Rezension: Zweilicht von Nina Blazon

Von Paperdreams @xGoldmarie

Autor: Nina Blazon
Titel: Zweilicht
Teil einer Reihe? Nein.
Gebundene Ausgabe: 412 Seiten
Verlag: cbt 
ISBN-10: 357016117X 
ISBN-13: 978-3570161173
Preis: 18,99€
Originaltitel: -
Genre: Urban Fantasy; Jugendbuch; Dystopie
Themen: Trug & Schein; Traum; Liebe; Magie; Märchen; Wirklichkeit; Selbstfindung; Zukunft
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 "Und er atmet wirklich?", fragte Mo.
 Fasziniert von der neuen Welt, die sich ihm bietet und um Abstand von seinem alten Leben zu nehmen, verbringt der siebzehnjährige Jay ein Auslandsjahr in New York. Er verliebt sich in die hübsche, aber eigenwillige Madison, die im ersten Moment eher spröde, dann aber geradezu aufdringlich ist. Immer tiefer wird er in Madisons Welt gezogen und bald merkt Jay, dass nicht alles so ist, wie es scheint und dass ihm ein weiteres Mädchen auf den Fersen ist, eines, dass ein ebenfalls ein Geheimnis beherbergt und die Welt, wie er sie kennt, komplett auf den Kopf stellt. Und bald muss Jay sich zwischen Wahrheit und Lüge, Trug und Schein und zwei Welten entscheiden.
 Nina Blazons Schreibstil hat seine ganz eigene Magie - und vor allen Dingen das wichtigste: Er hat Wiedererkennungswert, denn er hat diesen ganz besonderen Charme, der mich immer wieder um den Finger zu wickeln weiß. Sie hat die besondere Gabe, Welten zu erschaffen und diese noch dazu lebendig wirken zu lassen und auch wenn die Poesie, die ihren Schreibstil sonst bestimmt, hier ein wenig gedämpft war, hat sich das Buch dennoch wunderbar gelesen und mich auf ihre eigene Art verzaubern können. Blazons Schreibstil ist einfach toll - nicht umgangssprachlich, aber auch nicht abgehoben, sondern leise flüsternd und magisch.
 Manchmal fragt man sich, ob auf der Welt wirklich alles so ist, wie man es selbst sieht. Wenn man sich vorstellt, dass manche Tiere die Welt in Schwarz/Weiß sehen, andere nur Umrisse erahnen können und wieder andere die Welt in Tönen wahrnehmen, fragt man sich doch, welche Sicht auf die Welt eigentlich die richtige ist - oder ob es da überhaupt ein Richtig und Falsch gibt. Ob das, was man sieht, auch wirklich da ist oder genauso aussieht, wie man es wahrnimmt. Auch in "Zweilicht" ist die Welt ein Geflecht aus Trug und Schein, welches schwer zu entwirren ist und in der man sich mit seiner Wahrnehmung zunächst einmal zurecht finden muss. Nichts ist, wie es auf den ersten Blick scheint und da kann es schon einmal passieren, dass man als Leser nicht so genau einschätzen kann, welche Sicht richtig, was Schwarz und was Weiß ist und auch die Stellen, an der die Grenzen verwischen, ist oft undurchsichtig. Vom Inhalt möchte ich daher gar nicht so viel erzählen, da das Besondere des Buches gerade diese Unvorhersebarkeit ist, die ich hier keinem nehmen möchte.
Bücher werden meiner Meinung nach meistens dadurch spannend und letztendlich auch lesenswert, wenn sie unvorhersehbar sind. "Zweilicht" ist in diesem Fall nicht nur unvorhersehbar, sondern auf ganzer Linie verwirrend. Auf den ersten 200 Seiten bildet sich nach und nach ein dicker Fragenkatalog, denn man erfährt nur sehr wenig und das, was man erfährt, kann man nicht so richtig einordnen, sodass man zwar mit Vermutungen zurückbleibt, diese aber noch sehr vage sind und letztendlich dazu führen, dass man mehr als einmal überrascht wird. Das Buch ist abwechselnd in der dritten Person Singular aus der Sicht des jungen Jay geschrieben, dann aus der Sicht einer Person namens Mo und später dann auch aus der Perspektive einer Figur namens Ivy, wobei Jays Perspektive jedoch dominant bleibt. So hat man daher einen Haufen Perspektiven und Sichten, aber irgendwie lassen sie sich nicht so richtig miteinander verbinden und ständig fragt man sich, wo denn nun der Zusammenhang ist.
Das Buch hält daher eine konstante Spannungskurve, auch wenn der Anfang etwas holprig ist, da man sich erst einmal zurecht finden musste, so wird doch eine stetige Neugierde aufrecht erhalten, die dazu führt, dass man vollständig von der Geschichte verschlungen wird. Fühlt man sich zu Beginn noch in die Geschichte geworfen und etwas aufgeschmissen, so wird man ungefähr ab der Hälfte des Buches absolut überrascht sein, wenn dann also einen Sinn ergibt. Bei mir hat es zwar etwas länger gedauert und ich musste mehr als einmal zurückblättern, um manche Situationen in mein Gedächtnis zurückzuholen, doch das lag größtenteils daran, dass ich einfach nicht mit einem derartig unvorhersehbaren Wendepunkt gerechnet hätte. Blazon schafft hier ein Werk, dass auf ganzer Linie zu überzeugen weiß und noch dazu kein Einheitsbrei ist. Vielmehr ist das, was man serviert bekommt, eine gänzlich einzigartige Mischung aus (endlich mal guter und individueller) Urban Fantasy, Märchen, Zukunftsvisionen und Jugendbuch, die einen so schnell nicht mehr loslässt.
Doch nicht nur inhaltlich weiß Blazon zu überraschen und überzeugen, auch auf der Ebene der Charaktere schafft sie, wie immer, komplexe und tiefgründige Figuren, die aus mehreren Schichten bestehen und die man anfangs womöglich zu kennen glaubt, später dann aber völlig falsch eingeschätzt hat. So finde ich es besonders faszinierend, dass die Grenzen zwischen Schwarz und Weiß beinahe völlig verwischen und es keine eindeutigen Seiten gibt, obwohl es zu Beginn so scheint. Ebenso wie Jay ist man unsicher, was man glauben kann, was Trug ist und was Schein und man ist immer wieder überrascht, wie furchtbar logisch das Ganze letztendlich ist. Jay ist größtenteils ein sehr sympathischer Charakter, an dem man sich aber auch erstmal gewöhnen muss. Ich musste erstmal mit ihm warm werden und auch Ivy war für mich erst einmal fremd, was aber einen tieferen Grund hatte - das wird dann jeder selbst herausfinden. Die unsympathischste Figur, die man gegen Ende aber zu verstehen lernt, ist wohl Madison, aber auch das möchte ich hier nicht verraten.

