|Rezension| "Zebrawald" von Adina Rishe Gewirtz

| cbt | Hardcover | 256 Seiten | €14,99 | Amazon |


Nichts wünscht sich Annie mehr, als ihrem Vater zu begegnen. Doch das ist unmöglich, denn Andrew Snow ist tot. Deshalb denkt sich die Elfjährige mit ihrem Bruder die tollsten Geschichten über ihn aus, im Zebrawald hinter dem Haus ihrer Großmutter. Gran spricht nie über Andrew Snow, aber Gran redet sowieso nicht viel, und in letzter Zeit noch weniger. Als eines Nachts ein entflohener Häftling in ihr Haus eindringt und sie alle drei als Geiseln nimmt, ahnt Annie, dass hinter dem Zebrawald eine ganze Welt liegt, die sie nicht kennt. Und dass ihr Vater nicht von einem wütenden Mann getötet wurde. Sondern dass er selbst der wütende Mann ist.

Auch wenn das Buch so aussieht: Nur selten gibt es Schwarz und Weiß. Und in "Zebrawald" schon gar nicht. Mit sanften und lesen Tönen erzählt Gewirtz eine ruhige Geschichte mit viel Inhalt und viel Gefühl, die zwar seine Zeit braucht, aber definitiv zu berühren weiß. Immer wieder wird der Leser in einen inneren Konflikt gestoßen und zum Nachdenken angeregt, denn für ein Kinderbuch (die Protagonistin Annie ist elf, der kleine Bruder Rew neun) ist "Zebrawald" schon relativ düster und melancholisch. Es erscheint schwer hinter dem ungeordneten Leben von Annie und Rew einen Lichtstreif zu sehen, doch immer wieder blitzt er durch die Bäume im Zebrawald und schafft so am Ende den Bogen zu einer hoffnungsvollen Geschichte, die vor sich hinplätschert und zwar nicht fesselnd oder unsagbar spannend ist, dafür aber gehaltvoll und unter die Haut gehend.
"Zebrawald" ist nicht das beste (Kinder)Buch, dass ich je gelesen habe - dafür ist es mir dann stellenweise doch ein wenig zu ruhig gewesen, zumal es mir anfangs schwer fiel, eine wirkliche Bindung zu den Figuren aufzubauen. Vielleicht weil die Geschichte, ebenso wie das Leben der beiden Kinder, tatsächlich etwas unordentlich wirkt - man weiß nicht, wohin sie gehen wird und schwankt stetig zwischen Mitgefühl, vor Hoffnung geschwollenem Herzen und Melancholie. Das macht "Zebrawald" nun einmal nicht zu einer leichten und witzigen Lektüre, sondern viel mehr zu einem Buch, dass einen ein wenig schwerfällig zurücklässt. Mit der Zeit bin ich durchaus darin versunken und habe mich in der Gesellschaft der Figuren wohlgefühlt, aber irgendetwas hat mir dann doch gefehlt - vielleicht die Entwicklung der Beziehung zum Vater, die mir einfach ein wenig zu schnell ging.
Der Vater, oder auch Andrew Snow, ist wohl die schwierigste Figur im Buch - zumindest was ein eindeutiges Gefühl zu ihm angeht. Bis zu einem gewissen Punkt weiß man einfach nicht, was man von ihm halten soll und später dann mag man ihn einfach und schämt sich erst ein wenig dafür. Auch Rew, der kleine Bruder von Annie, ist definitiv ein schwieriger Charakter mit dem ich bis zum Ende nicht richtig warm geworden bin, vielleicht, weil Annie ihn oft so in den Himmel gelobt hat, ich aber sie selbst viel interessanter und komplexer fand. Annie ist in der Hinsicht ein besonderer Mensch, weil sie verzeihen kann und über die Dinge hinwegsehen kann, die einen Menschen oberflächlich ausmachen. Sie ist ein ruhiges Mädchen und so ist eben auch die Geschichte - ruhig, besinnlich, nachdenklich. Kein Buch für jedes Kind, aber eine wirklich berührende Geschichte, der es dann und wann an Länge fehlt - knapp 250 Seiten reichen für so viel irgendwie nicht aus.
Manchmal versteckt sich dieses Buch im Zebrawald hinter dem Haus und wagt sich nur schüchtern hervor. Es spricht mit leisen Tönen, so ruhig, dass man manchmal ganz genau zuhören muss, um die Nuancen zwischen den Tönen wahrnehmen zu können. Dennoch: Gewirtz bringt die nötige Portion Gefühl und Atmosphäre mit, um "Zebrawald" zu einem besonderen Buch zu machen, dass ich gerne gelesen habe und dass mich in einer inneren Zwickmühle zurückgelassen hat. Nicht ganz einfach und zentnerschwer, aber irgendwie auf seine Art wunderschön. Lesen!

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