448 Seiten | Piper (2012) | Broschur | Original Titel: White Horse | Reihe: #1 White Horse
White Horse ist so ein Buch, bei dem ich nur mal eben kurz reinlesen wollte und dann auf einmal schon die ersten hundert Seiten vorbei waren. Man taucht unheimlich schnell ein, in diese von Krieg und einem Virus fast völlig zerstörte Welt. Eben jenes Virus, welches White Horse genannt wird und weit über 90 Prozent der Weltbevölkerung in rasantem Tempo ausgelöscht hat. Es gibt nur noch die Toten, die Infizierten und die ganz wenigen Menschen, die augenscheinlich immun sind.
Die kluge und vor allem sehr schlagfertige Protagonistin Zoe, die ihr Geld als Putzfrau in einem Pharmakonzern verdient hat war mir sofort sympathisch und man belgeitet sie gerne auf ihrer Reise nach Griechenland, auch wenn man sehr lange nicht genau erfährt, was Zoe dort eigentlich will.
Die Geschichte wird auf zwei unterschiedlichen Zeitebenen erzählt, bei denen man jedoch schnell merkt, dass diese nicht so zusammenhanglos sind wie es zunächst erscheinen. Man erfährt mehr über Zoe, ihr schwieriges Leben vor dem Virus und wird genauso wie sie in Aufruhr versetzt als jemand in ihre Wohnung einbricht. Nur nimmt dieser jemand nichts mit, sondern lässt etwas zurück. Etwas, das Zoe bis in ihre Träume verfolgt und schließlich in die Hand eines Psychiaters bringt.
Dann folgt immer wieder ein Sprung in die jetzige Zeit und Zoe lernt auf ihrer Reise eine Menge Personen kennen, die Zoe begleiten, aufmuntern, trösten, zur Verzweiflung bringen oder einfach nur an ihrem Ziel hindern wollen. Doch Zoe lässt sich nicht aufhalten. Sie weiß was sie will und sie glaubt zu ahnen, wo sie es finden kann.
Auch wenn es auf den ersten Blick so erscheinen mag, ist White Horse keinesfalls eine dieser unzähligen Dystopien bzw. Post-Apokalypse Romanen, wie es sie derzeit im Übermaß auf dem Buchmarkt gibt. Auch ist dieses Buch kein Jugendbuch! Die Story ist so breit gefächert, das fast alle Genre irgendwann mitspielen und am Ende trotzdem eine äußerst glaubwürdige, mitreißende aber auch erschreckende Geschichte entstanden ist.
Ein wenig Fantasy, ein bisschen Mythologie, viel Post-Apokalypse, viel Thriller und eine gesunde Portion Liebesgeschichte sind die tragenden Säulen dieses Debutromans von Alex Adams, die einen wirklich markanten Schreibstil und zudem genau das richtige Gefühl für Timing hat.
Das Buch wird deprimierend, traurig, macht nachdenklich und wütend, verbreitet aber auch Hoffnung und weißt an genau den richtigen Stellen herrlich bissigen Humor auf, was einem die Protagonistin Zoe nur noch sympathischer macht.
Ihr Überlebenswille macht dieses Buch aus und das obwohl um sie herum nur noch Tod und Trauer herrschen. Man bekommt das Gefühl, dass sie alleine der Hoffnungsschimmer sein könnte, der dieser Welt abhandengekommen ist.
Sprachlich verbirgt dieses Buch viele Schätze und hebt sich auch dadurch deutlich von anderen Endzeitromanen ab. Es sind Kleinigkeiten, die sich in ganz einfachen Sätzen verbergen, welche auf den ersten Blick vielleicht sogar komisch oder sarkastisch erscheinen mögen, aber ihre Wirkung dennoch nicht verfehlen. Z.B.: „Tja, Gott. Der Typ. Hat sich bei der letzten großen Party der Menschheit nicht blicken lassen“ S. 30 sowie „Ich könnte lügen und Nein sagen oder ich könnte lügen und Ja sagen. Also wähle ich den feigen Mittelweg. Die Wahrheit“ S. 42
Warum die Autorin Personen teilweise nur auf ihre Nationalität beschränkt hat (die Engländerin, der Schweizer, der Russe etc.) hat sich mir nicht ganz erschlossen. Vielleicht, weil man seine verbliebenen Mitmenschen nur noch oberflächlich betrachtet? Oder wollte sie so die Nationen tatsächlich gegeneinander “aufhetzen”? Schlussendlich war dies allerdings auch nur nebensächlich.
Das Buch ist in sich geschlossen, weshalb man es auch so stehen lassen könnte. Doch ich und wohl so ziemlich jeder, der Zoe kennenlernen durfte wird sich bereits jetzt auf ein Wiedersehen mit ihr im Folgeband freuen.
Sobald du losfährst, kannst du das Gleis erst wieder wechseln, wenn du dein Ziel erreicht hast. Oder der Zug entgleist.
★★★★★