Bayerns Haftanstalten sind günstige Qualitätswerkstätten mit Millionenumsätzen. Viele Unternehmen schätzen die Arbeit der Insassen.
Straubing (obx - internet-zeitung) - Von der maßgeschneiderten Richterrobe über EDV-Möbel bis zu Triebwerksteilen für den Eurofighter - Bayerns Haftanstalten haben sich zu preiswerten Qualitätswerkstätten der Extra-Klasse entwickelt. Mittlerweile werden pro Jahr rund 45 Millionen Euro an über 6000 Arbeitsplätzen in den 37 Justizvollzugsanstalten des Freistaats eingenommen. Die Zeit des Tütenklebens ist längst vorbei: Bei Tageslöhnen zwischen etwa 8 bis 14 Euro liefern Häftlinge heute echte Qualitätsarbeit aus Eigenbetrieben von der Buchbinderei bis zur Zimmerei. Bayernweit am besten im Geschäft: Die JVA im niederbayerischen Straubing. Dort werden alleine jährlich rund 7 Millionen Euro von den aktuell gut 570 arbeitenden Insassen erwirtschaftet. Neben Produktionsaufträgen von Unternehmen hat die JVA Straubing sogar einen eigenen "Gitter-Shop" im Internet.
"Wir haben viele zuverlässige und qualifizierte Arbeitskräfte unter den Häftlingen", sagt Gunther Zettl, Leiter des Arbeitswesens in der JVA Straubing. Viele Unternehmen würden die gute und günstige Arbeit der Insassen auch als eine Alternative zur Verlagerung ihrer Produktion ins Ausland schätzen. Ein Beispiel: Der Triebwerkshersteller MTU, für den in der JVA Straubing rund 100 Häftlinge für durchschnittlich 1,23 Euro pro Stunde arbeiten. Der "Gefängnis-Standort" von MTU ist sogar als "Luftfahrtbetrieb für Luftfahrtgeräte der Bundeswehr" zugelassen und als solcher an der Produktion des Kampfflugzeuges Eurofighter beteiligt. Neben MTU unterhalten noch fünf weitere Unternehmen eigene Betriebsstätten in der JVA Straubing, hinzu kommen die 23 Eigenbetriebe der Haftanstalt.
Auch bei den Vertriebswegen ist die JVA in Straubing auf dem neusten Stand: Im Gitter-Shop stehen die Produkte von Schneiderei, Buchbinderei und Schlosserei im Internet zum Verkauf. Aktuell im Angebot: Staatsanwalts- und Richterroben mit Samtbesatz. Die Straubinger Häftlinge bieten auf den rund 600 Arbeitsplätzen der 29 Gefängnis-Betriebe vielfältige Dienstleistungen an: Requisiten für TV-Produktionen, Judo-Matten für die Olympiade in Athen 2004 und Goldene Bücher für zahlreiche Städte wurden dort schon produziert. Das Arbeiten ist für die Insassen grundsätzlich Pflicht, es gilt die 40-Stunden-Woche in Anlehnung an den öffentlichen Dienst. Rund 70 Prozent der Häftlinge in Straubing gehen einer Arbeit nach, damit liegt die niederbayerische JVA deutlich über dem bayernweiten Schnitt von etwa 50 Prozent.
Betreut wird die Arbeit in den Gefängnisbetrieben von erfahrenen Fachkräften und Handwerksmeistern. Wer als Insasse noch nicht ausreichend qualifiziert ist, hat in der JVA Straubing zahlreiche Möglichkeiten sich aus- und fortzubilden. Anerkannte Ausbildungen vom Bäcker über den Bürokaufmann bis zum Technischen Zeichner sind im Angebot. Auch Weiterbildungen wie EDV-Kurse werden in der Haftanstalt unterstützt.
Für das Management ihrer rund 90.000 Quadratmeter Produktionsfläche haben die Arbeitsbetriebe der bayerischen Justizvollzugsanstalten eine eigene Service- und Koordinierungsstelle. Dort werden interessierten Unternehmern geeignete "Anstaltsbetriebe" für ihre Aufträge vermittelt. Wenn nötig, können auch Produktionskapazitäten in mehreren Gefängnissen genutzt werden. Für den Freistaat sind die Gewinne aus den Gefängnis-Betrieben eine willkommene Einnahme: Dem Überschuss von gut 43 Millionen Euro aus dem vergangenen Jahr stehen Gesamtausgaben für den Justizvollzug von gut 338 Millionen Euro in 2011 gegenüber.