Rezension: Zerschunden von Michael Tsokos


Der Debütroman „Zerschunden“ von Tsokos stellt auf die Probe. Zu Beginn wird der Lesende direkt in die seelischen Abgründe des Mörders eingeführt. Detailliert wird beschrieben, wie er sich ein Opfer „aussucht“ und schnell wird klar: Zutun hat man es hier mit einem Killer der besonders grausamen Art und Weise.Zeitsprung: Vorgestellt wird Frank Abel – Rechtsmediziner, der schon so einiges gesehen hat, dass wirklich nichts für schwache Nerven ist, denn er arbeitet in der Abteilung für besonders schreckliche Verbrechen.
Ältere Damen, die alle in der Nähe eines Flughafens wohnhaft sind, schweben in großer Gefahr. Denn ein Mörder sucht sich gezielt diese „leichten“ Opfer aus um sie erst zu ermorden und dann auszurauben. Außer Chaos und Tod hinterlässt er auf jedem seiner Opfer eine Nachricht, die sich niemand so recht erklären kann. Schnell wird der Verdacht auf einen ehemaligen guten Freund von Abel gelenkt, der derzeit noch mit der Leukämie-Erkrankung seiner Tochter zu kämpfen hat. Abel ist nun also persönlich involviert und ermittelt, teils in Grauzonen, weiter um die Unschuld seines Freundes zu beweisen.
Zunächst zieht der Thriller in seinen Bann, durch sehr detaillierte Beschreibungen erscheint alles sehr plastisch, der Leser kann sich in die Handlung hineinversetzen. Die Perspektive des Mörders bleibt hingegen immer so knapp beschrieben, dass nicht zu viel Mitgefühl entsteht – im Verlauf der Handlung wird die Charakterisierung immer heftiger, der Leser findet kaum noch menschliche Züge und das Böse dominiert. Stellenweise gerät der Lesefluss etwas ins Stocken, wenn keine wirkliche Handlung mehr erkennbar ist, die Geschichte eigentlich zu verstrickt ist, als dass sie noch im Rahmen des Buches aufgelöst werden kann. Weitere Nebenstränge kommen hinzu, die etwas Raum einnehmen, jedoch nicht wirklich zur Auflösung der Hauptgeschichte beitragen, das ist schade. So kündigt sich ein weiterer Fall Abels an Strang der Geschichte an, hat am Ende jedoch nichts damit zutun und verpufft recht schnell. Das Innenleben des Mediziners lernt man so natürlich besser kennen, jedoch hätte ich mir gewünscht nicht so viele Nebenschauplätze kennenzulernen, sondern der Geschichte am Ende noch etwas Raum zulassen. Dennoch: Es werden nicht zu viele neue Charaktere eingeführt, wovor ich zunächst Angst hatte, als Abel dem Mörder hinterherreist. Es bleibt überschaubar, die Charaktere werden schnell plastisch, gut beschrieben und vor allem eins: nicht austauschbar. Ein dicker Pluspunkt für die Story. Insgesamt kann mich das Debüt von Tsokos überzeugen, mit viel Liebe zum Detail spannt der True-Crime Thriller sein Netz und ließ mich am Ende dann doch nicht mehr das Buch aus der Hand legen. Knappe Kapitel ermöglichen schnelle Wechsel zwischen den Perspektiven und auch das Fach-Know-How merkt man dem Thriller an. Und am Ende bleibt nur eins zusagen: Wahre Begebenheiten sind oft so heftig, dass sie mitunter unrealistisch wirken – aber das Leben liefert oft schlimmeres als sich jeder Autor ausdenken könnte.

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