Mit seinem neuesten Film “Being Charlie – Zurück ins Leben” beweist Regisseur Rob Reiner, dass er nicht mehr so schön und mitfühlend erzählen kann, wie noch in den 1980er und 90er Jahren. Damals wusste er mit dem Jugend-Abenteuerfilm “Stand By Me – Das Geheimnis eines Sommers” zu verzaubern. Er konnte uns mit “Harry & Sally” die Liebe förmlich spüren lassen. In “Misery” versetzte er uns in Todesangst. In “Eine Frage der Ehre” machte er uns deutlich klar, dass wir die Wahrheit doch gar nicht vertragen könnten.
Hoffentlich kann Rob Reiner die Wahrheit vertragen, denn “Being Charlie” fühlt sich in allem an, wie eine Drogen-Moralgeschichte im Vormittagsprogramm. Nick Robinson (“Jurassic World”) spielt Charlie Mills, Sohn einer reichen Familie in Los Angeles, der allerdings ein erhebliches Drogenproblem hat. Damit wird er für seinen Vater, einem Ex-Schauspieler, der nun seinen Weg in die Politik gefunden hat, zur immensen Last. Drogen heißen nämlich oft auch schlechte Schlagzeilen. Bei einem Drogenentzug lernt er Eva (Morgan Saylor) kennen, die von ähnlichen Problemen geplagt wird. Gemeinsam stellen sie sich gegen ein System aus Kontrolle und Vorwürfen, müssen aber auch mit sich selbst klar kommen.
Charlie selbst wäre dabei noch die interessanteste Person, unterliegt allerdings demselben Fluch, wie auch die anderen Figuren. Sie alle leiden unter erheblichen Drehbuch-Charakter-Schwankungen. Zu Beginn glaubt man noch, Charlie wäre jemand, der sein Gegenüber mit entwaffnenden und provokant formulierten Wahrheiten konfrontiert. Dann aber verliert er sich in der Liebe zu einem Mädchen, wo all sein Biss und Zynismus auf einmal verloren geht. Das wäre ertragbar, würden wir zwischen den Darstellern Nick Robinson und Morgan Saylor ansatzweise so etwas wie ein Miteinander fühlen. Aber da hier in unfassbar platten Dialogen gesprochen wird, kommt niemals die filmische Jugendliebe auf, wie sie in Filmen wie “Ich und Earl und das Mädchen”, “Vielleicht lieber Morgen” oder “Nick & Norah – Soundtrack einer Nacht” zu finden sind.
Nach der Entlassung aus dem Entzug gilt die Regel: Freundschaften mit anderen Entlassenden sind erlaubt, aber zumeist schwierig. Liebesbeziehungen werden überhaupt nicht gerne gesehen. Sozialarbeiter in sogenannten Nachsorge-Häusern sorgen dafür, dass diese Regeln möglichst eingehalten werden. Zumindest für die fünf Minuten, in denen sich der Film selbst an dieses Story-Element erinnert. Danach scheint es sich auch recht schnell wieder zu verflüchtigen. Wie so vieles in “Being Charlie”. Selbst die Liebe ist irgendwann wieder fort. Die Probleme mit dem Vater kommen immer zur Sprache, wenn Charlie mal wütend werden soll. Sein Kumpel Adam (Devon Bostick) ist immer genau dann da, wenn Charlie scheinbar rückfällig werden soll. So knüpft der Film Figuren an Charlies Leben und es wirkt recht vorhersehbar, welchen Gemütszustand Nick Robinson als nächstes durchleben soll.
Nick Robinson in „Being Charlie“ von Regisseur Rob Reiner
“Being Charlie” möchte viel zu viel und liefert viel zu wenig. Da sind Drogenprobleme, eine verbotene Liebe, die unterschiedlichen Beziehungen zu den Eltern und ein potentielles Leben auf der Straße, verpackt als oberflächlich gespieltes Drama mit Holzhammer-Moral am Ende, das sich dann zu allem Überfluss in einem ausschweifenden “Alles wird gut, für alle Beteiligten” recht simpel und selbstverliebt zeigt.
Der Film ist bereits seit dem 10. November digital erhältlich (auf Amazon) und ist am 24. November 2016 auch auf DVD und Blu-ray erschienen. Wer sich von Nick Robinsons Indiefilm-Qualitäten überzeugen möchte, darf aber auch gerne einen Blick auf “Kings of Summer” werfen, den ihr ebenfalls auf Amazon findet.
Aber sagt selbst. Wenn ihr „Being Charlie“ gesehen habt, hinterlasst eure eigenen Meinungen zum Film. Welche Filme kennt ihr, die die Drogenproblematik so richtig gut thematisieren? Hinterlasst eure Film-Empfehlungen in den Kommentaren.