Rezension zu “Fürchte nicht das tiefe blaue Meer” von April Genevieve Tucholke

Von Nightingale @nightingale78

Fürchte nicht das tiefe blaue Meer

Autorin: April Genevieve Tucholke

Seiten: 384 (Taschenbuch)

Verlag: cbt

Preis: 12,99 EUR (D.land)

ISBN: 978-3570308844

Die Autorin…

April Genevieve Tucholke liebt Filmklassiker, rothaarige Bösewichter, geräumige Küchen und Gespräche über Mordfälle beim Abendessen. Sie und ihr Mann – ein Bibliothekar und Journalist – leben in Oregon. “Fürchte nicht das tiefe blaue Meer” (OT: “Between the Devil and the deep blue Sea”) ist ihr erster Roman und der Auftakt der Between-Reihe. Die Fortsetzung trägt den Originaltitel “Between the Spark and the Burn” und wird im Sommer 2014 in den USA erscheinen.

Autoren Website: http://apriltucholke.com/

Der Plot…

Im kleinen Küstenort Echo passiert nicht viel. Kleinstadttratsch ist das höchste der Gefühle. Das junge Mädchen Violet White lebt mit ihrem Bruder Luke auf dem herunter gekommenen Anwesen Citizen Kane allein, seit die Eltern einfach nach Europa abgehauen sind um ihrer Liebe zur Kunst nachzugehen.

Den Geschwistern geht das Geld aus. Von der Not getrieben, verteilt Violet Flyer im Ort, in der Hoffnung das alte Gästehaus vermieten zu können. Und schon bald steht ein charismatischer Typ namens River West mit der Miete für den ganzen Monat vor ihr. Erleichterung und Anziehung zu River lassen Violet die Sorgen vergessen. Doch auch sie muss sich schon sehr bald eingestehen, dass etwas mit dem Jungen nicht ganz rund läuft. Seit dem Erscheinen von River, geschehen unheimliche Dinge im sonst friedlichen Echo. Eine alte Legende wird plötzlich für Violets Freundin bitterböse Realität. Und dann irren Kinder mit selbstgeschnitzen Pflöcken auf dem Friedhof umher und wollen den Teufel verjagen.

Können das alles nur Zufälle sein? Wer ist der Junge mit dem schiefen Lächeln in ihrem Gästehaus wirklich? Denn nicht nur mit der Wahrheit hat River es nicht so dicke…

Meiner Ansicht nach…

Geschichten wie “Fürchte nicht das tiefe blaue Meer” lese ich selten. Ich behaupte mal zu sagen, dass Tucholkes Debüt für mich mit anderen Büchern bisher nicht zu vergleichen ist. Angenehm überrascht wurde ich durch die Stimmung. Zum einen gibt es diese Horrorszenen a la “Das Dorf der Verdammten” mit unheimlichen Figuren und dem gewissen Thrill. Zum anderen platzierte die Autorin eine Art Liebesgeschichte zwischen Protagonistin Violet und dem sehr merkwürdigen Jungen River West.

Was mir von Beginn der Geschichte an gefiel war der Schauplatz. Ein kleines Küstenörtchen namens Echo im amerikanischen Nirgendwo. Es ist ein drückender Sommer und irgendwie umgibt das Dörfchen diese komische Atmosphäre. Protagonistin Violet hat ihre liebe Mühe sich und ihren Bruder über Wasser zu halten. Das alte, ehemals herrschaftliche Anwesen – direkt auf den Klippen zum reißenden Meer gelegen – mit dem klangvollen Titel >Citizen Kane< staubt und dreckt vor sich hin. Es beherbergt einen verkümmerten Ballsaal, eine Bibliothek mit vergessenen Büchern, vielen leerstehenden Räumen und somit auch einige interessante Geheimnisse. Alte Familienerbstücke sind überall zu finden. Das perfekte Häuschen für das kommende Szenario also.

