Rita Mcbride - Einzelausstellung kestner gesellschaft Hannover, Oktober 2015 bis Januar 2016

Von Helge

Rita McBride, kestnergesellschaft Hannover: Diese Künstlerin liefert die Schlüssel zu ihrer Kunst gleich mit! Der Eindruck kann jedenfalls entstehen beim Anblick der übergroßen Schlüssel aus Stahl, die in einem der Ausstellungsräume an der Wand lehnen.Ganz so meint es die Künstlerin aber offenbar nicht - das wird deutlich, wenn die Betrachterin, der Betrachter den Titel liest: "Central America, Alberta, Ukraine, Siam, South Africa". Schlüssel gehören zu den kaum (bewusst) beachteten Alltagsgegenständen, die die Gesellschaft/en prägen - weltweit, wenn auch in unterschiedlicher (nationaler) Gestaltung.

 

"Gesellschaft" lautet die Gesamtüberschrift der Ausstellung, mit der die ganze Ausstellungsfläche des Hauses genutzt wird. Es ist die erste Ausstellung in Hannover, die von der neuen Direktorin Christina Végh kuratiert wurde; sie hat, wie sie berichtet, schon seit Studentenzeiten Kontakt mit der Künstlerin. "Gesellschaft" ist doppeldeutig gebraucht - bezieht sich nicht nur auf unser mehr oder weniger geselliges Zusammenleben, sondern auch auf die kestnergesellschaft, die 2016 ihr hundertjähriges Bestehen feiern wird.

Was Rita McBride (geb. 1960 in Des Moines, Iowa) in ihrer rund zwanzigjährigen künstlerischen Praxis vor allem interessiert, sind die Strukturen und Systeme, die der (Stadt-)Gesellschaft zugrundeliegen und uns unmerklich steuern, dadurch erst Bewegung und Handeln ermöglichen - Alltagsgegenstände wie Abluftschächte, Elektrokästen, Fensterblenden, Schlüssel, die unbewusst als Leitsysteme dienen, deren Macht wir aber auch unterschätzen. Rita McBride wird Bildhauerin genannt, doch sind ihre dreidimensionalen Objekte eher als Elemente eines von ihr aufgespannten Bezugsnetzes zu verstehen, nicht - wie sonst üblich - als für sich stehende einzelne Gegenstände. Durch kleine Verschiebungen können Momente des Surrealen oder Absurden entstehen (Beispiel die großen Schlüssel, die an der Wand lehnen), die solchen Dingen eine Identität geben, die sonst keine haben. Die Künstlerin hat stark an Konzeption und Gestaltung der Ausstellung mitgearbeitet - das zeigt besonders anschaulich das folgende Bild. "Arena" ist das älteste Werk in dieser Ausstellung - es stammt von 1997 und sieht bei jeder Präsentation anders aus. Hier ist es wunderbar in die frühere Schwimmhalle mit ihren Gewölben eingepasst.

 Die "Arena" wird für die Gesellschaft, die sich seit fast einhundert Jahren "Kestnergesellschaft" nennt, von besonderer Bedeutung sein. Sie ist Skulptur und Versammlungsort gleichzeitig: Hier werden Veranstaltungen stattfinden, mit denen die Mitglieder und langjährigen StammbesucherInnen sich in besonderer Weise neu mit der kestnergesellschaft verbinden können. In "Blind Dates" haben sie einzeln oder in Gruppen die Möglichkeit, den Ort zur Versammlung oder Vorführung, zum Üben, Feiern und Spielen zu nutzen. In den Zusammenkünften unter der Überschrift "Gesellschaft" - das nächste Mal am 2. Dezember ab 19 Uhr - können Gastteilnehmer aus Kreisen der Mitglieder und Förderer, vom Vorstand und Kuratorium nach einem Impulsreferat mit dem Fachreferenten ins Gespräch kommen. Während der Laufzeit der Ausstellung wird sich so ein "alternatives Porträt" des Hauses abzeichnen. Auf diese Weise auch Veränderungen in der Gesellschaft (im Doppelsinne) anzuregen ist Rita McBrides besonderes Anliegen. Und trifft auf Christina Véghs Anliegen, das sie in späteren Ausstellungen weiter verfolgen wird: nämlich die Kestnergesellschaft als Teil der Zivilgesellschaft zu begreifen und Wirkungen in beiden Richtungen hervorzurufen. 

Text: Dr. Helge Mücke, Hannover; Bilder von oben nach unten: Rita McBride: Central America, Alberta, Ukraine, Siam, South Africa, 2015, Plasmaschnitt 10 mm Stahlplatte in 14 Einzelteilen, Größe variabel, Courtesy Konrad Fischer Galerie, Düsseldorf und Berlin, Foto: Anne Pöhlmann; Rita McBride: Gesellschaft, 2015, Ausstellungsansicht, kestnergesellschaft, © kestnergesellschaft, 2015, Foto: Ulrich Prigge; Rita McBride, Porträt: Rita McBride, Foto: Anne Pöhlmann.

Weitere Informationen auf der Seite der kestnergesellschaft