„…So solide das Fundament der Wissenschaft auch wirken mag, es hat Risse bekommen. Schuld sind ausnahmsweise nicht die üblichen Verdächtigen wie mangelnde Fördergelder, Fehlverhalten, politische Einflussnahme oder eine uninformierte Öffentlichkeit. Schuld ist, was Forscher als “Bias” bezeichnen: unvermeidbare systematische Fehler. Und er trifft die Forschung dort, wo es wehtut.
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Wie aber lassen sich solche tiefgreifenden Fehlentwicklungen erklären? Schuld ist die wissenschaftliche Kultur: Ihr liegt eine Überzeugung zugrunde, die den Bias mit Macht in eine bestimmte Richtung drängt. Wissenschaft wird unter der Prämisse betrieben, dass Fortschritt grundsätzlich mit der stetigen Produktion von positiven Ergebnissen und einem immerwährenden Fortschritt gleichzusetzen sei. Dieses Prinzip kommt allen Beteiligten zugute – es ist intellektuell befriedigend, garantiert gleichermaßen Karriereschübe für Wissenschaftler und die Leitungsebene an Universitäten und Forschungseinrichtungen. Und auch das öffentliche Verlangen nach Fortschritt wird bedient. Anreize, ein offenbar negatives Ergebnis zu vermelden, Experimente zu wiederholen und Widersprüche oder Ungereimtheiten beim Namen zu nennen, gibt es praktisch nicht. Obwohl man dies weiß, ist es offenbar unglaublich schwierig, den nötigen Wandel in der Forschungskultur herbeizuführen.
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Bias ist zudem nicht allein ein Problem der biomedizinischen Forschung. Sehr wahrscheinlich sind alle Felder davon betroffen, die Vorhersagen in komplexen Systemen machen. Beispiele sind etwa die Ökonomie und Ökologie, die Umweltwissenschaften oder die Epidemiologie. Dies herauszufinden ist jedoch ungleich schwerer. Eine direkte technologische Umsetzung und somit eine unmittelbare Überprüfung von Forschungsergebnissen ist in den genannten Disziplinen nur begrenzt oder überhaupt nicht möglich…“
Quelle und gesamter Text: http://www.spektrum.de/alias/publikationen/risse-im-fundament-der-wissenschaft/1151984