem regulären Beruf reich zu werden. Er jagte jedem Boom hinterher, der ihm lukrativ erschien, unabhängig davon, ob es sich um Land, Vieh, die Eisenbahn oder Öl handelte. Als Erwachsener erinnerte sich Robert E. Howard niemals positiv an diese Unbeständigkeit zurück, was sicher nicht nur daran lag, dass ihm jede Chance auf stabile Freundschaften verwehrt blieb, sondern auch an der Belastung, die die Umzüge für seine Mutter darstellten. 1890 war Hester an Tuberkulose erkrankt. Lungentuberkulose war damals nicht heilbar und durch die hohe Ansteckungsgefahr unter mangelnden hygienischen Bedingungen mit einem ernstzunehmenden gesellschaftlichen Stigma belegt. Hester litt bis zu ihrem Lebensende unter der Krankheit, die sie langsam von innen zersetzte und die sie vor Nachbarn und Freunden zu verbergen versuchte. Dass sie trotz dessen mehrere Jahrzehnte überlebte, war allein der Behandlung ihres Ehemannes und der fürsorglichen Pflege ihres Sohnes zu verdanken.

Robert E. Howard hatte eine sehr enge Beziehung zu seiner Mutter. Er stand beiden Elternteilen nahe, aber Hester war viele Jahre seine einzige Bezugsperson und Konstante. Während sein Vater zwischen ihren Umzügen oft tagelang unterwegs war, um seine Patient_innen abzuklappern, war Hester mit Robert allein, was sie ihrem Ehemann in den kommenden Jahren sehr übelnehmen würde. Als Einzelkind galt all ihre Aufmerksamkeit Robert. Ob beabsichtigt oder aus der Not heraus geboren, einen kleinen Jungen permanent beschäftigen zu müssen, sie förderte die Fantasie und Kreativität ihres Sohnes früh. Lange bevor er die Grundschule besuchte (damals war die Einschulung im Alter von acht Jahren), konnte er lesen. Sie unterrichtete ihn, las ihm vor, rezitierte Gedichte, erzählte Geschichten und spielte Spiele mit ihm. Kein Wunder, dass der kleine Robert bereits im Alter von neun Jahren entschieden hatte, dass er Autor werden wollte. Auf ihren vielen Stationen trafen die Howards außerdem Menschen, die Roberts Vorstellungskraft zusätzlich befeuerten und seine Tendenz zu Schauererzählungen begründeten. Einige dieser Personen, wie die beiden ehemaligen Sklavinnen „Aunt" Mary Bohannan und Arabella Davis, blieben ihm bis ins Erwachsenenalter im Gedächtnis und die Geschichten, die sie ihm erzählten, verarbeitete er in seinen eigenen Texten, zum Beispiel in „Pigeons from Hell". Seine Vorliebe für unheimliche, brutale, actionreiche und blutige Kurzgeschichten war ungewollt auch dem Einfluss seines Vaters geschuldet. Sohn eines Landarztes zu sein, bedeutete damals, sehr viel häufiger mit den Auswirkungen horrender Unfälle auf Farmen und Ölfeldern und der Gewalt, die in Texas ein ständiger Begleiter war, konfrontiert zu werden, als es sonst für Kinder üblich war. Robert wurde früh an die hässlichen und schrecklichen Seiten des Lebens gewöhnt.

Das Nomadendasein der Familie Howard fand sein Ende, als sie 1915 nach Cross Cut und damit in den Kreis der vier benachbarten Countys Callahan, Brown, Eastland und Coleman zogen. Erstmals waren sie Teil einer größeren Gemeinde, in der Dr. Howard durch seinen Beruf sehr beliebt war und in der sie sich dauerhaft niederließen. 1917 zogen sie nach Burkett, das acht Meilen weiter lag und 1919 endgültig nach Cross Plains, die größte und modernste Stadt im Umfeld (mit 1.500 Einwohner_innen aber bestimmt keine Metropole), die 1920 sogar schon vollständig an das Stromnetz angeschlossen war. Ihre neue Sesshaftigkeit war jedoch nicht darin begründet, dass Isaac seinen Traum vom schnellen Geld aufgegeben hatte. Nein, vielmehr befand er sich in der günstigen Position, einem Boom endlich einmal zuvorkommen zu können. 1917 wurde das Ranger Ölfeld eröffnet. Ranger ist nur wenige Meilen entfernt und Dr. Howard nahm an, dass die Ölindustrie in der Gegend expandieren würde. Er behielt Recht. 1920 verfügte Cross Plains über mehrere Ölfelder, die bis in das Stadtgebiet hineinreichten. Es gab keinen Grund mehr für die Howards, erneut ihre Sachen zu packen. Robert wuchs in einer Boomtown auf, in der bald 10.000 Menschen lebten und sich dieselben Schwierigkeiten und Konflikte manifestierten, die andere Städte bereits kannten.

