Der Aufstieg von der Britanniahütte auf das Rimpfischhorn führt über weite Gletscher und gipfelt in einer fantastischen Gratkletterei. Ideal als Skitour!
Im Süden staut sich ein Wolkenmeer. Wie in Zeitlupe schwappen die Wogen über Sättel und Pässe und verpuffen auf der Nordseite. Das Matterhorn und andere Westalpen-Giganten halten tapfer stand. Ihre Gipfel ragen frei in den azurblauen Himmel. Auch wir klettern bei Sonnenschein den letzten Gratabschnitt unserer Hochtour zum Rimpfischhorn (4.199 m) hinauf: Es ist das exotische Finale einer Tour, die uns über mehrere Kilometer und Gletscher von der Britanniahütte hierher geführt hat.
Ski-Hochtour: Von der Britanniahütte auf das Rimpfischhorn
Ich fühle mich noch lange nicht frühstücksreif, als auf der Britanniahütte um 5 Uhr der Weckruf durch die Lager schallt. Trotzdem fahren wir eine Stunde später mit Kaffee betankt und Müsli gestärkt die 150 Höhenmeter zum Allalingletscher ab.
Wir kleben die Felle auf die Skier. Die Sonne streift bereits die ersten Gipfel des Wallis und bald auch unsere Nasenspitzen. Wenige Minuten später steht sie hoch am Himmel. Das ist das Wunderbare, wenn man seine Touren in großer Höhe startet: man steht sofort mitten im Tag.
Rings um uns funkeln frisch gefallene Schneekristalle im Morgenlicht, über uns breitet ein makellos blauer Himmel sein Dach aus. Für Mitte April ist es bitterkalt in den Walliser Alpen. Ich trage mehrere Schichten Kleidung und friere trotzdem.
Etwas über 30 Zentimeter Pulverschnee haben sich in den letzten Tagen angesammelt. Normalerweise würde ich Freudensprünge machen. Aber meine Begeisterung hält sich in Grenzen. Neuschnee auf dieser Höhe und in diesem Gelände bedeutet zusätzliche Anstrengung im Aufstieg, schlecht erkennbare Gletscherspalten und erschwertes Klettern am Grat.
Erschwerte Bedingungen, doppelte Freude
Die heiklen Stellen am Grat liegen gerade noch weit entfernt. Zunächst dürfen wir uns unseren Weg über die Zunge des Allalingletschers nach oben bahnen. Oder eher nach vorne – denn Höhenmeter macht man auf den ersten Kilometern wenige. Flach ist er, der Gletscher.
Der erste Teil der Tour gleicht jener auf das Strahlhorn. Wir halten uns am rechten Gletscherrand, stets nahe der Süd-Ost-Wand des Allalinhorns. Unsere Blicke klammern sich an das Strahlhorn und das Rimpfischhorn vor uns. Nur langsam rücken die Gipfel näher.
Dort wo die Spur auf das Strahlhorn geradeaus weiterläuft, biegen wir rechts zum Allalinpass ab. Pipipause, trinken und eine kurze Diskussion, wie wir weitermachen. Tom packt unseren 20m-Einfachstrick aus und wir vereinen uns zu einer am Gletscher sichereren Seilschaft.
Der unbekannte Gletscher ist uns nicht geheuer. Wilde Spalten soll es hier geben. So hat uns erst ein Bergführer bei unserer Skitour auf den Piz Palü mit seinen Geschichten über Spaltenstürze während seiner Hochtour auf das Rimpfischhorn kein allzu gutes Gefühl mitgegeben.
Meine Finger frieren beim Binden der Schmetterlingsknoten, die mit Handschuhen keine Form annehmen wollen. Durch das Seil vereint steigen wir den Aufschwung zum Allalinpass auf. Und kommen in einer anderen Welt an.