Was kann man mehr sagen? Die Idee ist absolut originell und bietet endlich Abwechslung von dem, von mir oft kritisierten, einseitigen Schema, tiefgründige Charaktere und eine unterschwellige Spannung sorgen dafür, dass man das Buch nicht aus der Hand legen kann und auch so bietet "Zweilicht" im Grunde alles, was man von einem Buch der Autorin erwarten würde. Ich kann mir dennoch vorstellen, dass es viele vielleicht nicht mögen werden, weil es teilweise schon etwas nervig ist, wenn man komplett verwirrt ist und gar nicht mehr weiß, wo vorne und hinten ist. Wer ein Fan der Autorin ist und ihre komplexen Geschichten schätzt, sollte sich das Werk allerdings nicht entgehen lassen und auch diejenigen, die nach frischem Wind im Genre Urban Fantasy suchen und auch Zukunftsvisionen nicht abgeneigt sind, sollten mal reinlesen.
 Alles im Leben hat zwei Seiten oder auch Wirklichkeiten und auch "Zweilicht" von Nina Blazon kann auf ganz unterschiedliche Weisen verzaubern. Nicht nur die originelle Idee, auch die Charaktere, die Spannung und der Handlungsstrang bieten ein abwechslungsreiches Abenteuer voll mit menschlichen (und nichtmenschlichen) Gefühlen und Gedanken, in denen die Grenzen verwischen und nichts so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Mit ihrem schönen Schreibstil, gibt Blazon der Geschichte den letzten Schliff und somit ist diese trotz anfänglicher Stolpersteine absolut und uneingeschränkt zu empfehlen. Urban Fantasy ist also doch noch nicht verloren!

  Nina Blazon wurde 1969 in Koper, Slowenien geboren. Sie ist eine deutsche Journalistin, Autorin und Texterin und vorrangig den Genres Fantasy, Krimi und historischer Roman zuzuordnen. Ihre Kindheit und Jugend verbrachte sie in Bayern, bevor sie sich dem Studium der Germanistik und Slawistik widmete an der Universität Würzburg. Nach dem Studium unterrichtete sie als Lehrbeauftragte an den Universitäten Tübingen und Saarbrücken und arbeitete als Texterin in einer Werbeagentur und als Journalistin für verschiedene Tageszeitungen. [via Lovelybooks]


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Für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares bedanke mich sehr herzlich bei