Titel: Dornenherz
Band: Einzelband
Verlag: coppenrath
Genre: Jugendbuch
ISBN: 978-3-649-61370-1
Erscheinungsjahr: Jan. 2014
Seitenanzahl: 217
Altersempfehlung: 14
Kaufpreis: 12,99€
Krümelanzahl: 4
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Erster Satz:
Heute vor einem Jahr habe ich gelernt, dass man sterben kann, ohne tot zu sein.
Inhalt:
Seit dem Tod ihrer Schwester verschwindet Anna mehr und mehr. Sie möchte durchsichtig sein; nicht bemerkt werden. Doch Leon braucht ihre Hilfe und ihren Trost. Einander halten sie sich, versuchen sich Kraft zu geben .. aber in Wirklichkeit entfernt sich Anna von ihm. Während sie schon glaubt, dass sie nur noch blass durch die Welt wandelt, nimmt jemand sie ganz bewusst war: Phil. Er erzählt ihr woher die roten Rosen kommen und was es mit dem Rosenengel auf sich hat.
Meine Meinung:
Ein traumhaftes Cover, das meiner Meinung kein anderes hätte sein dürfen. Für mich persönlich passt es perfekt zu dieser Geschichte und so eine harmonische Abstimmung auf den Inhalt habe ich bisher bei noch keinem anderen Roman gesehen. Auffällig ist der durchschimmernde Schutzumschlag, erst durch ihn sehen wir zwei Engel: das wahre Denkmal und ein Abbild, das ihm wohl sehr ähnlich sieht ... Hinter dem rechten Engel - also auf dem Buchdeckel - verbirgt sich eine kleine Katze. Auch sie trägt natürlich eine bedeutende Rolle in der Geschichte und ist mal sichbar und dann wieder nicht, wie auf dem Cover. Die Farbe Blau finde ich im Nachhinein auch tragisch passend, symbolisch für die Wasserfluten und die erträkenden Wellen. Der Untertitel hat mir ebenso gut gefallen, erinnerte er mich doch so sehr an das Buch von Hermann Hesse "Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne" und schien auch dieser wie bewusst ausgewählt.
Annas Schicksal ist eine traurige Wendung des Lebens. Wenn das schlimmstmöglichste passiert und man sich dafür die Schuld eingestehen muss, dann sieht man irgendwann förmlich, wie alle mit dem Zeigefinger auf einen weisen. Dieses Bild hat die Autorin nie beschrieben und doch drängte es sich mir auf. Denn die Gefühlswelt um die Hauptprotagonistin die so eingeschüchtert wie auch stur ist, hat mich ein ums andere Mal beeindruckt. Nicht etwa, weil ihre Emotionen so außergewöhnlich oder vielfältig gewesen wären. Sondern eher weil sie dermaßen eindrucksvoll zu Papier gebracht wurden, dass es mir unter Haut ging. Ich saß auf meinem Sofa und hatte das Gefühl als würden ihre Gedanken in mich einströmen .. vielleicht liegt es auch an meinem ganz persönlichem Erfahrungsschatz, aber ich habe mich vollkommen verstanden gefühlt und eigentlich sollte ich ja die jenige mit dem Verständnis für die Figur sein.
Nachdem ich also bereits mit Anna so schnell warm geworden war, stieß ich auf Leon. Er ist nun mit Anna zusammen, war es aber vorher mit ihrer Schwester. Eine schwierigere Beziehung kann ich mir gar nicht ausmalen. Sie geben und nehmen einander. Von außen könnte man meinen, sie seien das perfekte Liebespaar. Aber da der Leser regelrecht dazu eingeladen wird hinter die Fassade zu blicken, werden plötzliche Risse sichtbar. Einen besseren und zugleich schlechteren Zeitpunkt gibt es für den ersten Auftritt von Phil gar nicht. Auf einmal ist er da und ich hatte das Gefühl, als hätte er sich mit laut tosendem Paukenschlag angekündigt, obwohl er sich gleichermaßen still und vorsichtig auf die Buchseiten geschlichen hat.
