RapOhneLizenz hat neulich auf Twitter ne spannende Frage gestellt - nämlich: Hören sich diese Blogger eigentlich alle Musik an die sie posten? Klar es gibt Contentschleudern, die sich um sowas überhaupt nicht kümmern, sondern Mixtape auf Mixtape stapeln - was diese Perlen zwar etwas beliebig macht, aber sie sorgen für steten Zufluss frischer Ware - und ma ehrlich, wer will da klagen?
Aber Mixtapes sind eben auch "nur" Mixtapes & die kann man meiner Meinung nach auch ohne viel Beiwerk rausballern - anders sieht es (zumindest für mich) bei offiziellen Releases aus - egal ob digital oder physisch. Da sollte schon ne gewisse kritische Prüfung vorausgehen, will heissen, man sollte die Platte mindestens zwei/dreimal hören, um sich sicher zu sein, ob sie auch nach dem ersten Flash weiter wirkt oder sich doch als Strohfeuer entpuppt. Und auch nicht nur den Pressetext nacherzählen, manche machen sich ja nicht ma die Mühe ihn in eigenen Worten zu paraphrasieren, geschweige denn eigenständiges zu formulieren.
Jetzt werden manche stöhnen, weil diese Praxis ja viel zu zeitaufwändig (und somit nicht netzkonform) sei & dass man sich dann auch nicht an TrendingTopics - die Hipster unter den Hypes - rankuscheln kann. Klar hat ihr recht, aber damit beantwortet ihr ja auch schon die anfangs gestellte Frage.
Ich sehe mich momentan mit einem anderen Dilemma konfrontiert, was macht man als bekennender Anhänger der Entschleunigung und der kritischen Würdigung, wenn sich aufgrund von Echtlebenirrsinn, die Plattensendungen der Labels, die man wegen ihrer Veröffentlichungspolitik sehr schätzt, zu hohen (unbearbeiteten) Haufen emporwachsen?
Man muss Abstriche machen - und daher werde ich in den nächsten Tage Rezensionen zu einige Platten veröffentlichen, die deutlich ausführlichere Würdigungen verdient hätten. Also nicht wundern, wenn ich in drei Tagen komprimiert Dinge raushaue, die ich sonst in zehn ausführlichen Rezensionen auf 10 Tage gestreckt hätte - tut ihrer Qualität keinerlei Abbruch - gemeint sind natürlich die Platten.
Alborosie - 2 Times Revolution / Greensleeves - VP Rec.
Nummer Eins im Rezensionstau ist der inzwischen vorwiegend in Jamaika lebende Sizilianer Aberto D'Ascola alias Alborosie. Sein zweites Album, nach dem von Kritikern hochgelobte Escape From Babylon, wirkt angenehm aus der Zeit gefallen, klar es ist recht poppig, aber dafür finden sich hier keine Jumparoundeskapaden, keinerlei elektronisches Gefiepe, sondern sehr geradliniger Roots Reggae mit Inhalt und dezent politischer Note.
Der erste Vergleich der mir nach dem Hören von Jesus He's Coming in den Sinn kam war ein zeitgemäßer Entwurf von Peter Tosh - klar sind jetzt Riesenschuhe, aber er beherrscht es (ebenso wie der jamaikanische Gigant) mich in eine raffinierte Mischstimmung zu ersetzen - irgendwo zwischen tiefenentspanntem Einatmen der Musik & überraschter Bewusstwerdung der eingesungenen, scharfsinnigen Beobachtungen.
Einziger Ausfall der Platte (aber dann leider ein kompletter) ist dieses seltsam cheesige Rude Bwoy Love. Nerviges Synthiegequietsche, dahingehauchte Frauenstimmchen & grenzdebiler Message - klebrige Gefühlsdusselei - bäh! - wäre der Rest der Platte nicht völlig anders, wäre diese Frechheit ein guter Grund dem Silberling jetzt das Fliegen beizubringen. Da schielte jemand zu sehr auf die 2te Single - misslungen. Aber gut, geschenkt, die erste Single - Respect mit dem stets großartigen Junior Reid war da klar die bessere Wahl, lyrisch ebenso wie stylistisch. Wie sich auf eine so stark sozial argumentierende Platte mit klugen Songs wie Tax War oder dem zweisprachigen La Revolucion (spanisch/englisch) so ein Ausfall einschleichen konnte wird mir ein Rätsel bleiben.
