Rheinkultur für 2012 abgesagt, Zukunft auch ungewiss

Rheinkultur für 2012 abgesagt, Zukunft auch ungewiss

Bei der diesjährigen Ausgabe des Rheinkultur-Festivals kam es durch Fans von Haftbefehl zu erheblich Ausschreitungen: Fans stürmten die Bühne, warfen Lautsprecherboxen ins Publikum und und und. Dennoch wird dies nicht als Grund der Absage angegeben, eher wird es ziemlich allgemein gehalten. Hier die komplette Pressemitteilung. Bildet euch eure eigene Meinung und teilt uns diese in den Kommentaren mit.

“Es ist uns wichtig, zu sagen, dass dieser Schritt nicht erfolgt, weil das Festival „pleite” ist. Wir haben es geschafft, mit Freunden, Fans und einer guten 2011er RhEINKULTUR die Krise aus 2010 zu überwinden. Wenn wir jetzt aufhören, geschieht dies in einer ausgeglichenen finanziellen Situation.

Es ist jedoch so, dass die Anforderungen, die an ein solches Event in organisatorischer, logistischer und vor allem personeller und finanzieller Hinsicht gestellt werden, im Rahmen des RhEINKULTUR-Konzeptes nicht mehr erfüllbar sind.

Wir haben es geschafft, mit Idealismus und Herzblut fast dreißig Jahre lang ein Festival zu kreieren und etablieren, das europaweit seinesgleichen sucht. Es ist vielleicht das namhafteste eintrittsfreie Festival des Kontinents. Es ist der einzige Grund für viele tausend junge Menschen, unsere Heimatstadt Bonn zu besuchen, als Heimat eines spektakulären, richtungsweisenden Events kennenzulernen und hier eine Party zu feiern, die ihresgleichen sucht. Es ist integrativer Höhepunkt für viele Jugendliche und junge Erwachsene und in seiner nachhaltigen Ausrichtung eine der führenden Veranstaltungen in Europa.

Für uns, die sich 2003 zusammengefunden haben, um das Festival nach dem Ende des Vereins Bonner Rockmusiker e.V. weiterzuführen, ist dies jedoch Jahr für Jahr ein Drahtseilakt gewesen, der aus reiner Liebe zur Veranstaltung vollführt und von vielen Außenstehenden niemals als solcher erkannt wurde. Es ist nunmehr aber der Punkt erreicht, an dem wir sagen müssen, dass es nicht weitergeht.

Der finanzielle Unterbau des Festival war immer fragil, die Festivalleitung hat es mit vorbildlichem Geschäftsgebaren, Geschick und besten Kontakten geschafft, eine Veranstaltung für weit weniger als die Hälfte des marktüblichen Budgets auf die Beine zu stellen, ohne dass an Sicherheit und Besucherservice gespart wurde. Im Gegensatz zu vielen Bereichen der heutigen Gesellschaft haben wir uns selbst dabei durchgehend auf der Prioritätenliste weit hinten geführt. Die Schere zwischen Risiko und getragener Verantwortung einerseits und dem persönlichen Resultat andererseits ging dabei allerdings Jahr für Jahr immer weiter auseinander.

Ein wichtiger Grund ist auch die ständige Frustration über den von uns empfundenen Status der Veranstaltung in der Stadt, in der sie stattfindet. Die Bedeutung des Festivals für die Stadt und die Strahlkraft gerade im Bezug auf eine junge Zielgruppe unter dreißig Jahren weit über die Stadtgrenzen hinaus ist Zeit Bestehens der RhEINKULTUR seitens der Stadt Bonn und ihr angeschlossener Betriebe weit unterschätzt worden. Zwar präsentiert man sich gerne mit der Veranstaltung (wie bspw. im Imagefilm der Stadt) und auch im Rahmen der Retteraktion 2010 gab es viele positive Bekundungen zur Veranstaltung. Konkrete Handlungen und Verbesserungen sind hingegen äußerst rar gesät. Selbstverständlich sind wir dankbar für den Zuschuss, den wir bekommen, sehen jedoch ein grundsätzliches Missverhältnis in der Aufteilung der Zuschüsse, das jedoch Bände in Bezug auf die tatsächliche Wertschätzung spricht – vor allem im Hinblick auf die großen Festivals der Stadt.

