Rezension: Wer ist Edward Moon? - Sarah Crossan

Von Niwa

© Mixtvision Verlag

Wer ist Edward Moon?| Sarah Crossan |

Verlag: Mixtvision Verlag 2019

Seiten: 357 ISBN: 9783958541405

MEINE BEWERTUNG 

-Berührende Besuche im TodestraktZehn Jahre ist es her, dass Joe seinen Bruder gesehen hat. Denn Ed sitzt in der Todeszelle. Jetzt steht das Hinrichtungsdatum fest, und Joe weiß, dass er während dieser letzten Wochen seinem Bruder zur Seite stehen muss. Nun ist es nicht mehr wichtig, was andere Menschen denken.

Mit "Wer ist Edward Moon?" hat sich Sarah Crossan meiner Meinung nach selbst übertroffen. Die Autorin ist auf gesellschaftskritische Themen spezialisiert, und bereitet sie für den jugendlichen Leser auf. In diesem Werk diskutiert sie die moralische Bedenklichkeit der Todesstrafe mit ausgeprägtem Feingefühl und Einfühlungsvermögen, sodass das Thema nach dem Zuklappen des Buches weiter hallt.

Joe ist ein Jugendlicher, der es schwer im Leben hat. Er macht sich auf den Weg nach Texas, weil er seinem Bruder Ed beistehen will. Ed sitzt im Todestrakt, weil er - damals selbst ein Jugendlicher - jemanden ermordet hat.

Durch die Geschwister Joe und Ed bekommt die klinische, saubere, Betrachtung der Todesstrafe Flecken ab. Sarah Crossan leg Fakten auf den Tisch, und sie gibt den Häftlingen und ihren Familien ein Gesicht. 

Protagonist Joe kommt in Texas an. Nachdem er selbst kaum über Wasser bleibt, hat er sich geschworen, Ed zur Seite zu stehen. Ed war der Held seiner Kindheit, sein großer Bruder, bis dieser vor zehn Jahren verschwunden ist. Als er zuletzt in sein Leben kam, wurde er sofort verbannt: Denn Ed sitzt als Mörder im Todestrakt, woran die ganze Familie zu nagen hat. 

Mit exzellenten Feingefühl arbeitet Sarah Crossan die schwierigen Hintergründe der Familie der Geschwister auf. Sie beleuchtet, aus welchen Verhältnissen die Jungen kommen, anhand von Rückblenden erfährt man, wie sie aufgewachsen sind, und sie zeigt, warum es Ed fortgetrieben hat. 

Mittlerweile sind Jahre vergangen und Joe ist in der Gegenwart gefangen. Tapfer schlägt er sich in Texas durch, schaut gleichzeitig den Tatsachen und seinem Bruder ins Gesicht. Dabei realisiert er die Ereignisse der letzten Jahre, die Scham, von Ed zu erzählen, die Furcht, dass der Held seiner Kindheit zu einem Mord fähig ist, und er fragt sich, ob er es tatsächlich gewesen ist. 

Sensibel geht Sarah Crossan unter anderem auf soziale Stigmatisierung ein. Ed sitzt in der Todeszelle, und hat damit seine ganze Familie an den Rand der Gesellschaft manövriert. Dennoch ist er der Mensch, der Joe zum Lachen brachte, auf ihn aufgepasst und sich um ihn gekümmert hat. 

Obwohl dieses Werk eindeutig ein Plädoyer gegen die Todesstrafe ist, überlässt es die Autorin dem Leser selbst, sich eine Meinung zu bilden. Denn trotz aller familiären Gefühle ist ein Mord geschehen, ein Leben wurde ausgelöscht, und die Frage nach der gerechten Strafe wurde vom Bundesstaat Texas beantwortet. 

Hierbei prangert die Autorin soziale Unterschiede, Status und das amerikanische Rechtssystem an. Sie zeigt einen kleinen Einblick in das verworrene System, und geht dabei auf die Urteilskraft von Richtern, Geschworenen und Gouverneuren ein. 

Mich hat dieses Buch sehr berührt. Zu Beginn war ich zwiegespalten, als Joe in Texas angekommen ist. Was erwartet ihn? Wie stellt er sich der Situation? Und wann gibt er die Hoffnung und damit den Bruder auf? Doch als Joe immer weiter seine Emotionen und Erinnerungen zulässt, taucht man völlig in die Komplexität ihrer Beziehung und der Thematik ein. 

Meiner Meinung nach ist „Wer ist Edward Moon?“ ein aufwühlendes und fraglos empfehlenswertes Buch für junge Menschen genauso wie für Ältere, die imstande sind, sich gemeinsam mit Joe auf den schmerzlichen Besuch im Todestrakt einzulassen.

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Ich bedanke mich beim Verlag für das Lese-Exemplar.

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