Endlich! Lange hab ich euch hingehalten, heute geht es weiter
Nachdem wir um halb sieben endlich unser Boot nach El Castillo fixiert hatten und wussten, dass wir im Besitz von Tickets für eine Bootsfahrt um acht Uhr waren, streunten wir auf der Suche nach dem Sehenswertem noch ein wenig durch die Gegend. Der See (Lago de Nicaragua – größter See Mittelamerikas) lag plötzlich nur drei Steinwürfe vom Hotel entfernt die Straße hinunter, in der Nacht hatte man davon – überaschenderweise – nichts gesehen.
Posen für die Kamera
Zuerst also auf eine kleine Anhöhe um Überblick zu gewinnen. Dasselbe dürften sich die Spanier damals gedacht haben, also findet man dort heute noch Kanonen. Damals als Verteidigung gegen Piraten und Engländer, die Granada ausrauben wollten, heute reine Touristenattraktion. Der Blick richtet sich sofort auf den einzigen großen Abfluss des Nicaraguasees, den Río San Juan.
Nach ein wenig erstem Beschnuppern beschlossen wir uns noch etwas näher heran zu wagen, an das riesig große Wasser. Die absolute Stille und Trägheit geriet durch unseren emotionalen Auftritt fast aus den Fugen: Am Steg wurde gemächlich Fisch an Land gebracht, am Horizont ließ sich eine Insel gehen und schwebte gedankenverloren vor sich hin und auch die Sonne lugte auch nur verschlafen aus ihrer Wolkendecke.
Auf der eigenen Spiegelung gebettet vor sich hin träumen ...
Da es Zeit wurde, machten wir uns auf den Weg zum Hafen (wir wussten ja endlich, wo er sich befand), ich ließ intelligenterweise meine Regenjacke im Hotel zurück, aber man kann ja nicht alles haben
Am Hafen angekommen mussten wir uns alle auf der allwissenden Liste des Fahrscheinverkäufer eintragen, natürlich komplett mit Name, Nationalität, Passnummer, Beruf, Haarfarbe, Schuhgröße und was man sonst noch so alles wissen wollen könnte, würde man das ernsthaft dokumentieren wollen. Da wir aber völlig unnicaraguanisch viel zu früh ankamen, hatten wir noch einige Zeit zu frühstücken, ja, sogar einen jungen Wiener gabelten wir auf.
Eines der vielen Stelzenhäuser
Während den dreieinhalb Stunden Fahrt hatten wir vor allem Zeit die Umgebung zu betrachten und uns mit Eneri auseinanderzusetzen. Die wollte nämlich nur und ausschließlich mit dem Bus fahren, warteten doch noch so viele Kühe und Pferde darauf gegrüßt zu werden. Außerdem ließ der Fahrtwind erheblich zu wünschen übrig. Nachdem sie dann aber verdient (für sie und alle Mitfahrenden) eingeschlafen war, gab es nur mehr die – immerhin doch recht interessanten – Flussufer zu studieren. Wenige bis keine Häuser, viel Wald, ein paar Weiden, ein kurzes Rendevous mit einem anderen Boot, welches Essen und Sprudelgetränke verkaufte.
Die erhöhte Bereitschaft der Einheimischen, Müll nicht einfach (wie in Bussen immer noch üblich) aus dem Fenster zu werfen wurde von ausnehmend originellen Mülleimern unterstützt. Plastikverpackungen hatten zwar die lästige Angewohnheit sich still und heimlich davonmachen zu wollen, aber so wurde wenigstens ein wenig Gymnastik betrieben
Vorsicht, Flugmüll!
Nach dem ihrem Nickerchen hatte sich Eneris Busfantasie in Luft aufgelöst und sie war hoch glücklich so viel Wasser vorbei rauschen zu sehen und auch endlich unbegrenzt Fahrtwind genießen zu können.
Fahrtwind macht glücklich!
Und dann endlich, das lang ersehnte Ziel: El Castillo. Zu übersehen ist es ja nicht, das Fort auf dem Hügel, aber auch hier war das natürlich voll und ganz der Sinne des Erbauers. Das Ziel war, eine erste Verteidigungslinie gegen Piraten und Engländer zu errichten, die ständig und immer wieder Granada ausrauben wollten … wie jetzt, das hab ich schon erzählt?
Mit etwa 3000 Einwohnern handelt es sich eher um ein Dörfchen, das sich um den Burghügel schlingt und ausschließlich per Boot zu erreichen ist. Umringt von Urwald scheint das auch die vernünftigste Lösung.
El Castillo - Die Burg
Wir hatten das Glück uns für ein sehr nettes … Hotelchen? … Wie verniedlicht man eigentlich „Hotel“? … namens Nena Lodge zu entscheiden. Die Besitzerin holte uns direkt vom Boot ab und führte uns über die – völlig motorenfreie – Hauptstraße „nachhause“. Leute, ich kann nur sagen: Wenn ihr nach Nicaragua kommt, müsst ihr nach El Castillo fahren. Das Dorf ist so angenehm ungewöhnlich, so ohne Lärm und so angenehm touristisiert, dass es fast nicht nicaraguanisch erscheint. Es ist nicht wie in Granada, wo man manchmal mehr Touristen als Einheimische sieht und auch nicht wie in den meisten anderen Städten, dass sich schon einen Schritt von der Hauptstraße weg Müllberge türmen und einem die Armut förmlich ins Gesicht schlägt. Man befindet sich schlicht und einfach im optimalen nicaraguanischen Dorf für schüchterne Individualtouristen.
Zimmer im "Nena Lodge"
Nach einer ersten Information, was es denn im Dorf so zu sehen gibt, machten wir uns auf den Weg auf die Burg. Auch hier galt es wieder sämtliche Daten anzugeben, alles Tourismusstatistik, wurde uns versichert. Weil wir ziemlich die einzigen Besucher waren und dabei auch noch eine ungewöhnlich große Gruppe, bekamen wir eine Privatführung: die gesamte Geschichte der Burg und die Pläne für einen Kanal, immer im Wettkampf mit dem Panamakanal, der den Atlantik mit dem Pazifik verbinden könnte. Schreckliche Vorstellung, hier riesige Schiffe vorbeiziehen zu sehen.
Probehalber wird man ins Verlies gesteckt
Die Burg ist eine kleine Festung, das muss man einfach sagen. Wer Hohensalzburg oder Dürnstein kennt, kommt sich vor wie in einer etwas größeren Hüpfburg – aus Stein. Man sieht das gesamte Dorf, erkennt, dass ein Satellitenschüsselvertreter ziemlichen Erfolg hatte und erkennt einen weiteren strategischen Vorteil des Hügels als Erbauungsort der Festung: Stromschnellen.
Da war einer überzeugend
Anschließend besuchten wir noch schnell das Mariposario, zu deutsch Schmetterlingszoo. Das ließ uns ausnahmsweise und exklusiv noch nach der Sperrstunde Schmetterlinge schauen. Allerdings hatten sich die meisten schon schlafen gelegt, vormittags soll es angeblich besser funktionieren. Ein sehr neugieriges Exemplar, noch in Raupenform hatte sich dann kurzerhand zum Ziel gesetzt meine Kamera von innen erforschen zu wollen, zum Glück drückte ich den Auslöser nicht
Vom Turm der Festung aus gen Stromschnellen, Dorf und (in weiter Entfernung) Atlantik geblickt
Der Rest des Tages bestand dann nur noch darin, das Bett aufs genaueste zu studieren und zu hoffen, dass das Hotel in San Carlos meine Jacke in Ehren hielte.
Soweit so fein, ich melde mich wieder, eh klar