Richard Friedenthal: Luther

Richard Friedenthal: Luther

Wolfgang Krisai nach Lucas Cranach d. Ä.: Martin Luther. Tuschestift, 2017.

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Das Jubiläumsjahr „500 Jahre Thesenanschlag in Wittenberg“ 2017 regte mich an, mich ausführlicher mit der wichtigsten Figur der Reformation, Martin Luther, zu beschäftigen. Ich brauchte dazu nur an unser Biographien-Regal zu gehen und Richard Friedenthals dicke, überaus informative und anschauliche, elegant und pointiert geschriebene Luther-Biographie zur Hand zu nehmen. Da es sich um eine Taschenbuchausgabe handelt, wurde sie automatisch zu meinem Öffi-Buch, das ich zunächst vor allem in öffentlichen Verkehrsmitteln las. Bald aber interessierte es mich so sehr, dass ich auch daheim darin zu lesen begann.

Luther wurde am 10. November geboren, im Jahr 1483. Gestorben ist er 1546. Dazwischen liegt ein interessantes Leben.

Ich greife nur einige Details heraus, die mir besonders in Erinnerung geblieben sind:

Luthers kämpferischer Charakter

Luther war ein Stier, der in Wallung geriet, wenn er ein rotes Tuch sah. Rote Tücher gab es für ihn damals eine ganze Menge, allen voran die roten Gewänder der Bischöfe und Kardinäle, die es sich auf Kosten ihrer ihnen anvertrauten „Schäfchen“ gut gehen ließen. Dann natürlich die Päpste, auch wenn sie eher Weiß trugen oder gar, wie Julius II., Silber in Form von Rüstungen. Finanziert wurden die Kriege und Bauvorhaben der Päpste nicht zuletzt von dem Geld, das geschickte Ablassverkäufer aus Deutschland nach Italien überwiesen, eine Praxis, die Luther zur Weißglut brachte. Seine 95 Thesen, die er 1517 an die Kirchentür von Wittenberg anschlug, befassten sich mit all diesen Missständen. Da er nicht der einzige war, dem die Ausbeutung durch die Kirche sauer aufstieß, verbreiteten sich seine Thesen, sobald sie ins Deutsch übersetzt und gedruckt waren, rasend schnell in ganz Deutschland.

Luthers Sprachen: Deutsch und Latein

Die 95 Thesen schrieb und veröffentlichte Luther als Theologieprofessor, der er an der Universität Wittenberg war, selbstverständlich in der damaligen Gelehrtensprache Latein. Er beherrschte Latein ganz ausgezeichnet, sprach es gewissermaßen fließend, wie es sich für einen Gelehrten der damaligen Zeit gehörte. Wenn Luther sich primär an eine universitär gebildetes Publikum wandte, schrieb er lateinisch.

Wollte er jedoch die Fürsten oder das einfache Volk erreichen, bediente er sich der deutschen Sprache, konkret des Frühneuhochdeutschen, das er maßgeblich mitprägte. Luther ist zwar nicht der Erfinder des Hochdeutschen als jener Sprache, die alle Menschen im deutschen Sprachraum verstehen konnten, aber er trug wesentlich dazu bei, dass es zu dieser Entwicklung kam. Seine berühmte Bibelübersetzung, die er während seiner Gefangenschaft auf der Wartburg mit dem Neuen Testament begann und bald auch um das Alte Testament erweiterte (1534 erschien die erste vollständige Bibelübersetzung Luthers), verbreitete sich unglaublich schnell und wirkte auf den Sprachgebrauch der Menschen. Luther verbesserte die Übersetzung immer wieder und hatte dafür ein ganzes Team von Mitarbeitern. Die Ausgabe von 1534 – jüngst in einem schönen Reprint vom Taschen-Verlag herausgebracht – war also keine „Ausgabe letzter Hand“, sondern eher „Erster Hand“.

Landeskirchentum

Luther musste, da er sich vom Kaiser gebannt und vom Papst exkommuniziert und als Ketzer angeklagt sah, andere Autoritäten finden, denen er die oberste kirchliche Autorität zusprach. Er selbst wollte das ja nicht sein und hätte es über seinen Tod hinaus auch nicht sein können. So entwickelte sich schrittweise ein Landeskirchentum, wo der Landesfürst die oberste Autorität auch in kirchlichen Fragen war.

Anarchischen Tendenzen oder Ideen von Volksherrschaft und Demokratie stand Luther ablehnend gegenüber. Dementsprechend heftig äußerte er sich gegen die aufständigen Bauern und gegen radikale Prediger wie Thomas Müntzer.

Katharina von Bora

Luther verwarf den Zölibat und das Mönchtum, also jene Lebensformen, die er selbst lange gepflegt hatte, war er doch nach einem einschneidenden Erlebnis – dem berühmten Gewitter, wo er sich schon vom Blitz erschlagen sah – Augustiner Eremit geworden. Sehr zum Missfallen seines Vaters übrigens, der aus ihm einen tüchtigen Juristen machen wollte.

Eines Tages erschienen bei Luther neun entlaufene Nonnen unter der Führung von Katharina von Bora, die sich der lutherischen Bewegung anschließen wollten.

Luther hieß sie willkommen und bemühte sich, die neuen Frauen unter die Haube zu bringen. Auch Katharina wollte er mit jemandem verheiraten – und schließlich wurde er selbst ihr Mann. Damit scheint er eine gute Wahl getroffen zu haben, denn Katharina brachte seinen Haushalt im ehemaligen Augustiner-Eremiten-Kloster, das er zugesprochen bekommen hatte, in Schuss. Da hatte sie viel zu tun, denn es kamen ununterbrochen Gäste, es gab eine Menge Haushaltsangehörige, die alle versorgt werden mussten, vom Gebäude selbst, dessen Instandhaltung wohl auch einige Anstrengung erfordert hatte, ganz zu schweigen. Luther sah ja gerne Gesellschaft bei Tisch, seine berühmten Tischreden zeugen davon. Diese Tischreden wurden von seinen „Fans“ aufgezeichnet und geben Luthers originelles Sprachgemisch aus Deutsch und Latein wieder, dessen er sich auf launige Weise zu bedienen wusste.

Friedenthal bringt eine Fülle von Informationen und vermittelt dem Leser damit ein sehr lebendiges Bild Martin Luthers. Auch wenn anlässlich des Reformations-Jubiläums zahlreiche neue Luther-Biographien auf den Markt gekommen sind: Diese ältere Biographie ist immer noch jung.

Richard Friedenthal: Luther. Sein Leben und seine Zeit. Serie Piper. Piper, München, 13. Aufl. 1985. 680 Seiten.

Bild: Wolfgang Krisai nach Lucas Cranach d. Ä.: Martin Luther. Tuschestift, 2017.

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