Das erste Mal habe ich ein Risotto in einem meiner ersten Kochbücher gesehen. Das muss ungefähr 7 Jahre her sein. Ich hatte es bis dahin noch nie gegessen, aber es war sofort Liebe auf den ersten Blick. Kennt ihr das, wenn man genau weiß, wie etwas schmeckt, nur beim bloßen Anblick des Fotos? Dies ist natürlich auch gleichzeitig ein großes Kompliment an den Fotografen/die Fotografin, denn wir alle wissen ja, dass ein unheimlich leckeres Gericht nicht unbedingt genau so ausschauen muss und selbst wenn, dann muss man es auch gut fotografieren können – aber gut, ich schweife ab!
Wie gesagt, mich hatte es gepackt. Ich wollte unbedingt ein Risotto kochen und vor allem natürlich essen. Schon mein erster Versuch war überzeugend lecker, nicht zuletzt weil es sich dabei um die Zubereitungsart eines echten Risottos handelte und nicht etwa eines, das angeblich ohne Rühren und nur mit einmaligem Angießen der Brühe funktionieren sollte. Doch wie bei so vielen Dingen, musste man sich erst mit den wichtigen Zubereitungsschritten vertraut machen und ein Gefühl für das Gericht bekommen. Gerade ein Risotto hat unglaublich viel Seele und man muss sich beim Risottokochen in den Reis und die Zutaten hinein versetzen. Meine Hauptzutat beim Kochen ist immer die Liebe, aber das Risotto ist essenstechnisch meine ganz große Liebe. Kein Gericht habe ich öfter gekocht, über keines so viel gelesen und so viel Leidenschaft dafür entwickelt wie für das Risotto. Dicht gefolgt vom ragu alla bolognese – dessen Hausrezept ich über Jahre hinweg perfektioniert habe
Man muss so Einiges wissen, wenn man ein gutes Risotto zubereiten möchte, und trotzdem kann ein Risotto niemals nach Rezept gekocht werden. Jedes Mal variiert die Menge an Fond, niemals ist irgendetwas gleich. Mal braucht man mehr Butter und Parmigiano bei der mantecatura (letzter Schritt beim Risottokochen), mal weniger. Mal dauert es ein paar Minuten länger, mal ein wenig kürzer. Jedoch kann ein Richtwert von 17 Minuten angenommen werden. Jedesmal verhält sich das Reiskorn anders und man muss viel Fingerspitzengefühl verwenden, damit das Risotto zu einem unglaublich leckeren Geschmackserlebnis wird.
Wir gehen recht selten auswärts essen. Wenn mein Lieblingsmensch und ich aber unterwegs sind, dann gehen wir sehr gern in ein schönes Restaurant. Und wenn wir dann auch noch einen netten kleinen Italiener finden, dann habe ich immer meine Test-Gerichte. Ich bestelle entweder Pasta con Ragú alla bolognese oder ein Risotto. Jedoch habe ich oft das Gefühl, dass diese Gerichte sehr stark eingedeutscht sind. Vor allem die Spaghetti Bolognese, die es in Italien ja so eigentlich nicht gibt. Es gibt in Italien unendlich viele Formen des Ragú alla bolognese – jede Familie und jede Region hat da ihr eigenes Rezept und Zutatenliste. Doch was man nur in Touristenregionen und niemals in einem Restaurant für Einheimische findet, sind Spaghetti in Kombination mit diesem Ragú. Solch eine Art Sauce wird schlicht und einfach mit kurzen Nudeln oder manchmal auch Gnocchi serviert. Aber in jedem Fall immer mit einer Art Pasta, an der die Sauce hängen bleibt und sich an die Pasta schmiegt und nicht von ihr abtropft. Penne, Farfalle, Tortiglioni, Casarecce sind zum Beispiel solche Nudeln. Aber gut – ich muss zugeben, mir schmeckt das Ragú alla bolognese auch mit Spaghetti und am Ende freue ich mich dann auf einen Teller voller Ragú welches ich löffeln kann.
