Rezi: The Library of Unrequited Love

Von Jimmy
AutorIn: Sophie Divry
Titel: The Library of Unrequited Love
Band: Einzelband
Verlag: Maclehose Press (Quercus)
Genre: Realitätsroman
ISBN: 978-1-78087-051-9
Erscheinungsjahr: März 2014
Seitenanzahl: 90
Altersempfehlung: 14
Kaufpreis: 6,99 £
Krümelanzahl: 3
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Erster Satz:

Wake Up! What are you doing lying there?

Inhalt:
Sie bewegt sich still von einem Bücherregal zum nächsten und sortiert die Bücher ein, die von den Kunden der Bücherrei wieder zurückgebracht wurden. Dies ist das Bild, das die meisten Besucher lediglich von der unscheinbaren Frau wahrnehmen. Doch eines morgens entdeckt sie bei ihrem routinierten Rundgang einen Bibliotheksbesucher, der versehentlich in den heiligen Hallen eingeschlossen worden war. Zunächst ist sie wenig angetan von dem ungebetenen Gast, doch sie kommt ins Reden und schüttet ihm allmählich ihr kleines Herz aus.

Meine Buchgeschichte:
Auf dieses Buch hat mich Mareike, die Frau Seitengeraschel, aufmerksam gemacht. Fast schon in Vergessenheit geraten, entdeckte ich es dann bei unseren englischen Titel - und schwupps war es eingesackt. Obwohl es mich nicht so euphorisieren konnte, wie erhofft, hat es dennoch in mir eine ungeahnte Faszination für englische Literatur geweckt. Danke dafür.


Meine Meinung:
Obwohl ich bereits durch die gelesene Rezension sensibilisiert war, hatte ich dennoch eine ganz spezielle Erwartungshaltung an das Buch. Was soll man auch davon halten, wenn man eine Geschichte vor sich hat, die angeblich ein einziger Monolog sein soll. Allein die Vorstellung wollte mir noch nicht so richtig in den Kopf. Kann ein Autor es wirklich schaffen, einen einzigen Redefluss zu gestalten, ohne die vermeintlichen Zuhörer oder den Redner selbst agieren zu lassen? Ich glaube, ich wäre zu experimentierfreudig, um bei einem solchen schriftstellerischen Vorhaben, nicht doch das ein oder andere geschehen zu lassen.
Ich wagte mich also ins anderssprachige und überhaupt anders anmutende Büchlein. Optisch ist es wie bei so vielen englischen Büchern ein echter Hingucker. Das Thema Bücher mit der klischeehaft strengen Bibliothekarin entlockt dem Betrachter unwillkürlich ein flüchtiges Lächeln. Haptisch ansprechend ist es auch - die schwarzen Buchstaben auf dem Cover sowie die steife Dame sind etwas erhaben und fügen sich toll in das Gesamtbild. Das Cover zu bewerten fällt mir noch wahrlich leicht. Doch wie gehe ich an einen Roman heran, der keine Einleitung hat, in der man den Schauplatz und die handelnden Protagonisten kennen und lieben lernt? Was erzähle ich euch über den literatrischen Höhepunkt, wenn sich kein Spannungsbogen, ja gar kein Bogen finden lässt? Und welche Gefühle beschreibe ich euch beim Abschied von den Charakteren, wenn es gar kein aufösendes Ende gegeben hat? Durch die Wahl der Lektüre bin ich nicht nur an ein für mich leserlich bislang unerforschtes Feld gelangt, sondern auch rezensionstechnisch. Vor so einer Aufgabe stand ich bislang noch nicht. Und dennoch treibt mich eine unsichtbare Kraft von der Kurzgeschichte ausgehend an, mich zu erklären.
Ich fühlte mich fast von Anfang an in die Position von dem armen Kerlchen gedrängt, der aus Versehen über Nacht in der Bibliothek eingesperrt wurde. Während ich mit den angesprochenen Charakter aus einem inzwischen automatisierten Verhalten heraus als äußerst attraktiv und natürlich männlich vorgestellt habe, musste ich dieses Bild bald darauf revidieren. Ich sah mich selbst dort im Halbdunkeln des frühen Morgens. Schulbewusst sah ich der Bibliothekarin entgegen, die unfreundlich die Lippen verzog. Bevor ich mich auch nur erklären konnte, machte sie mir schon Vorwürfe, sprang von einem Gedankenfetzen zum anderen und sprudelte plötzlich nur so vor Energie. Diese Dame, die ich geistig vor mir hatte, beschrieb sich selbst als eine leise Persönlichkeit, die vermutlich in den Katakomben dieser weitläufigen Bibliothek sterben könne, ohne dass es jemandem auffiele. Tragisch? Mitnichten, zumindest nicht so wie sie es vorträgt. Bei der ganzen Theatralik und Ernsthaftigkeit schwingt auch stets ein ironischer Unterton mit, der sie nach und nach immer sympathischer erscheinen lässt. So ganz warm wurde ich mit ihr dann aber doch nicht. Dafür hätte ich vermutlich ein paar intimere Geständnisse über sie gebraucht, um sie auch tatsächlich als dermaßen menschlich zu empfinden. Dann und wann entlockt sie sich selst ein paar und zeigt ihre eigenen Fehler auf. Soald ihr dies bewusst wird, eilt sie in ihrem Monolog wieder zurück zu ihrem - und all unserem - Herzensthema, den Büchern. Nebenbei habe ich allerhand Interessantes über diverse Sortiersysteme der staatlichen Büchereien erfahren und habe wichtige Persönlichkeiten der Geschichte sowie der Literatur näher kennen gelernt. Zu guter Letzt wurde mir die Ähnlichkeit zwischen elegant gewölter ücherrücken und männlichen Nacken bewusst gemacht, konkret nur einem Nacken, nämlich dem von Martin ...In Erinnerung an den großen James Joyce - dessen Julysses ich leider nie fähig war, zu beenden - empfinde ich diesen Einblick in ein kleines, verbittertes Leben als äußerst bemerkenswert. Ungewöhnlich stark, assoziativ und dennoch nicht verwirrend. Vielleicht ist letzteres die eigentliche Stärke dieser Geschichte. Das hat Sophie Divry dem alten Joyce auf jeden Fall vorweg. Sie schafft es, in klaren Linien zu sprechen und ihre Figur zwar von einem Thema zum anderen springen zu lassen, aber das mit einer Bestimmtheit, die keine Zweifel aufkommen lässt.


Mein Fazit:Ein faszinierendes kleines Büchlein, das mich nachhaltig beeindruckt hat! Allerdings hat mir bei diesem Roman einfach die Tiefe gefehlt und so konnte ich keine Beziehung zu der einzigen Person aufbauen, die sich mir darbot. Ich vergebe sehr optimistische ~ 3 Krümel ~


Jimmy