Darüber hinaus existiert eine kontinuierliche Ungleichbehandlung im Vergleich zu anderen in Bonn stattfindenden Großveranstaltungen. Seien dies nun Auflagen und Anforderungen, die bspw. den ÖPNV oder Lautstärkeemissionskontrolle betreffen, um nur einige zu nennen. Wir waren gerne bereit, Vorreiter in vielen Bereichen zu sein. Merkt man jedoch, dass darüber hinaus mit zweierlei Maß gemessen wird, und wir die einzigen bleiben, führt dies zu Unzufriedenheit und Frustration.

Ein weiterer Grund für die Entscheidung sind die Folgen gesellschaftlicher Entwicklungen, die eine eintrittsfreie Veranstaltung heftiger zu spüren bekommt als andere. Der Anstieg an alkoholisierten und aggressiven Jugendlichen und deren Verhalten bei Anreise und auf dem Gelände stehen im krassen Gegensatz zu unserer Motivation und der Grundidee des Festivals. Auch wenn es sich dabei immer noch um eine kleine Minderheit unseres Publikums handelt und wir diese Erfahrung mit Jahrmärkten, Volksfesten, Sportveranstaltungen und dem Karneval teilen, sind wir nicht bereit, dies einfach hinzunehmen. Da brauchte es sicherlich nicht auch noch die Brandstiftung, die in diesem Jahr in der Nacht vor der Veranstaltung stattgefunden hat und die in ihrer Sinnlosigkeit ihresgleichen sucht.

Wollte man diesen Entwicklungen sinnvoll entgegenarbeiten, würde dies nur mit finanziellen Mitteln möglich sein, über die ein eintrittsfreies Festival wie die RhEINKULTUR mit ihrem Finanzierungskonstrukt eben nicht verfügt.

Einige werden jetzt auf die naheliegenden Ideen kommen, doch ggfls. Eintritt zu nehmen oder mit einem Großsponsor zu arbeiten. Es wird niemanden verwundern, wenn wir zugeben, beides erwogen zu haben.

Wir haben schon zum Ende der Retteraktion gesagt, dass das Festival nicht gerettet ist, sondern lediglich eine 2011er Veranstaltung gesichert wurde. Von einer Rettung hätten wir nur gesprochen, wäre es gelungen, einen weiteren großen Sponsor zu gewinnen, der sicheres Arbeiten mit Perspektive und unter angemessenen Umständen ermöglicht. Dazu ist mit verschiedenen Firmen und Marken – auch aus Bonn – gesprochen worden, jedoch ohne Erfolg.

Auch das Thema Eintritt wurde intensiv diskutiert und kalkuliert, da die Einführung eines solchen Systems natürlich nicht nur Einnahmen, sondern in einem ersten Schritt einen deutliche Erhöhung der Ausgaben bedeutet. Es entstehen Zusatzkosten für den Vorverkauf, die Abwicklung und Kontrolle auf infrastruktureller und personeller Seite. Die Gema-Abgaben steigen um ein Vielfaches und es gibt keine Sicherheit für die Aufrechterhaltung von Freundschaftspreisen seitens Crew, Zulieferern und Künstlern bei einem Eintrittskonzept. Darüber hinaus ist das Risiko – das wir als Privatpersonen tragen – herauszufinden, ob die Zuschauer ein eintrittspflichtiges Konzept überhaupt annehmen, zu groß.

Und natürlich war es immer auch unsere Anspruch, eine solche Veranstaltung eintrittsfrei anzubieten – durchaus auch als Gegenpol zu steigenden Preisen und einer immer größer werdenden Schere zwischen denen, die sich ein Festival wie dieses (zum Normalpreis) leisten können und denen, die es nicht können.

Wie vielleicht aus diesen Zeilen hervorgeht, haben wir uns diese Entscheidung alles anderer als leicht gemacht. Wir sind RhEINKULTURisten aus Überzeugung und von Herzen. Eine drei Jahrzehnte dauernde Festivaltradition zu beenden, ist für uns kein einfacher Schritt und emotional sehr bewegend. Wir haben die RhEINKULTUR gerne gemacht und wir alle hatten unvergessliche Momente auf unserem Festival – einige der besten unseres Lebens.

Andererseits ist es unsere Überzeugung, realistisch zuzugeben, wenn es unter den gegebenen Umständen nicht mehr geht – im Sinne aller und vor allem des Festivals.

Vielen Dank allen, die unser Festival lieben, geholfen haben, es zu dem zu machen, was es bis zum Ende war, und an unserer Seite die RhEINKULTUR erst möglich gemacht haben!

Für die RhEINKULTUR GmbH,
H.J.Schmidt”

Tags: Absage, Festival, Haftbefehl, Rheinkultur

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