Der stärkste Track der Platte ist aber sicherlich International Drama, bei dem sich Alborosie kritisch mit der Immigrationsgeschichte der italienischen Community auseinandersetzt, die nicht wenige Parallelen zur jamaikanischen Geschichte aufweist. Textlich eine der klügsten Analysen, die ich seit langem gehört habe & aufgrund der LKJ-würdigen Performance des gefeatureten Guiseppe Taratino einfach ein Sureshot.
Kurz gesagt: Wer sich gerne mal in kluge Texte versenkt, eine gewisse Popresistenz mitbringt & kein hochenergetisches Dancefloorherumgehopse erwartet, der wird bei dieser feinen Rootsplatte (die nicht ganz die Klasse der ersten Veröffentlichung erreicht) fündig werden. Könnt ihr hier als CD / Vinyl / MP3 erstehen.
Und ihr kennt mich ja, ohne Hörprobe kommt hier keiner raus :D - Soul Train - schönes Stück Moodmusik
Maikal X - Genesis / Rock'N'Vibes
Und wenn wir jetzt schon in der richtigen Stimmung sind, dann machen wir doch bei einem weiteren Geisterfahrer im Zeitgefüge weiter. Auch die Platte des Niederländers Maikal X atmet den Flair der frühen Siebziger, als wundervolle, durcharrangierte Songs, die sich ihrer ehrlichen Gefühle nie schämten noch die DeeJays becircten. Damals betrieb man noch keine Häkchenpolitik, kam nach einem Liebeslied noch ein zweites in die Quere, dann wurde es eben eingespielt, statt einer unausgereiften (und als verlogen erkennbaren) Awarenesshymen. Und Maikal X scheint diese unvermittelte, direkte Klangwelt wiederbeleben zu wollen - meinen Segen hat er dafür.
Neben der schieren Bühnenwucht des Ex-MCs der Postmen, überzeugen mich vor allem (neben den durchweg klugen Texten) das absolut einzigartige Timbre seiner Stimme & der elegante Flow, der seine MC-Vergangenheit sehr deutlich macht.
Today Becomes Tomorrow ist der beste Beweis für die textliche Brillanz von Maikal X - zwischen Gottesfürchtigkeit und Menschenangst, diese Selbstermächtigungshymen hat Gänsehautpotential. Der predigende, zukunftszugewandte Stil des Reggaesingers wird kombiniert mit der deskriptiven Kraft eines MCs der mit offenen Augen Missstände benennt - haunting!
Und gerade hier liegt die Kraft und Unterscheidbarkeit des Albums, dort wo andere mit Weedlobgesängen, Standardpattern, fragwürdigen Frauenbildern und Mackergeschwurbbel langweilen, überrascht Maikal X mit einer mitreissenden Mischung aus melodisch-bluesigem Gesang, elegater Instrumentierung und erfrischt unerwarteten Covern - die erste Single nimmt sich mal Hall & Oates Here She Comes vor!
Und wenn er bei Born To Die die folgende Zeile anstimmt "it just like the way [...] war & peace lives side by side" - dann begreift auch der letzte, hier dichtet ein Mensch mit Inbrunst, Wut & Lebensweisheit, es wird nie dieses Paradies geben - nicht hier, nicht heute und auch nicht morgen auf der anderen Seite - Leben ist Balancehalten sonst nichts.
Ein Album für jeden Mensch, der die halbkitschigen "good good loving"-Momente & die Augenblicke der scharfen sozialen Kritik in seinem Herzen vereinigen kann. Groweralbum - zweifellos. Werde ich in zwei Jahren immer noch wertschätzen - und Fangfrage: Wieviele aktuelle Produktionen sind noch auf Nachhaltigkeit ausgelegt, kein Flunkern, keine Ausflüchte! Kauft Maikal X - ist eine langfristige Investition glaubt eurem Reggaebroker :D. Käuflich hier erwerbbar als CD oder MP3.
