„Smeik blickte mich verständnisheischend an: >Das Problem ist: Um Geld zu verdienen – viel Geld! - , brauchen wir keine grandiose, makellose Literatur. Was wir brauchen, ist Mittelmaß. Ramsch, Schrott, Massenware. Mehr und immer mehr. Immer dickere, nichtssagendere Bücher. Was zählt ist das verkaufte Papier. Und nicht die Worte, die darauf stehen.<“ (Seite 367)
Hildegard von Mythennetz, ein junger und noch jungfräulicher Dichter der Lindwurmfeste, macht sich nach dem Tod seines Dichtpatens auf den Weg nach Buchhaim. Denn dort soll er den letzten Wunsch seinen Patens Danzelot von Silbendrechsler erfüllen: Er soll den Dichter des perfekten Stücks Literatur ausfindig machen. Gefahren inklusive! Und so begibt sich der junge Lindwurmfestebewohner auf ein spannendes Abenteuer inmitten von träumenden, lebenden und auch kämpfenden Büchern.
Selten habe ich eine solche Hommage an die Liebe zum Lesen und Bücher gelesen. Alleine schon der Titel „Die Stadt der träumenden Bücher“ lässt erraten, dass es in diesem Buch vorrangig um eines geht: Literatur. Die Lindwurmfeste ist bekannt dafür, dass sie Schriftsteller und Dichter „produziert“, eigentlich machen die Bewohner nichts anderes. Sie werden sehr alt und schreiben dementsprechend im Normalfall sehr viel. Ausnahmen bestätigen die Regel und so hat Danzelot von Silbendrechsler das Schreiben aufgegeben, nachdem er das perfekte Manuskript eines unbekannten Schriftstellers las. Er war so erschüttert von der Schönheit und der Kraft des Textes, dass ihm sehr schnell klar war, dass er selbst so etwas wohl nie schreiben könnte. Solche Momente lieben wir Leser doch alle, man schlägt ein Buch auf, es nimmt einen völlig gefangen, es wird hysterisch gelacht, geweint und völlig mitgefühlt, sodass man gar nicht mitbekommt, wie die Zeit vergeht und man das Buch doch gerade erst aufgeschlagen hat.
Unglücklicherweise nimmt Hildegard in Buchhaim so gar niemand ernst und alle schicken ihn wutentbrannt von dannen. Bis Hildegard auf Smeik trifft. Er ist der Büchermogul Buchhaims und bestimmt über alle und jedes Buch, er bietet Hildegard an, das Manuskript zu lesen und ihm danach weitere Informationen zum Verfasser zu beschaffen. Der naive Hildegard lässt sich darauf ein und so nimmt das Abenteuer seinen Lauf.
Walter Moers beschreibt alles so detailliert und wunderbar plastisch, dass ich das Gefühl hatte, mitten dabei zu sein. Manchmal waren diese Beschreibungen zwar etwas langatmig, aber das hat mich nicht weiter gestört. Wie auch in seinen anderen Büchern finden sich Anagramme, Wortspiele und Anspielungen. Zum Beispiel ist einer der berühmten Dichter Zamoniens „Orca de Wils“ – Oscar Wilde oder „Ojahnn Golgo van Fontheweg“ ist schlicht und ergreifend Johann Wolfgang von Goethe. Es hat mir enorm viel Spaß bereitet die Zitate der Dichter zu lesen und bei sämtlichen zu knobeln, welches Anagramm sich dahinter verbirgt. Leider kam ich bei vielen nicht drauf, aber durch die Anagramme hab ich definitiv länger mit dem Buch zutun gehabt und nicht einfach über die Namen hinweg gelesen. Das fantastische Abenteuer ist mitreißen und mit viel Liebe zum Detail geschrieben. Die Charaktere sind alle einzigartig und kein einziger bleibt farblos im Hintergrund zurück. Der Held Hildegard trifft auf seiner Reise auf zahlreiche Kreaturen, die sofort begeistern. Die Illustrationen sind für mich wie immer ein besonderes Highlight der Bücher von Moers. Wunderbare Zeichnungen, die mir das Lesen versüßt haben und die eigene Fantasie nicht zu sehr beeinflusst haben, aber die Zyklopen einfach viel niedlicher erscheinen lassen haben, als ich sie mir zuerst vorstellte. Während des Lesens erlebt man sehr viel, man fiebert mit und hofft natürlich auf ein Happy End. Das Schöne ist, dass man immer in eine ganz andere Welt abtauchen kann und sich einfach mitreißen lässt. Ohne bemüht zu wirken, schafft es Walter Moers auch mit seinem vierten Roman über Zamonien mich wirklich mitzureißen.