[Rezension] Vergissdeinnicht

Von Lenabosblog @LenaBorg

Vergissdeinnicht

Erscheinungstermin: 16. März 2012

Autorin: Cat Clarke

Verlag: Bastei Lübbe

Preis: 12,99 € (broschiert), 9,99 € (eBook)

Seiten: 286

ISBN: 978-3-7857-6061-1

Originaltitel: Entangled (Paperback, eBook)

Leseprobe

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Meine Bewertung

Inhalt: Alles um sie herum ist weiß, als Grace plötzlich völlig orientierungslos in einem Raum aufwacht. Sie weiß zwar, wie sie an diesen Ort gelangt ist, das warum quält sie allerdings Tag für Tag. Noch gestern saß sie allein, betrunken und bereit, sich umzubringen, auf einer Schaukel im Park. Bis plötzlich ein Junge namens Ethan neben ihr saß, sich mit ihr unterhielt. Dann saß Grace bei Ethan im Auto und wacht im nächsten Moment in einem sterilen Zimmer auf. Die Ungewissheit, die Einsamkeit, vor allem aber Grace’ Vergangenheit nagen an den Nerven des Mädchens. Tag für Tag schreibt Grace die Erinnerungen an die vergangenen Monate auf und stößt dabei auf Momente, die sie am liebsten für immer vergessen würde.

Meine Meinung: Wie wahrscheinlich alle, die das Buch bereits gelesen haben, bin ich aufgrund des sehr außergewöhnlichen Covers auf das Buch aufmerksam geworden. Ein Buchtitel, der sich nur bei näherer Betrachtung lesen lässt, und dessen Buchstaben durch verschiedene Zeilen der Geschichte zusammengesetzt. Auch der Klappentext entsprach genau meinen Wünschen. ‘Vergissdeinnicht’ war für mich zwar völlig anders als erwartet, aber im Großen und Ganzen absolut gelungen.

‘Vergissdeinnicht’ wird durchgehend aus der Perspektive der Protagonistin erzählt. Genau genommen sind es sogar von Grace eigens verfasste Berichte, die einprägende Momente in ihrem Leben schildern. Für mich hatte dieser Stil bzw. diese Sichtweise sowohl Vor-, als auch Nachteile. Natürlich erhält man durch diesen Erzählstil einen tiefen Einblick in die Gefühle der Protagonistin. Manchmal habe ich mir jedoch gewünscht, Grace etwas weniger gut kennenzulernen.
Auch ich hatte anfangs große Schwierigkeiten mit der Protagonistin. Grace ist wohl eine junge Frau, mit der ich mich im wahren Leben eher nicht anfreunden wollen würde. Sie scheint zwar auf der einen Seite eine verlässliche Freundin zu sein, doch war mir ihr Verhalten und ihr Lebensstil sehr fremd bzw. entsprach nicht meinen Vorstellungen. Jedes Wochenende feiert Grace mit ihrer besten Freundin Sal eine Party nach der nächsten, Alkohol wird auch innerhalb der Woche en masse getrunken (wobei man hier auch erwähnen muss, dass Grace trotz allem ein richtiger Überflieger in der Schule ist!). Doch am schlimmsten empfand ich, dass Grace bis zu einem gewissen Zeitpunkt ihre Sexpartner so häufig wechselt, wie ihre Unterwäsche. Ok, Grace ist ein junges Mädchen, möchte sich sicherlich noch ausprobieren und vielleicht entspricht ein solches Verhalten sogar der Realität von Jugendlichen im 21. Jahrhundert. Ich fand es allerdings eher erschreckend, gerade wenn man bedenkt, dass eigentlich kein Tag vergeht, an dem Grace ihre Freundin Sal nicht dazu animiert und teilweise schon zwingt, ein ähnliches Leben zu führen. Da Grace wie schon erwähnt aber auch ihre positiven Eigenschaften hat und es für manches Verhalten sogar Gründe gibt, konnte ich mich im Laufe der Zeit doch noch mit der Protagonistin anfreunden und vor allem überaus stark mit ihr mitfühlen.

Leider empfand ich aber eine ganz andere Sache noch als weitaus störender; und das war der Schreibstil. Positiv ist einerseits, dass man als Leser das Gefühl erhält, die Autorin versuche tatsächlich sich in die Psyche und Eigenschaften eines Teenagers hineinzuversetzen und diese bestmöglich an den Leser heranzutragen. Die Sprache ist anfangs übertrieben umgangssprachlich, wirkt dadurch sehr oft holprig und war für mich beinahe schon anstrengend zu lesen. Natürlich weiß ich, dass sich die Sprache in Jugendbüchern von Erwachsenenromanen unterscheidet, was ich auch gut finde und an diesem Genre schätze. Und genauso klar ist, dass Jugendliche ihre eigene Sprache verwenden, nichts anderes habe ich in diesem Alter gemacht. Für mich besteht aber dennoch ein Unterschied zwischen gesprochenem und geschriebenem Wort. Wenn man bedenkt, dass Grace von der Autorin als eine sehr intelligente und clevere junge Frau dargestellt wird, die in ihrer Freizeit sogar selbst gern zu Stift und Papier greift und eigene Geschichten schreibt, kann ich mir einfach nicht vorstellen, dass Grace tatsächlich einen solchen Schreibstil verwenden würde.
Gott sei Dank legt sich dieser Schreibstil nach einigen Kapiteln und passt sich immer mehr dem positiven Wesen der Protagonistin an. Die Sprache orientiert sich immer weiter an der emotionalen Geschichtsentwicklung, wirkt an manchen Stellen sogar schon poetisch und ist damit absolut im Einklang mit der sehr sensiblen Geschichte.

Warum ich dem Buch diese Punktzahl gebe, obwohl ich anscheinend so viel daran auszusetzen habe? Die Protagonistin bzw. deren Verhalten und der Schreibstil sind nur zwei kleine Fische in einem sehr großen Teich. Vor allem, wenn man bedenkt, dass sich diese beiden Komponenten im Laufe der Handlung zum positiven entwickeln.
Ich kann es nicht besser ausdrücken, als dass ‘Vergissdeinnicht’ aufgrund seiner Geschichte und vielfältigen Themen, die die Autorin eingebracht hat, ein ganz besonderes Buch ist. Grace erzählt in ihren Einträgen über so unterschiedliche Erfahrungen, die zum Lachen bringen können, die Tränen in die Augen treiben, die das Gefühl geben, als sei einem gerade das Herz herausgerissen worden. Der Leser erlebt mit Grace Momente der Freundschaft, der Liebe, des Zweifels, des Verlusts (in vielerlei Hinsicht), der Freude am  Leben, aber auch dem Wunsch nach dem eigenen Tod. Und obwohl die Geschichte ab einem gewissen Punkt für manche Leser vorhersehbar sein mag, so verliert die Handlung trotzdem nie an ihrem intensiven Ausmaß.

Fazit: Es ist schwer ein Buch zu besprechen, wenn man einerseits die große Dramatik und Emotionalität der Geschichte einfangen, andererseits aber nicht zu viel über den Charme des Buchs und der Botschaft der Autorin preisgeben möchte. Ich denke, ich verrate nicht zu viel, wenn ich sage, dass der Leser mit ‘Vergissdeinnicht’ ein sehr tragisches und sensibles Jugendbuch in den Händen hält, was von Seite zu Seite mehr überzeugt und einen aufgrund der Geschichte, seiner Intensität, absolut gefangen nimmt. Da schaut man auch gern über den anfänglich gewöhnungsbedürftigen Schreibstil hinweg.

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