Die Erwachsenen verlassen das Dorf und die Kinder erschaffen ihr eigenes System aus Gesetzen und Regeln.
Die Kinder empfangen Pakete und Geld. Sie kochen, putzen und kommern sich um die Großeltern und kleinen Geschwister. Scheinbar soll rundherum Krieg herrschen. Aus diesem Grund haben die Eltern das Dorf verlassen, um in der Stadt arbeiten zu gehen. Geld, dass sie dringend benötigen und den Kindern zukommen lassen. Als der einzige Lehrer nun auch das Dorf verlässt, beginnen die Kinder, sich zusammenzurotten und ihre eigenen Gesetze und Regeln aufzustellen. Was harmlos beginnt, wird rasch zu einem System aus Gewalt und Macht, dem sich alle zu unterwerfen haben. Nur Mila will sich nicht beugen und wird zur Außenseiterin, die bis zum Ende für das Gute kämpft.
Meine persönliche Meinung:
Diese Geschichte ist düster und deprimierend. Das merkt man sofort, wenn man dieses Buch zu lesen beginnt. Die Eltern verlassen das Dorf, die Kinder sind auf sich alleine gestellt. Die Kulisse wird unglaublich toll beschrieben. Man kann sich dieses ausgestorbene Dorf richtig gut vorstellen. Die leere Schule, kaputte Fenster, leere Einkaufsläden, alles grau und düster. In diesem Dorf leben nur noch Kinder und Großeltern. Alle anderen Erwachsenen sind in die Stadt gezogen und lassen von sich hier und da mal etwas hören. Der Bürgermeister, der ebenfalls noch im Dorf lebt und somit einer der zurückgebliebenen ist, vermittelt nun zwischen Eltern und Kindern. Die Eltern schicken Briefe, Pakete um die Kinder von außen zu versorgen. Die zurückgelassenen Kinder müssen nun lernen, erwachsen zu werden, denn sie müssen sich jetzt auch um die jüngeren Geschwister kümmern. Der Bürgermeister, der ebenfalls noch im Dorf lebt und somit einer der zurückgebliebenen ist, vermittelt nun zwischen Eltern und Kindern.
Aus verschiedenen Blickwinkeln wird uns nun über das Schicksal der Kinder berichtet. Lucia Leidenfrost ist dies unglaublich gut gelungen. Wir lernen Mila kennen, die eine von drei Töchtern des Bürgermeister ist. Sie hat sich von allen anderen Kindern abgesondert. Ihr Teil ist aus der Sicht einer Erzählstimme erzählt. Alle übrigen Erzählungen sind in der Ich-Form geschrieben. Mila wehrt sich gegen eine homogene Gruppe aus Kindern. Sie will es nicht akzeptieren, dass es keine echte Individualität mehr geben soll.
Der Schreibstil hat mir so unglaublich gut gefallen. Einerseits hat man das Gefühl, dass diese Geschichte, die man hier erzählt bekommt, ganz weit weg von einem ist, aber einerseits bekommen diese ungeheurlichen Geschehnisse im Dorf eine irrationale Normalität. Der Autorin ist es also gelungen in diesem Roman ein schreckliches aber auch faszinierendes Szenario zu erzählen. Eine Geschichte, die unglaublich realistisch niedergeschrieben wurde. Das Handeln der Kinder ist absolut nachvollziehbar, das der Eltern jedoch weniger. Bei den Kindern herrscht anfangs noch eine unglaubliche Freude, als vor allem auch alle Lehrer weggegangen sind. Eine Freude, die jedoch sehr schnell in Langeweile umschwenkt. Sie werden zu Taten getrieben, deren Konsequenzen sie nicht vorhersehen haben können.
Während dem Lesen treten irrsinnig viele Fragen auf. Wo sind die Eltern, vor allem in welcher Stadt? Warum kommen sie die Kinder nie besuchen, wenn sie doch auch Briefe und Pakete schicken? Ist all das so geschehen, weger vieler Konflikte und dem Krieg, der immer wieder erwähnt wird? Diese und auch viele andere Fragen treiben die Spannung der Geschichte definitiv in die Höhe und lässt den Leser nur noch neugieriger weiterlesen. Eines kann ich euch verraten: Es werden nicht alle Fragen beantwortet und wir bekommen ein offenes Ende, das zum Nachdenken und Diskutieren anregt.
Ich bin jedenfalls unglaublich begeistert von der Idee dieses Romans. Ich hätte die Kinder noch unglaublich gerne weiterbegleitet und hätte nichts dagegen gehabt, wenn die Geschichte noch weitergegangen wäre. Auch heute bin ich noch immer auf der Suche nach Antworten auf meine Fragen. Eine Geschichte, die einem also nicht so schnell loslassen wird.