[Rezension] Über ein Mädchen (Joanne Horniman)

Von Creativityfirst
Joanne Horniman: Über ein Mädchen 

Kürzlich veröffentlichte der Carlsen Verlag mit dem Jugendbuch aus der Feder der australischen Autorin Joanne Horniman ein Werk, das in Ketten legt und gleichzeitig selbige zu sprengen weiß.
In Zeiten, in welchen unsere moderne Gesellschaft vielerorts nicht mehr, andernorts bedauerlicherweise noch immer mit der Verbindung zwischen Partnern gleichen Geschlechts hadert, wendet sich die Autorin auf eingängige Weise dem Seelenleben ebenjener Liebenden zu.
Besten Dank für das Rezensionsexemplar an den Verlag, der es mir auf diesem Wege möglich machte, eine vielschichtige Achterbahn der Gefühle erleben zu dürfen!
                                                                                                                                  [Bildquelle: Carlsen Verlag]


~ Rezension ~

Wir sind, wer wir sind, nur dann, wenn wir sein können, wie wir wirklich sind!

Seit einer ersten unscheinbaren Begegnung auf einem Konzert ist Anna dem Charme, den Flynn - ohne es augenscheinlich zu wissen - versprüht, erlegen. Doch ihre lodernde Bewunderung traut sie sich nicht offen zu zeigen. Auch nicht, als die beiden wenig später Freunde werden. Für Anna bedeutet dies pure Glückseligkeit und stechende Tortour zugleich, weiß sie schließlich nicht, ob und wie Flynn ihre Gefühle früher oder später erwidern wird. Gerade als sich eine zarte Bande der Vertrautheit und eine wohlige Nähe zwischen den beiden zu entwickeln scheint, zieht sich Flynn zurück und bittet um Abstand. Ein Wunsch, der Anna an die dunkelste Zeit ihrer Vergangenheit erinnert und unabsehbare Folgen in sich birgt.

Joanne Hornimans Über ein Mädchen ist die unglaublich sensible Geschichte einer zerbrechlichen Liebe zwischen zwei Menschen und zu sich selbst, welche mittels intensiver Emotionalität zu rühren weiß.

Die reine inhaltliche Handlung ist im Grunde schnell auszumachen, doch der feinsinnige Touch breit gefächerter Gefühle verleiht dem Buch die markante Grundstimmung, deren Melancholie, Zerrissenheit und Weg der Selbstfindung bewegen. Wie greifbar die Autorin Traurigkeit, Sehnsucht und Verzweiflung in die Geschichte integriert, war für mich zweifelsohne einer der am meisten beeindruckenden Aspekte dieses Jugendbuches.

Anna und Flynn werden als Charaktere ausstaffiert, deren Lebensweg sowohl von zarter Poesie als auch von abgrundtiefer Angst gezeichnet ist. Joanne Horniman erweckt im Zusammenspiel der beiden Protagonistinnen eine magische Anziehungskraft gleichermaßen zum Leben wie die schneidende Furcht, der großen Ungewissheit ausgeliefert zu sein.

Dabei wird die Thematik des vermeintlichen Andersseins ebenso einfühlsam aufgegriffen, wie der Mut zum ehrlichen Eingeständnis hervorgehoben wird. Selbstzweifel und Verleugnung, Zorn und Ungerechtigkeiten bilden die dunklen Gegenpole zur strahlenden Leichtigkeit aus Offenbarung, Liebe und Güte.

Besonders glaubwürdig erschien mir durch das gesamte Werk hinweg der innere Kampf Annas. Sie verurteilte sich selbst zutiefst für ihre Zuneigung zu Mädchen. Sie geißelte sich und fiel in das düstere Loch der Depression. Andererseits verleiht ihr die Autorin die Rolle einer Botschafterin, die gelernt hat, sich selbst zu akzeptieren und das Gefühl der Liebe als Geschenk wertschätzen zu können.

Neben der emotionalen Tiefe fällt die bildhafte Sprache der Autorin auf, mithilfe derer Worte zu Plastiken werden, die Kunstwerken gleichen - experimentell und geradlinig zugleich.

Ein Buch, dem eine wichtige Botschaft zugrunde liegt, die Augen öffnet: "Lerne dich und dein Leben anzunehmen und zu lieben, dann erst kannst du ohne Einschränkung Geborgenheit, Liebe und Akzeptanz in gleicher Intensität weitergeben und empfangen!"

FZIT: Liebevoll. Tragisch. Menschlich.