Wie schön er ist.
Elena ist glücklich mit Rico. Rico ist glücklich mit Elena. Alles könnte so schön sein, wenn nicht dieser Tag käme, an dem Rico nach einem schweren Autounfall ins Koma fällt. Tag für Tag versucht Elena Rico zu beweisen, wofür es sich lohnt wieder aufzuwachen. Tag für Tag besucht sie ihn, in der Hoffnung, dass er wieder aufwacht, geht nicht zur Schule und vernachlässigt ihr eigenes Leben. Bis sie auf Ricos Computer eine Top Ten Liste der Dinge findet, die er gemacht haben will, bevor er "den Löffel abgibt". Und so fasst Elena den Entschluss, Ricos Liste abzuarbeiten und ihm jeden Tag von ihren Erfahrungen zu erzählen. Helfen lässt sie sich dabei von dem Krankenpfleger Tim, der nicht unbedingt die Höflichkeitsklischees erfüllt, ihr durch seine Ehrlichkeit aber neuen Mut gibt, für ihre Liebe und um Rico zu kämpfen.
Was Franziska Moll uns lesen lässt, ist ein kleines gedrucktes Wunder, denn sie steckt die Welt in ein einziges Wort - und ich kann mir beim besten Willen nicht erklären, wie sie das schafft. Dabei ist das Spektrum an Facetten so breitgefächert, dass man in diesem Buch jede Emotion finden und vor allen Dingen empfinden kann. Vom schroffen Ton bis zum ruppigen Schock über gefühlvolle Trauer und Tränen bis hin zu wohliger Wärme und bunten Erinnerungen - jedes Wort ist sein eigenes Universum und drückt so viel Ehrlichkeit und Empfindung aus, das man sich diesem Schreibstil zu keiner Sekunde entziehen kann. Vielleicht ist es gerade diese mitreißende Mischung aus schroffer Ehrlichkeit und farbenfroher Poesie, die "Was ich dich träumen lasse" so einfühlsam und intensiv macht, jedenfalls ist dieses Buch derart glaubwürdig und faszinierend geschrieben, dass ich nur hoffen kann, das Moll ein weiteres Buch schreibt.
Dieses Buch hat mich lange Zeit nicht zum Weinen gebracht. Ein eher schlechtes Argument das Buch zu lesen, könnte man nun denken, wenn man emotional berührt werden möchte. Plot und Schreibstil laden schließlich gerade dazu ein, Taschentücher bereit zu halten und ich hatte mich fest darauf vorbereitet, auf jeden Fall weinen zu müssen - aber nichts. Seite um Seite verging mit den schlimmsten aller Emotionen, die mir seitenlang das Herz zusammengedrückt und einen riesigen Kloß im Hals beschert haben, aber keine Tränen. Talentlos, möchte man jetzt sagen. Schlecht umgesetzt, könnte man denken. Aber nein, all das ist es nicht. Viel mehr ist mir dieses Buch so nahe gegangen, so ans Herz gewachsen, dass ich mich lange Zeit wie die Protagonistin Elena gefühlt habe - und die konnte ebenfalls bis zum Ende nicht weinen. Jeder Gedanke, jedes Gefühl, jede Lage habe ich nachempfinden können, ja, ich war Elena und habe Rico verloren, jede Seite ein bisschen mehr bis irgendwann alle Dämme gebrochen sind - und ich sogar an dem schlimmsten Ort weinen musste, an dem man nur weinen kann: in einem vollen Zug!
"Was ich dich träumen lasse" ist eines jener Bücher, die einen wachrütteln, wenn man müde ist, schockieren, wenn man nüchtern ist und zum Lachen bringen, wenn man es am wenigsten erwartet. Es ist ein Buch mit doppelten Böden und diesem ganz besonderen Zauber, der sich Ehrlichkeit nennt und immer wirkt. Mit einer unglaubliche Intensität und einer fast nicht auszuhaltenden Authentizität hat "Was ich dich träumen lasse" mich berührt. Da, wo mich sonst nur bestimmte Lieder treffen, hat diese bestimmte Wehmut hervorgeholt, die sich gerne mal in den Alltag schleicht. So viel steckt in diesem dünnen Büchlein, das man meinen könnte, es müsste auseinanderfallen, ja, platzen, aber Moll versteht es, jedes Gefühl an die richtige Stelle zu setzen, jeden Gedanken im richtigen Moment einzubauen. Teilweise ist das Buch eine Ansammlung an austauschbaren Fragmenten, spielt mal in der Realität, mal in der Gegenwart und ist dabei mehr, als man denken könnte. Nicht nur jedes Wort, auch jede Figur ist eine Welt in sich, erzählt eine Geschichte.