Aber Mixtapes sind eben auch "nur" Mixtapes & die kann man meiner Meinung nach auch ohne viel Beiwerk rausballern - anders sieht es (zumindest für mich) bei offiziellen Releases aus - egal ob digital oder physisch. Da sollte schon ne gewisse kritische Prüfung vorausgehen, will heissen, man sollte die Platte mindestens zwei/dreimal hören, um sich sicher zu sein, ob sie auch nach dem ersten Flash weiter wirkt oder sich doch als Strohfeuer entpuppt. Und auch nicht nur den Pressetext nacherzählen, manche machen sich ja nicht ma die Mühe ihn in eigenen Worten zu paraphrasieren, geschweige denn eigenständiges zu formulieren.
Jetzt werden manche stöhnen, weil diese Praxis ja viel zu zeitaufwändig (und somit nicht netzkonform) sei & dass man sich dann auch nicht an TrendingTopics - die Hipster unter den Hypes - rankuscheln kann. Klar hat ihr recht, aber damit beantwortet ihr ja auch schon die anfangs gestellte Frage.
Ich sehe mich momentan mit einem anderen Dilemma konfrontiert, was macht man als bekennender Anhänger der Entschleunigung und der kritischen Würdigung, wenn sich aufgrund von Echtlebenirrsinn, die Plattensendungen der Labels, die man wegen ihrer Veröffentlichungspolitik sehr schätzt, zu hohen (unbearbeiteten) Haufen emporwachsen?
Man muss Abstriche machen - und daher werde ich in den nächsten Tage Rezensionen zu einige Platten veröffentlichen, die deutlich ausführlichere Würdigungen verdient hätten. Also nicht wundern, wenn ich in drei Tagen komprimiert Dinge raushaue, die ich sonst in zehn ausführlichen Rezensionen auf 10 Tage gestreckt hätte - tut ihrer Qualität keinerlei Abbruch - gemeint sind natürlich die Platten.
Alborosie - 2 Times Revolution / Greensleeves - VP Rec.
Nummer Eins im Rezensionstau ist der inzwischen vorwiegend in Jamaika lebende Sizilianer Aberto D'Ascola alias Alborosie. Sein zweites Album, nach dem von Kritikern hochgelobte Escape From Babylon, wirkt angenehm aus der Zeit gefallen, klar es ist recht poppig, aber dafür finden sich hier keine Jumparoundeskapaden, keinerlei elektronisches Gefiepe, sondern sehr geradliniger Roots Reggae mit Inhalt und dezent politischer Note.
Der erste Vergleich der mir nach dem Hören von Jesus He's Coming in den Sinn kam war ein zeitgemäßer Entwurf von Peter Tosh - klar sind jetzt Riesenschuhe, aber er beherrscht es (ebenso wie der jamaikanische Gigant) mich in eine raffinierte Mischstimmung zu ersetzen - irgendwo zwischen tiefenentspanntem Einatmen der Musik & überraschter Bewusstwerdung der eingesungenen, scharfsinnigen Beobachtungen.
Einziger Ausfall der Platte (aber dann leider ein kompletter) ist dieses seltsam cheesige Rude Bwoy Love. Nerviges Synthiegequietsche, dahingehauchte Frauenstimmchen & grenzdebiler Message - klebrige Gefühlsdusselei - bäh! - wäre der Rest der Platte nicht völlig anders, wäre diese Frechheit ein guter Grund dem Silberling jetzt das Fliegen beizubringen. Da schielte jemand zu sehr auf die 2te Single - misslungen. Aber gut, geschenkt, die erste Single - Respect mit dem stets großartigen Junior Reid war da klar die bessere Wahl, lyrisch ebenso wie stylistisch. Wie sich auf eine so stark sozial argumentierende Platte mit klugen Songs wie Tax War oder dem zweisprachigen La Revolucion (spanisch/englisch) so ein Ausfall einschleichen konnte wird mir ein Rätsel bleiben.