Robert fand schnell Anschluss in seiner neuen Heimat, obwohl einige seiner Nachbar_innen ihn als seltsamen Kauz wahrnahmen. Sie verstanden nicht, dass der Junge auch außerhalb der Schule gern las. Darin zeigt sich die Diskrepanz der Prioritäten und Vorlieben, die Howard sein Leben lang zu schaffen machte. Er war vermutlich der hellste Kopf in einem Umkreis mehrerer Meilen. Er hatte wahrscheinlich ein fotografisches Gedächtnis und durch seine frühkindliche Bildung, die Hester beispielhaft forciert hatte, war er dem Niveau einer Kleinstadtschule weit überlegen. Er langweilte sich. Trotz dessen erhielt er gute Noten (nur nicht in Mathe) und war nicht verhaltensauffällig, was ebenfalls Hesters Verdienst gewesen sein dürfte, denn sie bestand auf die makellosen Manieren einer Südstaatenerziehung. Seinen intellektuellen Hunger musste er jedoch anderweitig stillen, also las er. Aus heutiger Sicht klingt das sehr naheliegend, doch in den frühen 1920ern im ländlichen Texas war der Erwerb von Büchern eine Herausforderung.

Cross Plains verfügte über vergleichsweise viele städtische Einrichtungen, eine Bibliothek gehörte allerdings nicht dazu. Einen Buchladen gab es ebenfalls nicht, denn das Interesse der Texaner_innen am geschriebenen Wort war... bescheiden. In der 1940ern wurden nur 2% aller in den USA verlegten Bücher in Texas verkauft. Robert war darauf angewiesen, auf Reisen (erst mit seinen Eltern, später allein) in größeren Städten Bücher zu kaufen oder Bibliotheken aufzusuchen. Seine Rettung waren Pulp Magazine. Oh ja, bevor er selbst eine Karriere als Schriftsteller für Pulps einschlug, war er ein leidenschaftlicher, begeisterter Leser der Magazine. Mit 15 (1921) kaufte er im örtlichen Gemischtwarenladen seine erste Ausgabe von Adventure. Ironischerweise gelang es ihm nie, selbst in Adventure zu erscheinen, obwohl er das Magazin lange und regelmäßig las und dafür sogar anschreiben ließ. Inspiriert von den Inhalten der Pulps versuchte er kurze Zeit später, seine ersten eigenen tapsigen Ergüsse als Autor an die Magazine zu verkaufen, scheiterte jedoch. Mit der Qualität der abgedruckten Geschichten konnte er damals noch nicht konkurrieren. Es sollten drei Jahre vergehen, bis er die Ansprüche von Farnsworth Wright und Weird Tales erfüllte.

1922 zog Robert begleitet von seiner Mutter in das 35 Meilen entfernte Brownwood in Brown County. Der erneute Umzug war nötig, weil die Schule in Cross Plains nur bis einschließlich zur 10. Klasse unterrichtete. Um die elfte Klasse abschließen und danach aufs College gehen zu können, musste die Jugend von Cross Plains das Angebot anderer Schulbezirke nutzen. Robert hatte lediglich bedingtes Interesse an einer höheren Bildung, obwohl er definitiv über das intellektuelle Potential verfügte. Er wollte Schriftsteller werden, Punkt. Mark Finn vermutet, dass seine Eltern Druck auf ihn ausübten und Isaac Howard vielleicht darauf hoffte, dass er in seine Fußstapfen als Arzt treten würde. Obwohl es demzufolge nicht allein Roberts Entscheidung war, die Brownwood High School zu besuchen, tat ihm der Aufenthalt in Brownwood gut. Dort traf er zwei junge Männer, mit denen er sein Leben lang befreundet bleiben würde und viel gemeinsam hatte, unter anderem seine Liebe zu Literatur und Lyrik: Truett Vinson und Tevis Clyde Smith. Außerdem fand er in der Schulzeitung „The Tattler" das erste Medium, in dem er seine Geschichten veröffentlichen konnte. Noch während seiner Zeit in der High School begann Robert ernsthaft, sich selbst das Schreiben beizubringen. Bis 1923 verfasste er mehrere Kurzgeschichten, die alle von verschiedenen Magazinen abgelehnt wurden. Im Mai 1923 machte er seinen Schulabschluss und zog zurück nach Cross Plains. Seine Eltern erwarteten, dass er nun aufs College gehen würde. Den Sommer verbrachte er mit Gelegenheitsjobs in der Stadt und der Verfeinerung seiner Fähigkeiten als Schriftsteller.

