[Rezension] Und dennoch ist es Liebe (Jodi Picoult)

Jodi Picoult: Und dennoch ist es Liebe 
[Rezension] Und dennoch ist es Liebe (Jodi Picoult)

Sie, Jodi Picoult, beherrscht die Klaviatur der großen Gefühle unnachahmlich gut. Würde dieses Buch musikalisch vertont werden, käme es einem Rondo gleich. Denn emotional hochwertige Motive geben sich sozusagen wiederkehrend die Klinke in die Hand.

Eine Familiengeschichte, welche die Facetten des Miteinanders in jeglicher Schattierung ausleuchtet, wobei die dunklen Ecken besonders düster scheinen. Anderseits schüren jene Abgründe einen außergewöhnlichen Kampfgeist, dessen Färbung beispielhaft wirkt.


~ Rezension ~

Wenn deine Vergangenheit deine Zukunft zu zerstören droht.

Als sie fünf Jahre alt ist, wird Paige von ihrer Mutter verlassen. Mit achtzehn Jahren bricht ihr Herz entzwei. Acht Jahre später steht die junge Frau erneut vor den Trümmern ihrer familiären Existenz. Wie viel Leid kann sie ertragen, bevor sie endgültig zusammenbricht? 

Viele beneiden Paige um ihren erfolgreichen Ehemann Nicholas, ihr niedliches Baby und ihr eigenes Talent, tiefe Emotionen in ihren eigenen Zeichnungen einzufangen. Doch Paige selbst fühlt sich weder ihrer Mutterrolle noch den Anforderungen an eine Arztgattin gewachsen. Immer häufiger wird sie vom Gedanken getrieben, ihre eigene Mutter endlich finden zu müssen. Denn nur dann, so glaubt sie, könne sie selbst die fehlende innere Balance finden. Allerdings müsste sie dafür die Liebe ihres Lebens und ihren kleinen Sohn zurücklassen. Ist dieser Preis nicht zu hoch?
In Und dennoch ist es Liebegreift Jodi Picoulteine hohe Emotionalität auf. Vertrauen, das verloren gegangen ist, Zerrissenheit, die zu schmerzhaft scheint, Absolution, die hart erkämpft werden muss – mit der gewohnten Empathie und dem nötigen Auge für Scharfsinn ist jener Roman ausstaffiert.
Mit Paige charakterisiert Jodi Picoult eine Protagonistin, deren Leben einer wahren Achterbahnfahrt gleicht: von der Mutter ohne Abschied zurückgelassen, aufgefangen von der großen Liebe, heimgesucht von postnatalen Depressionen.Wie sehr die Vergangenheit unser Sein oder eben Nichtsein in der Gegenwart und Zukunft prägt, zeigt die Autorin mit großer Präzision. Nur wer mit sich selbst im Reinen ist, kann letzten Endes seinen Platz in dieser Welt finden.
Aufgrund der wechselnden Erzählperspektive zwischen Paige und Nicholas wird dem Leser ein umfassender, profunder Einblick in das sich zusammenbrauende Gefühlschaos gegeben. Hierbei beeindruckte mich insbesondere die kraftvolle Präsenz jener inneren Konflikte.
Über Recht oder Unrecht kann wohl kaum geurteilt werden. Vielmehr lässt sich vielleicht in Ansätzen über ein Was-wäre-wenn-Szenario grübeln. Einen Fingerzeig, den die Autorin mit detailreicher und unerschütterlicher Gabe des Geschichtenerzählens gibt.
Der Spannungsbogen der Handlung wird stringent aufgebaut und beibehalten. Kleine Hoffnungsschimmer, bittersüße Erkenntnisse und aufbrausende Entschlossenheit wechseln sich im Takt der Kapitel ab und überlassen den finalen Abschluss der Vorstellung der Leser.
Vertrauen und Verrat, Einfühlungsvermögen und Selbstaufgabe, immerwährende Liebe und brodelnder Zorn – sie liegen oftmals nur einen Herzschlag voneinander entfernt. Die Außergewöhnlichkeit einer Eltern-Kind-Beziehung wird in ähnlich prägnanten Zügen dargestellt wie der Weg zur Selbstfindung. Ein Roman voller Aussagekraft.
F★ZIT: Gefühlsbetont. Unaufhaltsam. Nachklingend.
P.S.: Als winziger Schönheitsfehler sei die Schreibung des Namens der Protagonistin im Klappentext erwähnt. Denn sie heißt Paige, nicht Page.

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