Der stärkste Track der Platte ist aber sicherlich International Drama, bei dem sich Alborosie kritisch mit der Immigrationsgeschichte der italienischen Community auseinandersetzt, die nicht wenige Parallelen zur jamaikanischen Geschichte aufweist. Textlich eine der klügsten Analysen, die ich seit langem gehört habe & aufgrund der LKJ-würdigen Performance des gefeatureten Guiseppe Taratino einfach ein Sureshot.
Kurz gesagt: Wer sich gerne mal in kluge Texte versenkt, eine gewisse Popresistenz mitbringt & kein hochenergetisches Dancefloorherumgehopse erwartet, der wird bei dieser feinen Rootsplatte (die nicht ganz die Klasse der ersten Veröffentlichung erreicht) fündig werden. Könnt ihr hier als CD / Vinyl / MP3 erstehen.
Und ihr kennt mich ja, ohne Hörprobe kommt hier keiner raus :D - Soul Train - schönes Stück Moodmusik
Maikal X - Genesis / Rock'N'Vibes
Und wenn wir jetzt schon in der richtigen Stimmung sind, dann machen wir doch bei einem weiteren Geisterfahrer im Zeitgefüge weiter. Auch die Platte des Niederländers Maikal X atmet den Flair der frühen Siebziger, als wundervolle, durcharrangierte Songs, die sich ihrer ehrlichen Gefühle nie schämten noch die DeeJays becircten. Damals betrieb man noch keine Häkchenpolitik, kam nach einem Liebeslied noch ein zweites in die Quere, dann wurde es eben eingespielt, statt einer unausgereiften (und als verlogen erkennbaren) Awarenesshymen. Und Maikal X scheint diese unvermittelte, direkte Klangwelt wiederbeleben zu wollen - meinen Segen hat er dafür.
Neben der schieren Bühnenwucht des Ex-MCs der Postmen, überzeugen mich vor allem (neben den durchweg klugen Texten) das absolut einzigartige Timbre seiner Stimme & der elegante Flow, der seine MC-Vergangenheit sehr deutlich macht.
Today Becomes Tomorrow ist der beste Beweis für die textliche Brillanz von Maikal X - zwischen Gottesfürchtigkeit und Menschenangst, diese Selbstermächtigungshymen hat Gänsehautpotential. Der predigende, zukunftszugewandte Stil des Reggaesingers wird kombiniert mit der deskriptiven Kraft eines MCs der mit offenen Augen Missstände benennt - haunting!
Und gerade hier liegt die Kraft und Unterscheidbarkeit des Albums, dort wo andere mit Weedlobgesängen, Standardpattern, fragwürdigen Frauenbildern und Mackergeschwurbbel langweilen, überrascht Maikal X mit einer mitreissenden Mischung aus melodisch-bluesigem Gesang, elegater Instrumentierung und erfrischt unerwarteten Covern - die erste Single nimmt sich mal Hall & Oates Here She Comes vor!
Und wenn er bei Born To Die die folgende Zeile anstimmt "it just like the way [...] war & peace lives side by side" - dann begreift auch der letzte, hier dichtet ein Mensch mit Inbrunst, Wut & Lebensweisheit, es wird nie dieses Paradies geben - nicht hier, nicht heute und auch nicht morgen auf der anderen Seite - Leben ist Balancehalten sonst nichts.
Ein Album für jeden Mensch, der die halbkitschigen "good good loving"-Momente & die Augenblicke der scharfen sozialen Kritik in seinem Herzen vereinigen kann. Groweralbum - zweifellos. Werde ich in zwei Jahren immer noch wertschätzen - und Fangfrage: Wieviele aktuelle Produktionen sind noch auf Nachhaltigkeit ausgelegt, kein Flunkern, keine Ausflüchte! Kauft Maikal X - ist eine langfristige Investition glaubt eurem Reggaebroker :D. Käuflich hier erwerbbar als CD oder MP3.