Denn auch wenn man es denken könnte, es gibt mehr in diesem Buch als Rico, der im Koma liegt. Viel mehr geht es auch um Elena, die bis dato kein leichtes Leben geführt hat und einen eher schroffen und abweisenden Charakter hat. Ihre Einstellung kommt nicht von irgendwo, sondern ist tief in ihrer Vergangenheit verankert, die sie im Laufe des Buches aufarbeitet und die kaum explizit genannt wird, aber doch immer so, dass man sich denken kann, was sie alles durchgemacht hat. Im Gegensatz dazu ist Rico eine Frohnatur, ein Sonnenschein, der immer und überall das Gute sehen kann. Der krasse Gegensatz, der beide gleichzeitig trennt und verbindet war eines der Dinge, die mir besonders gut gefallen haben. Ebendieser wirkte so authentisch, weil sich die Liebe nicht aussucht, wo sie hinfällt und die merkwürdigsten Paare bilden kann. So stechen auch die Nebenfiguren stark heraus, gerade das Mutter-Tochter-Verhältnis zwischen Elena und ihrer Mutter spielt eine tragende Rolle und war zeitweise besonders schockierend. Aber auch jede andere Figurenkonstellation wirkt
ehrlich und wichtig, als würde sie die Welt in sich tragen.
Das Buch lässt sich schwer in Worte fassen. Man muss es selbst lesen, es selbst erfahren und erleben. Selbst Elena werden und dieses Buch in sich aufsaugen. Selten habe ich etwas so gefühlvolles, ehrliches, trauriges und gleichzeitig herzerwärmendes gelesen, dass derart unter die Haut geht, sich mit Widerhaken ins Herz drängt und nicht mehr wieder heraus will. Selten habe ich so gehofft, während ich doch so sehr wusste, wie es ausgehen muss und selten habe ich mich so gefreut, endlich weinen zu können. An manchen Stellen hätte ich mir zwar fast gewünscht, dass Buch wäre noch ein wenig länger, um all die verschiedenen Beziehungen noch näher beleuchtet zu bekommen, aber letztendlich ist es doch genau diese Offenheit am Ende des Buches, die es so unter anderem so besonders macht. "Was ich dich träumen lasse" ist ein eigenes Universum und ich liebe es. Es vereint so viele Emotionen und Themen, in denen man sich verlieren kann und zeigt nicht nur die Schnelligkeit und Härte, sondern auch die Sonnenseite des Lebens.
Ich kann nicht mehr aufhören "Still" von Jupiter Jones zu hören, obwohl ich das Lied nie sonderlich mochte. Jetzt ist es der Soundtrack zu einem herzergreifenden Buch geworden, in dem Franziska Moll uns nicht nur träumen, sondern auch trauern, hoffen und glauben lässt. Eine Geschichte wie ein Wunder, aus dem Leben gegriffen und so ehrlich und wunderschön, dass man sich nicht mehr von ihr lösen kann. So ist nicht nur der Schreibstil ein eigenes Universum von schroffer Poesie, sondern auch die Geschichte mit ihren vielschichtigen Figuren, die allesamt eine Geschichte erzählen und unter die Haut gehen. Ich weiß nichts schlechtes über dieses Buch zu sagen, würde es fast gerne noch einmal lesen, um alles aufzuholen, was ich verpasst haben könnte. Unbedingt lesen!
"So laut, die Stunden nach dem Aufschlag als es galt,
dass alles, zu erfassen und verstehen und es war,
so laut, dass alles was wir dachten nichts als Leere zu uns brachte,
so laut und so verloren war es hier,
als Stille bei uns wohnte anstatt Dir." [Still - Jupiter Jones]
Franziska Moll lebt mit ihren Zwillingsmädchen in einem kleinen idyllischen Dorf in der Nähe von Köln. Nachdem sie schon mit drogenabhängigen Jugendlichen gearbeitet hatte, entdeckte sie das Schreiben für sich, lernte an der Internationalen Filmschule alles, was sie für ein gutes Drehbuch wissen musste und entwickelte Sitcoms und Filmideen. Doch erst, als sie sich entschloss, nur noch Romane zu verfassen, hatte sie endlich ihren absoluten Traumberuf gefunden. Eigene Verluste inspirierten sie zu Was ich dich träumen lasse und bestärktem sie in der Hoffnung, dass aus jedem Schicksalsschlag auch etwas Gutes entstehen kann. [via Loewe]
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