Rezension – Ursula Poznanski: Die Verratenen

Und manchmal stoßen äußere Ereignisse das Innere so heftig an, dass es den Halt verliert. (S. 107)

Rezension – Ursula Poznanski: Die Verratenen

Leseprobe

Inhaltsangabe:

Ria führt ein wohlbehütetes Leben in den Sphären. Als einer der besten ihrer Akademie steht ihr eine erfolgreiche Zukunft im Sphärenbund bevor. Ihr Talent, in menschlichen Gedanken und Gefühlen wie in einem offen Buch lesen zu können, soll im Austausch mit den Prims, den Menschen außerhalb der Sphären zum Einsatz kommen.

Doch alles kommt anders: Zufällig belauscht Ria ein Gespräch, in dem sie und fünf weitere Studenten des Verrats bezichtigt werden. Sie sollen eliminiert werden. Als sie dann mit den anderen Studenten kurze Zeit später zu einem Treffen mit dem Präsidenten eingeladen werden, beginnt für die Sechs ein Wettlauf ums Überleben, denn nicht nur das Exekutierungskommando des Sphärenbundes ist hinter ihnen her, sondern in der Wildnis sind sie auch noch den gefährlichen Primclans ausgesetzt.

Bewertung:

Zu Beginn erinnert diese Dystopie doch sehr an “Delirium”, wovon sich der Roman im Verlauf weitesgehend distanzieren kann. Es beginnt ein spannendes Abenteuer, was erst so richtig Fahrt aufnimmt, wenn die Beschuldigten die Wildnis betreten. Die Welt in den Sphären ist bizarr, abstoßend und vor allem emotionslos. Alles ist auf Bildung, Leistung und Nutzen für den Sphärenbund ausgelegt. Die Individualität des Einzelnen rückt in den Hintergrund, ist sogar unerwünscht, sofern damit eine Gefühlsregung einhergeht.

Die Welt, in der Ria aufwächst, ist eine zweigeteilte Welt. Nach einem noch nicht weiter erläuterten Ausbruch, konnten sich einige Erdenbewohner in Kuppelstädten, den Sphären zurückziehen. Sie sind nicht der andauernden Kälte in der Wildnis ausgesetzt. Sie führen ein behütetes, warmes und sorgloses Leben, währenddessen die Menschen außerhalb der Sphären frieren und an Hunger leiden. Sie kämpfen täglich mit dem Überleben. Nachvollziehbar ist, dass diese Ungleichheit immer wieder zu Konflikten führt. Rias Ziel soll es in Zukunft sein, diese Konflikte beizulegen. Dafür arbeitet sie tagtäglich viele Stunden. Neben der vielen Arbeit ist die Welt in den Sphären aber auch noch durch die ständige Kontrolle bestimmt. Jeder Sphärenbewohner trägt einen Salvator, der den Gesundheitszustand überprüft, das Essen bestimmt und den Tagesablauf plant.

Der Leser kann sich dieser skurrilen Welt nicht entziehen, gebannt versucht man sich in solch ein Leben hineinzuversetzen. Mir ist es schwerlich gelungen, denn gerade die Gefühlskälte ist doch sehr befremdlich. So richtig spannend wird der Roman aber erst, wenn die Gruppen auf die Prims treffen. Erst dann wird der eklatante Unterschied zwischen dem heranwachsen innerhalb und außerhalb der Sphären deutlich. Der Leser stellt fest, dass beide Seiten mit Vorurteilen verhaftet sind. Sie sehen nicht das Individuum vor sich, sondern den Feind, dem man nicht trauen kann. Auch nachdem sie sich besser kennengelernt haben, können die Menschen ihre Vorurteile nicht ablegen. Diese Unbeweglichkeit im Denken ist für mich das zentrale Thema des Romans. Man ist auf der einen Seite schockiert, auf der anderen Seite wieder nicht, denn oft genug ist man im eigenen Leben solchen Situationen ausgesetzt gewesen. Und so richtet für mich der Roman einen unausgesprochenen Appell an jeden Leser, sein eigenes Denken zu überdenken.

Interessant finde ich außerdem, wie geschickt Poznanski die heutige Welt aus der Sicht der Sphärenbewohner des 22. Jahrhunderts darstellt. Fern von jeder natürlichen Umgebung aufgewachsen, kennen sie keinen Regen, keine Sonne, wissen nicht, wie sie sich auf der Haut anfühlt. Erstmals mit für sie primitiven Mitteln entdecken sie ein natürliches Leben. Bei all dem Ideenreichtum, treten für mich leider die Figuren in den Hintergrund. Bis auf Tycho, den ich ins Herz geschlosen habe, erscheinen mir die Figuren allesamt zu undefiniert und zu glatt, da bildet Ria keine Ausnahme.

Schade finde ich es außerdem, dass viele Dinge im Unklaren bleiben: Was genau ist der Erde zugestoßen? Wer hat die Studenten verraten? Was ist mit Jordans Chronik gemeint? Das Ende des Romans kommt plötzlich und schnell und bietet nur wenig Überraschendes, keine Aufklärung, nur die Ungewissheit bleibt und der Verdacht, dass genau dies gewollt wurde, damit der zweite Teil gelesen wird. Etwas mehr Futter für den Leser hätte ich mir am Ende dann doch gewünscht, eben nicht nur offene Fragen.

Fazit:

Ursula Poznanski ist alles in allem ein guter Einstieg in eine Reihe gelungen. Die zugrunde liegende Idee ist zwar nicht ganz neu, wurde aber auf interessante Weise weiterentwickelt und gewinnt durch das zentrale Thema des unbeweglichen Denkens sehr an Gehalt. Zu hoffen bleibt, dass im zweiten Teil einige Fragen geklärt werden und dass die Figuren etwas mehr an Form gewinnen.

Daten:

Ursula Poznanski: Die Verratenen
Verlag: Loewe Verlag
ISBN: 978-3785575468
Seitenzahl: 461Erscheinungsdatum: Oktober 2012
Originaltitel


Bewertung:

Rezension – Ursula Poznanski: Die Verratenen

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Zusatzinformationen

Autorin:

 Ursula PoznanskiUrsula Poznanski, geboren in Wien, studierte sich einmal quer durch das Angebot der dortigen Universität, bevor sie als Medizinjournalistin dem Ernst des Lebens stellte. Nach der Geburt ihres Sohnes begann sie Kinderbücher zu schreiben. Aufgrund des Erfolges ihres ersten Jugendbuchs „Erebos”, das in mehr als 26 Sprachen übersetzt und u. a. den Deutschen Jugendliteraturpreis (Jugendjury) gewann, wagte sie den Sprung ins hauptberufliche Autorenleben.

Weitere Informationen zur Autorin finden sich hier.

Buchtrailer:

Weitere Romane:

Saeculum  Erebos

Quellenangaben:

Cover und Leseprobe – Loewe-Verlag,  Autorenbild – Doris Bretterbauer


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