Aber auch außerhalb von Citizen Kane geht es gruselig zu. Man spürt die Gänsehaut unangenehm im Nacken hochkriechen. Und das die ganze Zeit. Die Liebesgeschichte hat nicht wirklich etwas romantisches an sich. Das wird einem spätestens bewusst, als Violet ihren ersten Kuss auf dem Friedhof bekommt. Jup, nicht wirklich rosarot. Doch es passt zu “Fürchte nicht das tiefe blaue Meer”. Man weiß ohnehin als Leser, dass mit dem Objekt von Violets Begierde etwas nicht stimmt. Ob er der leibhaftige Teufel ist, vor dem Violets Oma sie immer gewarnt hat? Das verrate ich natürlich nicht, aber es sind Kräfte am Werk, die einem ganz schön die Füße kalt werden lassen.

Tucholkes Schreibstil ist perfekt für das terror ähnliche Szenario. Melancholie, Poesie und Kunst umgeben Violets Leben. Das läßt die Autorin sehr eindrucksvoll einfließen. Es liegt eine gewisse Schwere zwischen den Zeilen. Zwar herrscht keine Hochspannung auf jeder Buchseite, aber mit dieser unterschwelligen, bedrohlichen Atmosphäre hat mich die Autorin ganz hibbelig gemacht und an die Seiten gekettet.

Die Charaktere sind keine Sonnenscheinchen. Man schließt sie nicht ins Herz. Dafür ist die Grundidee hinter dem Auftakt auch nicht geeignet. Jeder hat Ecken und Kanten. Mit Protagonistin Violet könnten einige Leser ihre Probleme kriegen, weil sie von River so unglaublich leicht zu beeinflussen und furchtbar naiv ist. Mich persönlich hat das überraschenderweise kaum gestört, weil die Masche des Jungen alles andere als natürlich ist. Daher konnte ich in gewisser Hinsicht nachvollziehen, dass diese Anziehung sich nicht so leicht abschütteln ließ für Violet. Nichtsdestotrotz verändert sich das Mädchen für mich zum Guten.

River West ist so eine Romanfigur bei der ich sofort spürte, dass der was verheimlicht. Man mag ihn oder man will ihn einfach verschwinden sehen. Wenn River in der Nähe ist gehen Angst, Verwirrung und Faszination um, ohne das irgendjemand ahnt was dahinter steckt. River hat, wie sich im Laufe der Handlungen rausstellt, ein Geheimnis. Mit diesem Geheimnis geht er brutal um. Und so kommt es, dass je weiter die Geschichte voranschreitet die menschliche Moral in einem der dunklen Ecken von Citizen Kane achtlos abgestellt wird. Es wird abgründig, psychotisch und makaber.

Eine Figur die mir unheimlich gut gefiel war Rivers Bruder. Er peppt die Handlung auf, als man glaubt bald Violet und River überdrüssig zu sein. Auf eine Dreiecksgeschichte braucht man sich zum Glück nicht einstellen. Das bleibt einem erspart.

In Gänze würde ich sagen, dass dieser Auftakt langsam beginnt, Stück für Stück zunimmt und dann mit einer intensiven Brutalität zuschlägt. Die Autorin läßt sich Zeit damit ihre Figuren zu quälen. Manches Mal scheint die Handlung vorhersehbar. Dennoch erwischte mich April Genevieve Tucholke heißkalt. Kennt ihr das, wenn das Gehirn anfängt zu kribbeln so sehr steht man unter Strom? So fühlte ich mich mit dem letzten Drittel, welches mich fast wahnsinnig machte.

Was mir übrigens auch sehr gefällt ist, dass der Originaltitel des Buches einem Song abgeleitet ist. Die Fortsetzung werde ich mir auf keinen Fall entgehen lassen. Ich möchte unbedingt wissen, wie es weitergeht mit den Charakteren und möchte mehr über diese Kräfte die da am Werk sind, erfahren.

Tacheles…

In “Fürchte nicht das tiefe blaue Meer” gibt es kein Grau und Schwarz. Es gibt kein Böse und kein Gut. Hier gehen die Farben und Stimmungen ineinander über. Atmosphäre und Charaktere sind schwer zu greifen, was vielleicht einigen Lesern nicht so gefallen könnte. Andere (wie ich)  die sich gerne mal auf seltsame Nicht-stereotypische Figuren einlassen möchten, werden ihre Freude am makaberen Treiben haben. Diese Geschichte kriecht wie tausend kleine Krabbeltierchen am Körper des Lesers entlang.

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