Leider habe ich auch oft erlebt, das ein Risotto nicht ganz traditionell italienisch zubereitet wird. Häufig habe ich einfach ein klassisches Reisgericht bekommen, also einzelne Reiskörner, die ohne Schmelz und Verbindung auf dem Teller liegen und im schlimmsten Fall noch in ein wenig Brühe schwimmen. Aber wahrscheinlich habe ich immer Restaurants erwischt, in denen kein echter Italiener in der Küche steht. Eben weil mir das Risotto so am Herzen liegt, habe ich unzählige Kochbücher, Risottobücher und vor allen Dingen Restaurants in Italien durchstöbert und versucht, die perfekte Risotto-Konsistenz festzumachen. Giorgio Locatelli spricht ebenfalls mit großer Liebe von diesem Gericht.
“all ‘ onda” ist ein Begriff der in Verbindung mit einem echten Risotto oft fällt. Das Risotto muss sich im Topf wie eine geschmeidige Welle verhalten, wenn man ihn schräg hält. Dann ist es perfekt.
Bei einem guten Risotto verbinden sich die einzelnen Reiskörner miteinander. Die Konsistenz ist crémig mit einem leichten Biss in der Mitte der Reiskörner. Der Reis ist glatt und nicht grisselig außenrum. Dies passiert nur, wenn man die wichtigen Temperaturverhältnisse nicht einhält und kalten Fond nachgießt. Der Reis sollte überzogen sein von einem leicht schimmernden crémigen Schmelz. Solch ein Risotto kann man nicht in einem Servier-Ring drapieren, wie ich es schon unzählige Male gesehen habe. Ein Risotto fließt ein wenig, jedoch halten die Reiskörner zusammen. Nach wenigen Minuten auf dem Teller verfestigt es sich sowieso noch! Man sollte ein gutes Risotto in einem tiefen Pastateller oder auf einem flachen Teller servieren. So ist es perfekt – und nicht anders. Ihr merkt, ich bin da ein wenig verbissen, was das Ganze angeht. Aber es geht hier schließlich auch um ein Risotto! Bis vor einiger Zeit habe ich auch immer darauf geachtet, dass ich die nächste Kelle Fond nachgieße, wenn die letzte Flüssigkeit grade zu verdampfen schien. Heute weiß ich, dass die italienischen Frauen, dann immer noch einen Augenblick länger warten, bis der Reis ein wenig am Topfboden ansetzt, aber natürlich nicht anbrennt! Dann schaben sie den Reis vom Topfboden, lösen so noch mehr Stärke aus der äußeren Schicht des Reiskorns und gießen dann die nächste Kelle Flüssigkeit nach. So wird das Risotto noch crémiger.
Auch die Wahl des richtigen Reis ist so eine Sache für sich. Ich bin nach wie vor felsenfest davon überzeugt, dass der Arborio-Reis der crémigste ist. Arborio, Vialone nano und Carnaroli sind die bekanntesten Risotto-Reis-Arten. Der Carnaroli wir sehr gerne in der Spitzengastronomie für edle Risotto-Gerichte genommen und ist länger und schmaler als z.B. der Arborio. Ich verwende alle drei Reis-Sorten gerne, doch der dickliche kurze runde Arborio-Reis ist mein Favorit.
Ein Risotto passt immer und ist so wandelbar und vielseitig wie kaum ein anderes Gericht. Im Sommer mit Meeresfrüchten, Artischocken und Orangengelée( zum Rezept bitte hier klicken (klick)) , im Frühjahr mit vielen Kräutern, im Herbst und Winter eher deftig mit Waldpilzen, Rosmarin und krossem Speck. Oder ganz einfach, schlicht und klassisch mit Safran. Unschlagbar gut! Nie gleich…immer einzigartig.
Ja, ich denke, man kann sagen, ich bin dem Risotto verfallen! Alle zwei Wochen gibt es bei uns eine Variante – diese hier mit ein wenig gebratenem Rindertatar, knusprigen in Butter gebratenen Knoblauch-Pilzen mit Rosmarin, Salbei und viel, viel Parmigiano gab es gestern bei uns. Ich bin mir sicher, sie wird Euch genauso gut schmecken, wie meinem Lieblingsmenschen und mir!
Ich hoffe, meine Anleitung hilft allen Risotto-Neulingen ein wenig. Nicht verzweifeln, es ist wirklich nicht schwierig, man muss sich dem Risotto nur mit Liebe widmen und dann gelingt es ganz sicher!