Risikofaktor Muttersöhnchen

Von Die Angelones @DieAngelones

Bild: 20min

Als ich kürzlich dem „Muttersöhnchen-Index“ begegnet bin, wurde ich als Südländerin und mit dem Begriff der „Mammoni“, also der italienischen Muttersöhnchen, bestens vertraut, besonders hellhörig: All die Hotels Mama sollen schuld sein an der Euro-Krise? Denn, so die Aussage des Index, es bestehe einen Zusammenhang zwischen dem Anteil der 18- bis 34-jährigen Männer, die noch bei ihren Eltern wohnen und dem Risiko eines Zahlungsausfalls ihrer Heimatländer. Will die Schweiz, so der Rückschluss, nicht dasselbe Schicksal wie Griechenland, Italien oder Bulgarien erleiden, sollten Mütter hierzulande ihre Brut rechtzeitig aus dem Nest schmeissen, sofern diese nicht freiwillig das Hotel Mama verlassen will.

Nur: Wann sind Kinder flügge und können ihr Nest verlassen? Und wie sieht es in der Schweiz aus?

Eine aktuelle Umfrage des Vergleichsdiensts Comparis zeigt folgendes Bild:

  • Mit 21 Jahren hat sich die Hälfte der jungen SchweizerInnen den Traum von der eigenen Wohnung erfüllt und zieht entweder mit einem Partner zusammen, allein in eine Wohnung oder in eine Wohngemeinschaft.
  • Nur ganz wenige, nämlich fünf von hundert Jugendlichen, verlassen den elterlichen Haushalt, weil die Eltern nerven oder weil diese sie rauswerfen.
  • Der Auszug ist meist nicht ein Abwenden von den Eltern, sondern ein Hinwenden zum Beruf und einem eigenen Lebenslauf

Fazit: Auch Schweizer Jugendliche sind Mamititis!

Schweizer Jugendliche ziehen im europäischen Vergleich zwar deutlich früher von zu Hause aus, während sich die Mammoni im südlichen Nachbarland Italien gut zehn Jahre länger im Hotel Mama verwöhnen lassen.

Aber ganz so abnabeln, wie diese Zahlen vortäuschen könnten, tun sich Schweizer Jugendliche aber dann doch nicht: die meisten bleiben doch ganz in der Nähe der Eltern! 70 % der Befragten leben nach dem Auszug im selben Kanton, 28 % sogar in der gleichen Ortschaft wie ihre Eltern! In ihrem tiefsten Inneren bleiben also auch die Schweizer Nestflüchter eigentliche „Mammonis“.

Der wirkliche Unterschied zwischen hiesigen flügge werdenden Jugendlichen zu ihren europäischen Kollegen dürfte die Tatsache sein, dass in Südeuropa die Arbeitslosigkeit enorm hoch und Wohnungen schlichtweg zu teuer sind. So bleibt südländischen Nesthockern wohl oder übel keine andere Wahl, das Hotel Mama hat für sie gar eine lebensnotwendige Bedeutung. Von wegen sich Hinwenden zum Beruf und einem eigenen Lebenslauf!

Es bleibt also zu hoffen, dass sich die wirtschaftliche Lage in der Schweiz nicht deutlich verschlechtert, denn damit würde wohl der Anteil an Nesthockern auch hierzulande steigen. Was wiederum die ursprüngliche Aussage des „Muttersöhnchen-Effekts“ um 180 Grad drehen würde…

Huhn oder Ei? Werden Sie Ihre Nesthocker dereinst aus dem Hotel Mama hinauskomplimentieren? Oder sehen Sie einer Zukunft als Hotelmanagerin auf unbestimmte Zeit gelassen entgegen?