Klappentext:Sie ist stark, sie ist schnell, und sie kann etwas, was sonst niemand kann: die Gedanken anderer auskundschaften. In einer Welt, in der Freiheit verachtet und Träume verboten sind, wächst die junge Paige zu einer Kämpferin heran. Doch dann wird sie erwischt und in eine geheime Stadt verschleppt, in der ein fremdes Volk herrscht, die Rephaim. Und wo sie Warden trifft, den jungen Rephait mit den goldenen Augen. Er ist das schönste und unheimlichste Wesen, das sie je gesehen hat. Seine Gedanken sind ihr ein Rätsel. Und ausgerechnet ihm soll Paige von nun an als Sklavin dienen…
Ein gehyptes Buch, welches mich dadurch natürlich abgeschreckt, mit dem interessanten Klappentext aber gleichermaßen wieder neugierig gemacht hat. Ich wusste genau: das könnte jetzt toll werden, aber es könnte genauso gut auch richtig daneben gehen.
Wer vielleicht genauso wie ich vorerst glaubte es handle sich hier um eine Dystopie mit fantastischen Ausschmückungen, den möchte ich vorerst entwarnen, oder vertrösten, wie auch immer man zu diesen negativen Utopien steht. In The Bone Season geht es zwar um ein London der Zukunft, doch hat die englische Hauptstadt im Buch eine ganz andere Geschichtsschreibung als diejenige, die wir kennen. Sie wurde geprägt von einer "Seher-Epedemie", die wahrscheinlich mit Edward Vll begann (es zeigen sich also eindeutig Parallelen zu unserer Geschichte) und hält bis zum heutigen Tage an. Selbstverständlich werden diese "Andersartigen" verfolgt, gefangen genommen, gefoltert und Schlimmeres ... wenn sie nicht zufällig durch den Londoner Untergrund geschützt werden.
Die 18jährige Protagonistin Paige ist eine dieser Glücklichen, doch muss sie dafür auch etliche Gefahren auf sich nehmen. Da sie zu der seltenen Seher-Kaste der Traumwandler zählt, kann sie in das Bewusstsein Anderer eintauchen und dieses beeinflussen, was von ihrem Gaunerboss Jaxon schamlos ausgenutzt wird. Wer mal Oliver Twist gelesen hat, erkennt hier eindeutig die Übereinstimmungen mit Londons Untergrund des 19. Jahrhunderts - was von der Autorin auch im Nachwort des Romans nochmal erwähnt wird. Ich musste jedenfalls oftmals an die Diebes- und Gaunerbanden denken, die sich damals durch die dreckige Hauptstadt schlugen und das alles verlieh diesem modernen und doch irgendwie altem London einen ganz besonderen Charme.
Ihr merkt es vielleicht schon, aber ich sage es hier nun offen: ich mochte The Bone Season sehr gern. Das hatte vielerlei Gründe. Erst einmal waren natürlich die Gaben der verschiedenen Seher bemerkenswert durchdacht und interessant aufgebaut. Zuerst dachte ich zwar noch, dass ich da niemals durchsteigen würde - schon auf der ersten Seite befand sich ja eine Auflistung aller Kasten... und das waren etliche - doch irgendwann hatte man den Bogen raus. Zweitens gab es natürlich auch sehr ausgereifte Charaktere, die von Paige angeführt wurden, einer starken Persönlichkeit, die sich im Laufe des Buches aber noch weiterentwickelte. Drittens nahm die Handlung eine Wendung, die ich nicht erwartet hatte und dem Titel des Romans endlich einen Sinn gab.
Einziger Kritikpunkt, der mich immer noch mit dem Kopf schütteln lässt, ist die Tatsache, dass es sich hier um eine Reihe handelt. Und ich spreche nicht von einer Trilogie, nein, die Autorin hat sieben Teile geplant und ich frage mich nun schon eine ganze Weile, wie sie die mit sinnvollem Inhalt füllen will. Vielleicht überrascht sie mit einer derartigen Wendung, dass die ganze Welt noch einmal auf den Kopf gestellt wird, aber bisher las sich das Buch so, als würden auch nette drei Teile reichen. Wir werden sehen...
Überraschend gutes Buch, welches mich mit neuen Ideen und ständiger Spannung blendend unterhalten hat. Auch wenn mir der Gedanke einer siebenteiligen Reihe nicht gefällt, war doch der erste Band als Einzelstück ein wahres Lesevergnügen. Ich freue mich auf mehr und entscheide dann, wie es für mich und Paige weitergehen wird.
Das deutsche Cover wurde vom Original übernommen und gefällt mir, rein ästhetisch, recht gut. Die Blume am oberen Rand hat auch etwas mit dem Inhalt des Romans zu tun - einen wesentlichen Teil sogar.