Rezension: William McIlvanney – Laidlaw (Kunstmann 2014 [1977])

Mit den Neuübersetzungen der Roman-Trilogie um den Glasgower Detective Inspector Jack Laidlaw bringt der Kunstmann-Verlag die Renaissance des schottischen Autors William McIlvanney, genannt “Godfather of Tartan Noir”, die in England vor etwa zwei Jahren in Gang gesetzt wurde, in den deutschen Sprachraum. Die erste Ermittlung konfrontiert Laidlaw mit der Suche nach einem jungen Sexualstraftäter. 

mcilvanney

Ausgangspunkt des Falls ist ein Sexualmord. Die achtzehnjährige Jennifer Lawson wird tot aufgefunden, die Polizei macht sich daran, den Täter zu suchen – das ist auch schon alles. Wären da nicht unzählige Interessenkonflikte. Inspektor Jack Laidlaw ist mit seinem Assistenten Harkness unterwegs, um den Täter zu finden. Bud Lawson, der Vater der Ermordeten, bahnt sich stumm und wütend seinen eigenen Weg durch die Stadt, um Selbstjustiz zu üben. Matt Mason und John Rhodes sind zwei in allerlei schmutzige Geschäfte verstrickte lokale Grössen, deren Augen und Ohren überall sind, und die wiederum auch Gründe haben, den Täter zu finden. Der homosexuelle Clubbesitzer Harry Rayburn letztlich hat seine ganz persönlichen Gründe, dem Täter zur Flucht zu verhelfen…

Obschon der Plot banal anmutet und der Autor die Identität des Täters sehr früh preisgibt, bleibt das Buch über seine volle Länge spannend. Es ist kein Rätselraten, sondern ein Wettrennen, die zentrale Frage lautet nicht ‘Wer war es?’, sondern ‘Wer wird ihn zuerst finden?’. Die umtriebige Hauptfigur ist Detective Inspector Jack Laidlaw, ein Mann um die vierzig, unglücklich verheiratet, drei Kinder. Seine Triebfeder ist der Zweifel, seine Lebensform das Drama – bisweilen sehr zum Unwohlsein seines jungen Assistenten Harkness:

“Laidlaw musste offensichtlich jede Situation völlig ohne Not in eine Krise verwandeln. Ein sehr anstrengender Charakterzug, für Laidlaw selbst, aber vor allem auch für Harkness. Wer wollte schon Assistent eines mobilen Katastrophengebiets sein?”

Laidlaw akzeptiert das Böse als Teil der menschlichen Natur und sucht stets nach einem Verständnis des Unverständlichen. Seine kernigen Sprüche, seine Belehrungen und sein feinfühliges Gespür in der Beurteilung menschlichen Handelns machen ihn zu einem bemerkenswerten Charakter, der seinen Rivalen auch in Sachen Abgebrühtheit in nichts nachsteht. Eindrücklich ist dies etwa an der Szene der Konfrontation zwischen Laidlaw und dem übermächtigen lokalen Gangsterboss John Rhodes abzulesen. Manche Passagen aus “Laidlaw” mögen den Eindruck eines Klischees erwecken, was jedoch nicht zuletzt daran liegt, dass William McIlvanney einer der ersten Autoren war, die diese Sprache fanden, eben der “Godfather of Tartan Noir”.  Die neue Übersetzung von Conny Lösch überträgt den Biss des Originals hervorragend ins Deutsche.

“Der Mann mit der Narbe fuhr. Der andere sass bei Lennie hinten. Lennie musste sich auf den Boden kauern.
“Zu gucken gibt’s jetzt nichts, mein Sohn. Zu deinem eigenen Besten. Was du nicht weisst, kannst du auch nicht weitererzählen. Und was du nicht erzählen kannst, dafür tritt dir niemand den Schädel ein. Okay””

William McIlvanney (*1936), den man als Kriminalautor in einer Traditionslinie mit amerikanischen Noir-Autoren wie Raymond Chandler oder Dashiell Hammett und auch mit Georges Simenons Maigret-Romanen ansiedeln könnte, hat einen nachhaltigen Einfluss auf die heutigen Genregrössen ausgeübt, unter denen der bekannteste Name sicherlich Ian Rankin ist (Sein Laidlaw heisst John Rebus).

Vor etwa zwei Jahren begann in England die Renaissance des ‘verschollenen’ Autors (Hierzu gab es einen hervorragenden Artikel im Guardian), viele seiner Werke wurden wieder neu aufgelegt. Obschon die Laidlaw-Trilogie die einzige Kriminalliteratur aus seiner Feder ist, er sich ansonsten expliziter sozialen und historischen Themen gewidmet hat, sind es diese drei Bücher, die am meisten Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Es ist gerade die Kombination von kriminologischer Spannung und sozialen Thematiken, die “Laidlaw” auch heute noch zu einer hervorragenden Lektüre macht. Das soziale Panorama, das McIlvanney vom schmutzigen, von Armut, Gewalt und Korruption gebeutelten Glasgow der Siebzigerjahre zeichnet, ist nicht nur adäquate Kulisse für den Kriminalfall, sondern auch ein eindrückliches historisches Zeugnis.

Teil 2 und 3 der Trilogie, “Die Veitch-Papiere” und “Falsche Treue”, werden im Frühjahr bzw. Herbst 2015 im Antje Kunstmann Verlag erscheinen.

McIlvanney, William. Laidlaw. Kriminalroman. Aus dem Englischen von Conny Lösch. München: Antje Kunstmann 2014. (1977). 304 S., gebunden m. Schutzumschlag. 978-3-88897-967-5


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