"Ich habe diese Rose bewundert.
Für ihren Kampfgeist. Ihren Überlebenswillen. Sie wollte sich nicht unterkriegen lassen. " (Phil, S. 56)Wenn Phil seine Geschichten erzählte, tauchte ich gemeinsam mit Anna in diese phantasievolle Welt ab. Sie ließ sich treiben und war froh, sich doch noch an jemandem festhalten zu können .. damit sie nicht verloren geht. Ich hingegegen, ließ mich nicht nur von den Ideen faszinierend, sondern vorallem von der Vielfältigkeit des Buches. Anstatt einen einfachen Jugendroman zu schreiben, bringt Jutta Wilke auch noch eine historische Novelle mit ein, und als ob das noch nicht reichte, übermittelt sie uns auf eine leise und poetische Art ihr Wissen über die Rosen. Und damit stahl sich Phil in mein Herz, welches bald keinen Platz mehr für Anna zu bieten schien. Je weiter ich las und je stärker ich ihren Dickkopf und auch ihre Naivität zu spüren bekam, desto wütender wurde ich auf sie. Dass sie einfach so weitermachte. Und ihr Leben wegwarf für das der anderen. Man stelle sich die eigene Freundin in ihrer Position vor. Am liebsten hätte ich sie genomen und kräftig durchgeschüttelt, damit sie endlich aus ihrer Traumwelt aufwacht und merkt, dass egal was sie tut oder nicht tut, ihre Schwester nie wieder kommen wird. Niemals. Denn sie ist tot, unwiederbringlich. Wir stehen mitten in einem realitätsnahen Jugendroman, ohne Reinkarnation, ohne Zauberei, ohne Vampirismus.
Fast noch wütender hat mich die Mentalität der Familie gemacht, ständig zu schweigen. Selten kommt ihnen ein Wort über die Lippen, dabei hätte die junge Anna einen Hauch Aufmerksamkeit bitter nötig. Mir ist klar, dass auch das nur ein Spiegel der Realität in unseer Welt ist. Aber diese Ungerechtigkeit und auch Unverschämtheit hat mich verständnislos werden lassen ..
"Irgendjemand hat einmal gesagt,
dass etwas erst dann Vergangenheit ist, wenn man daran denken kann, ohne dass es wehtut."(S. 92)
Annas Welt habe ich nur ungern verlassen. Die Spirale aus Emotionen und berührenden Worten hat mich mal mehr mal weniger berührt. Auf jeden Fall aber hat sie mich zum Nachdenken gebracht... über die Erwartungen unseres Umfelds, über die Erwartungen von uns selbst,über richtige Entscheidungen, über das Ziehen von Schlussstrichen und über Erinnerungen, die nie verloren gehen. Zu jedem Kapitelanfang lächelt einem ein kurzer Vers oder ein knappes Gedicht entgegen, das sorgsam ausgewählt mit den einzelnen Szenen harmoniert. Im Einklang mit der Geschichte entfaltet sich die Lyrik, die sich um Rosen und Röslein rankt. Jutta Wilke hat es erneut und noch viel intensiver als in ihrem Krimi "Wie ein Flügelschlag" geschafft, mit ihren ganz eigenen Sätzen eine verzauberte Welt aufzubauen, die ganz ohne Fabelwesen oder phantastische Elemente einfach magisch ist. Dafür bedient die Autprin sich eines anderen Genres. Innerhalb einer historischen Novelle entführt sie uns in das Jahr 1883 und stellt uns die Liebesgeschichte zwischen Johanna und Philip vor, deren Namen dem Leser durchaus bekannt vorkommen dürfen. So entsteht eine fein gesponnene Parallelwelt, die mit tollen Recherchen aufwartet und spannende Erklärung für die Hauptstory von "Dornenherz" bereitstellt.
Mein Fazit:
Ein starker Roman, der neben den anderen Veröffentlichungen der Autorin ganz für sich allein stehen kann und eine enorme Austrahlung besitzt. Ich habe mich gerne fesseln lassen. Daher ~ 4 Krümel ~
Jimmy