Hochtour auf das Rimpfischhorn: neben Schweizer Giganten
Am Allalinpass erweitert sich unser Horizont. Er verschiebt sich bis nach Frankreich und Italien. Vor uns stehen die Giganten der Westalpen Spalier. Berge, auf denen ich schon war; Berge, auf die ich unbedingt noch hinauf will. Sie reihen sich hier aneinander, als hätte die Natur jedes Fleckchen bestmöglich ausnutzen wollen.
Zu unserer Rechten das Täschhorn, mittig das Weisshorn und das Zinalrothorn, die Dent Blanche, weit dahinter der Mont Blanc, links das Matterhorn und weitere Schönheiten der Monte-Rosa-Gruppe wie der Lyskamm, die Signalkuppe oder die Dufourspitze.
Das Strahlhorn, das Allalinhorn oder der Alphubel – jene Gipfel, denen wir in den letzten Tagen näher gekommen sind – wirken im Vergleich zu dem was wir jetzt sehen, fast unscheinbar.
Wer den Allalinpass erreicht hat, ist dem Rimpfischhorn schon dicht an den Wandfuß gerückt. Zumindest seiner Nordseite. Für den Gipfelanstieg müssen wir aber noch um den halben Berg herum. Der Einstieg in den Grat versteckt sich auf der Westseite.
Auf die dunkle Seite
Der Zustieg über die Westseite bedeutet zu dieser frühen Stunde: pfiat di Sonne, grüezi Schatten! Ich ziehe meine Kapuze tief ins Gesicht, um möglichst wenig Körperwärme zu verlieren. Sehnsüchtig wandert mein Blick zum sonnenbeschienenen Hörnligrat hinüber.
Nach dem Pass halten wir uns leicht links und umgehen zwei Felsbänder, die von der Nordseite des Rimpfischhorns in den Mellichgletscher hineinlaufen. An den Ausläufern des zweiten Felsrückens rutschen wir wenige Meter ab und gelangen in ein weites, dunkles Gletscherbecken.
Eisiger Wind fegt uns vom Rimpfischsattel entgegen. Der Gipfel und der Sattel, über den wir in den Grat einsteigen, sind schon gut erkennbar. Nicht mehr weit, versuche ich mich zu motivieren und die Gedanken von meinen kalten Fingern und Wangen abzuwenden.
Steil und abschreckend steht die Westwand des Rimpfischhorns vor uns. Das kleine Zäpfchen in der Mitte müsste der Gipfel sein. Ein schneebedeckter, schmaler Grat verbindet ihn mit dem Vorgipfel.
Ich lenke meine Aufmerksamkeit wieder auf den Boden unter meinen Füßen. Oder hoffe zumindest, dass dort wirklich einer ist. Der Mellichgletscher ist besonders im oberen Teil von riesigen Spalten durchzogen. Die schlummern heute verborgen unter dem Neuschnee. Nur die größten sind nicht zu übersehen.
Als wir die mächtige Randspalte überqueren, treten wir gleichzeitig vom Dunkel ins Licht über. Sonne. Endlich!
Rimpfischhorn: Hochtour mit luftigem Ende
Wer seine Hochtour gerne mit kurzer Gratkletterei beendet, der ist am Rimpfischhorn gut aufgehoben. Die Kletterei ist nie schwierig, manchmal luftig ausgesetzt und immer von einer fantastischen Aussicht in die alpine Welt der Westalpen begleitet.
200 Höhenmeter trennen uns am Rimpfischsattel noch vom Gipfel. Wir steigen so weit wie möglich mit Skiern auf und errichten an einem Felsblock unser Skidepot. Helm auf, Steigeisen an, Pickel in die Hand – und bereit sind wir für die letzten spannenden Höhenmeter unserer Hochtour auf das Rimpfischhorn.
Die ersten 50 Meter stapfen wir durch eine mäßig steile Rinne und queren etwa in der Mitte des Gullys nach links auf ein Felsband hinaus. Keinesfalls sollte man die Rinne geradeaus weiter hochsteigen!