Aus dieser Phase stammen die ersten Belege (Briefe) seiner Auffassung von Historie und Gesellschaft, die sich später in beinahe allen seinen Geschichten wiederfand. Er glaubte, dass jede Zivilisation, die über ihren Zenit hinaus existiert, unweigerlich Opfer eines moralischen Verfalls wird und aus dieser Position der Schwäche heraus von einem aufstrebenden barbarischen Volk erobert wird, das dann wiederum selbst seinen Zenit erreicht, zerfällt und erobert wird. Als Beispiele nannte er das antike römische Reich, China und Indien. Er war überzeugt, dass die USA ihren Zenit bereits überschritten hatten und rechnete fest damit, dass eine Invasion eines anderen Volkes kurz bevorstand. Er äußerte sogar, dass die Eroberer wahrscheinlich aus Asien kämen.

Woher rührte diese pessimistische Ansicht? Nun, einerseits war sie natürlich das Ergebnis seines historischen Interesses. Das zyklische Muster des Aufstiegs und Falls von Zivilisationen ist Fakt und muss selbst einem Laien auffallen. Robert sah sich durch das Zeitgeschehen bestätigt. Der Erste Weltkrieg, der Europa in Schutt und Asche legte, lag nur wenige Jahre zurück. In Russland hatte Lenin 1917 im Zuge der blutigen Oktoberrevolution die Macht übernommen und den Kommunismus ausgerufen. In Irland tobte bis 1921 ein Bürgerkrieg, der einen großen Teil des Landes in die Unabhängigkeit führte. Die USA hatten sich mehr oder weniger in die politische Isolation begeben und sahen den turbulenten Ereignissen auf der Welt zu, während die Bevölkerung fleißig illegal Alkohol herstellte, nachdem dieser durch die Prohibition verboten worden war. Robert musste das Gefühl haben, dass diese Gleichgültigkeit, die sich im Laster äußerte, sein Land teuer zu stehen kommen würde.

Andererseits war sie später Ausdruck seines Abscheus der Auswirkungen des Ölbooms. Von Anfang an hasste Robert, was das Öl Cross Plains und anderen Boomtowns antat. Er sah darin den Beweis für den moralischen Verfall der USA, der seiner Meinung nach ihr Ruin sein musste. Er hasste den Dreck, die Gewalt und die gesetzlose Zügellosigkeit, deren Zeuge er wurde. Er hasste es, dass ortsfremde Firmen seine texanische Heimat ausbluteten. Er hasste die respektlosen, kriminellen Menschen, die das schwarze Gold in die Stadt spülte. Sein Zorn auf die Schattenseiten des Fortschritts verband sich mit seiner grundlegend negativen Sichtweise auf den Verlauf der Geschichte. Daraus entwickelte sich ein wiederkehrendes Motiv in seinen Werken, das stets Sympathie für barbarische Völker vermittelt. Conan muss als Cimmerier oft gegen die Auswüchse arroganter, dekadenter, lasterhafter Zivilisationen antreten - und meistens gewinnt er, weil er einem simplen, urwüchsigen Kodex folgt, durch den er seinen moralisch zersetzten Gegnern überlegen ist. Natürlich hilft es auch, dass er verdammt groß und stark ist. 😉 Mit diesem Kapitel werden wir uns noch ausführlicher beschäftigen.

