Titel: Zu schnell
Band: Einzelband
Verlag: Fischer
Genre: Jugendbuch, Drama
ISBN: 978-3-596-81127-4
Erscheinungsjahr: Sept. 2012
Seitenanzahl: 120
Altersempehlung: ab 14 Jahren
Kaufpreis: 17,95€
Krümelanzahl: 5
Erster Satz:
Alles begann an einem Mittwochabend im Juli, kurz nachdem die Schulferien angefangen hatten.
Inhalt:
Eines Abends mit Danny Mum sehr spät von zwei Polizisten nach Hause begleitet. Bei einem Verkehrsunfall hat sie einen kleinen Jungen angefahren. Der liegt nun im Koma. Ab diesem Augenblick ist nichts mehr so wie vorher. Dannys Mutter scheint wie ausgewechselt zu sein, hält sich nur noch mit deprimierenden Gedanken an den armen Jungen auf, achtet gar nicht mehr auf ihre Familie. Die kommt dabei zu kurz. Besonders Danny. Dann trifft er auf Sara, die Schwester von dem kleinen komatösen Jungen. Sara möchte ihm ein Geheimnis anvertrauen. Aber er darf es keinem Verraten. Und zwar, wer wirklich an dem Unfall schuld ist. Und wer lügt.
Meine Meinung:
Nach "Der Junge mit den Herz aus Holz" habe ich schon sehr auf dieses schmale Büchlein gewartet. Inzwischen habe ich John Boyne schon sehr ins Herz geschlossen. Sein Schreibstil ist ehrlich und dabei trifft er immer die richtigen Worte. Es wird einem nicht langweilig, aber man hat auch nicht das Gefühl, als sei etwas weg gelassen worden. Es passt einfach. Genau so erging es mir auch wieder mit seinem neuen Jugendbuch "zu schnell". Anfangs enttäuscht von der geringen Seitenanzahl und dem damit verbundenen lediglich kurzen Lesevergnügen konnte mich die rasante Geschichte enorm fesseln und für sich begeistern. Der Autor schreibt selten dicke Schmöker. Er ist eher ein Freund des direkten Wortes; das darf man auch bei diesem Werk spüren. Zielsicher wird der Leser von der ersten Zeile mitten ins Geschehen geleitet. Danny steht als Erzähler im Vordergrund während er gar nicht die dramatischste Rolle zugeteilt bekommen hat. Viel mehr lohnt es, sich Gedanken um die Mutter zu machen. Diese igelt sich ein, schreibt sich alle Schuld zu und weiß nicht wohin mit ihren Gefühlen. Sie ist eine interessante Person, die natürlich auch die stärkste Bindung zu unserer Hauptperson hat, ohne diese zeigen zu können. Gerade das macht sie in ihrer Verzweiflung so präsent. Der Leser weiß, wie wichtig sie für Danny ist und dennoch bleibt sie so unnahbar.Wie bereits in "Der Junge mit dem gestreiften Pyjama" wird uns hier vorgeführt, wie die Welt aus Kinderaugen aussieht. Eine Sichtweise, die wir 'Großen' scheinbar längst vergessen haben. Schade eigentlich, denn so wirkt sie viel aufregender. Zugleich empfindet man aber auch jede Veränderung im Leben als bedrohlich und viel intensiver als sie eigentlich ist.
Mit bangen Worten erzählt der Junge von seinem einschlägigsten Ferienerlebnis, dass einem selbst ganz unbehaglich wird.
Normalerweise bevorzuge ich Romane. In diesem Fall handelt es sich schon regelrecht um eine Kurzgeschichte. Meiner Meinung nach, ist es kaum zu schaffen, in so einen knappen Erzählstrang so viel Atmosphäre zu transportieren, dass der Leser überhaupt dazu kommt, sich mit den Figuren zu identifizieren. Auch erhalten sie selten genug Charaktertiefe, alsdass eine gewisse Sympathie auch für Nebenfiguren entstehen kann. Aber hier wurde das alles möglich. Durch die schnelle Sprache wird die Handlung rasch weitergesponnen. Für jeden jungen Leser bietet das ein spannendes und realistisches Abenteuer, das wie aus dem Leben gegriffen ist. Doch hinter dem bereits hohen Unterhaltungswert steckt noch mehr. Das Buch transportiert solch schwergewichtigen Gefühle, die ich ihm nicht zugetraut hätte. Das wichtige Detail der Geschichte ist vielleicht gar nicht der komatöse Junge und dessen Schicksal. Viel wichtiger erschien mir beim und auch nach dem Lesen die Frage nach der Schuld. Mir kam "zu schnell" nur als kleine Anekdote vor, damit wir uns selbst mal wieder an die Nase fassen. An welcher Stelle im Leben schieben wir ungerechtfertigt
anderen die Schuld in die Schuhe? Wann sollten wir von den Schuldzuweisungen Dritter Abstand nehmen? Und wie oft sollten wir es uns selbst einfacher machen,
indem wir nicht alle Schuld auf uns laden...?
Man kann dieses Gedankengeflecht weiterspinnen und beim tieferen Grübeln so mehr über sich selbst heraus finden. Mir gefiel dieses Experiment rund um Schuld und Unschuld. Dunkel meinte ich mich in diesem Zusammenhang an "Der Vorleser" von Bernhard Schlink zu erinnern. Viel schlechter allerdings und klischeehafterweise mal wieder in Bezug auf den zweiten Weltkrieg wurde dabei ebenfalls die große Frage der Schuldzuweisungen behandelt. Dannys Geschichte bietet einen erfrischend anderen Blickwinkel. Nicht nur den aus unschuldigen Kinderaugen, sondern auch thematisch wird aufgeräumt und gezeigt, dass man diese Materie auch in Alltagssituationen widerfinden kann... Mich regte das Ganze auf jeden Fall sehr zum Nachdenken an. Und das ist sicher das Kriterium, das auch viele andere Erwachsene zu diesem Büchlein greifen lassen wird.
Mein Fazit:
Wohl verdiente ~ 5 Krümel ~ für ein Werk, das sich im Unterbewusstsein kritisch mit einem der wichtigsten Themen der menschlichen Psyche befasst: Schuld.
Jimmy