Meine Steigeisen kratzen auf solidem Fels, der jedoch Großteils von Schnee bedeckt ist. Wir überklettern mehrere kleine Felsstufen, halten uns dann aber etwas links des Grates in einer Rinne, weil wir dort gute Stapfspuren vorfinden. Okay, gut ist relativ. Manchmal versinke ich bis zur Hüfte im lockeren Neuschnee und fluche, als ich meine Beine ungeschickt hinter mir herziehe. Doch der Blick nach vorne verspricht Besserung. Die Schlüsselstelle ist in Sicht und blanker Fels glänzt uns entgegen.
Gipfelgrat – okay, jetzt doch mit Seil!
Der Blick nach hinten ist ebenfalls vielversprechend. Tief verschneite Zapfen und Hörner so weit das Auge reicht. Sanft umspült von einem Wolkenmeer, das sich von Süden seinen Weg über Pässe und Sättel bahnt.
Wir erreichen die Schlüsselstelle und stehen vor einem kurzen, steilen Felsaufschwung. Es sind einige beherzte Kletterzüge und Tritte auf kleine Vorsprünge nötig, um ihn zu überwinden. Tom wagt einen Blick um die erste Kante und zögert kurz. Da hinten geht’s ganz schön runter, meint er. Wir zögern nicht lange und holen das Seil aus dem Rucksack, um uns über die Stelle zu sichern. Sobald sich einer von uns beiden seilfrei unwohl fühlt, nehmen wir uns die Zeit und suchen uns einen Fixpunkt. So haben wir es vor der Tour beschlossen.
Mit dem sicheren Gefühl, im Falle eines Sturzes am Seil zu baumeln, überwinden wir die plattige Stelle spielend leicht. Eine Armlänge neben mir fällt die Südwand des Rimpfischhorns mehrere Hundert Meter ab. Der Grat verengt sich zum Gipfel hin immer weiter. Wild und ausgesetzt steigen wir immer höher. Welch ein fantastischer Aussichtsberg inmitten dieser unvergleichlichen Landschaft!
Nach der Schlüsselstelle wird das Gelände einfacher und flacher. Wir verstauen das Seil wieder im Rucksack, steigen einige Schritte vom Vorgipfel zum Verbindungsgrat auf den Hauptgipfel ab und schreiten dann leichten Schrittes unserem Ziel entgegen.
Freiheit auf engstem Raum
Links fällt die Westflanke zum Mellichgletscher ab, rechts die Ostwand zum Allalingletscher. Die Zacken und Türme des Rimpfischhorns ragen wie der Kamm eines Dinosaurierrückens aus dem Gletschermeer. Auf den höchsten steigen wir jetzt hinauf. Schwierigkeiten erwarten uns keine mehr. Nur noch die, irgendwie zu zweit auf dem kleinen Fleckchen Platz zu finden und ein Foto zu schießen.
Gut, dass wir nur eine Zweierseilschaft sind – sonst könnte es hier wirklich eng werden. Wir rücken nahe zusammen, halten und lange im Arm und sind einfach nur froh, hier sein zu dürfen.
Es ist jetzt wunderbar warm und ich strahle mit der Sonne um die Wette. Ohne Erwartungen sind wir zu dieser Hochtour aufgebrochen und das Rimpfischhorn war ein echter Glücksgriff! Etwas zu kalt und etwas zu viel Schnee vielleicht, aber das wäre Jammer auf zu hohem Niveau. Und jammern darf sowieso nicht, wer den langen Weg auf Skiern zurückfahren kann.
Wir klettern den Grat auf demselben Weg zurück, fahren die Spaltenzone am Seil ab – oh Graus – und fallen 19 Kilometer später müde, aber glücklich, in unsere Lagerbetten in der Britanniahütte.
Daten: Hochtour auf das Rimpfischhorn ab Britanniahütte
- Aufstieg:450 Höhenmeter
- Abstieg: 1.450 Höhenmeter
- Kilometer: 18 Kilometer (Britanniahütte > Rimpfischhorn > Britanniahütte)
- Schwierigkeit: PD+ nach SAC-Skala, Klettern bis III- in Fels/Schnee
Diese Ausrüstung war dabei
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