Mark Finn nutzt das Thema des Konflikts zwischen Zivilisation und Barbarei in Howards Geschichten als Überleitung zu der Frage, ob Robert E. Howard ein Rassist war. Ich möchte seine etwas langatmige Argumentation nicht wiederholen, da ich dieser jedoch grundsätzlich zustimme, hier eine Verkürzung: Nein, war er nicht. Ja, Robert E. Howard pflegte Ansichten, die aus einem modernen Blickwinkel heraus betrachtet rassistisch sind. Aber man darf nicht außer Acht lassen, dass er vor etwa 100 Jahren lebte. Wir sind heute als Gesellschaft viel stärker darauf sensibilisiert, uns tolerant und inkludierend zu verhalten und zu äußern. Zu Zeiten von Robert E. Howard war das einfach noch nicht der Fall. Rassismus war Teil des gesellschaftlichen Alltags, in Worten ebenso wie in Taten. Vor dem Hintergrund von Rassenunruhen, Lynchmorden und einem tiefen Misstrauen gegenüber allem, was als fremd wahrgenommen wurde, qualifizierte sich Robert E. Howard als gemäßigt und erstaunlich offen, weil er die meisten Menschen als Individuen unabhängig von ihrer Hautfarbe beurteilte. In seinen Texten finden sich natürlich rassistische Vorurteile, Stereotypen und Klischees, doch dahinter verbergen sich weder systematische Ablehnung noch der Glaube an die Überlegenheit der weißen Rasse, sondern die intuitive, aus seiner Perspektive wertungsfreie Überzeugung, dass alle Völker über bestimmte physische und mentale Eigenschaften und Merkmale verfügen, die nur ihnen eigen sind und die zwangsläufig zu Konflikten führen müssen. Heute ist diese Auffassung (zurecht) nicht mehr akzeptabel, aber damals war sie völlig legitim. Man kann sein Vermächtnis nicht nach aktuellen Maßstäben bewerten, man muss es in einen historischen Kontext setzen. Daher komme ich zu dem Schluss, dass Robert E. Howard in seinen Geschichten zwar die rassistische Weltanschauung seiner Epoche reproduzierte, selbst jedoch keinen rassistisch motivierten Hass empfand. Er war rassistisch. Aber er war kein Rassist.

Im Herbst 1924 zog Robert E. Howard abermals nach Brownwood, um an der Howard Payne Business School eine Ausbildung zum Stenografen zu absolvieren. Es ist nicht klar, ob dies tatsächlich sein eigener Wunsch oder ein Zugeständnis an seine Eltern war, die ihn unbedingt aufs College schicken wollten. Dieses Mal begleitete ihn seine Mutter nicht, schließlich war er mittlerweile 18 Jahre alt. Stattdessen teilte er sich ein Zimmer mit Lyndsey Tyson, mit dem er seit seiner Kindheit befreundet war. Gemeinsam stürzten sie sich ins Collegeleben und Robert begann, zu trainieren, um sich mit dem stärkeren Tyson messen zu können. Körperliche Fitness blieb ihm bis an sein Lebensende als Ausgleich und Ventil wichtig.

Im Sommer vor seinem Stenografie-Kurs hatte er einen neuen Stapel Geschichten an diverse Magazine geschickt, darunter die temporeiche Urzeiterzählung „Spear and Fang". Es muss ihm wie die Erfüllung all seiner Träume erschienen sein, als er in der Woche von Thanksgiving einen Brief von Farnsworth Wright erhielt, der ihm mitteilte, dass eben diese Geschichte in Weird Tales erscheinen würde. Endlich hatte er einen Fuß in der Tür! All die harte Arbeit rentierte sich. Endlich würde er mit dem Schreiben Geld verdienen. Allerdings nicht sofort, denn Wright wollte ihn erst bei Veröffentlichung bezahlen, ohne anzugeben, wann seine Geschichte gedruckt würde. Dennoch, Howard muss auf Wolken geschwebt sein. Mir wäre es jedenfalls so ergangen. Die Verlockung, nach den Thanksgiving-Ferien nicht mehr an die Business School zurückzukehren, war sicherlich gewaltig. Doch Robert war diszipliniert genug, um seine Ausbildung zu beenden, bevor er am Ende des Semesters abging. In Cross Plains erwartete ihn kurz nach Weihnachten ein weiterer Brief von Wright. Er kaufte „The Hyena" für $25 und verlangte einige Änderungen an der Geschichte „The Lost Race", in der erstmals das Volk der Pikten auftrat, das in vielen seiner späteren Werke eine Rolle spielen sollte. Offenbar gelang es Robert, Wrights Wünsche zufriedenstellend umzusetzen, denn im Januar 1925 schrieb er Tevis Clyde Smith, dass er „The Lost Race" verkauft hatte.

Ich unterbreche dieses Kapitel an dieser Stelle, für heute habt ihr genug Informationen erhalten, die ihr verdauen müsst. Schaut morgen wieder vorbei, wenn ihr wissen wollt, wie Robert E. Howards Leben und Karriere weiter verliefen!

Quellenverzeichnis (PDF)

Header-Bildquellen
Wild West - Landschaft: Seita/Shutterstock.com
Schwert im Felsen: KUCO/Shutterstock.com


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