Thai-Küche war bisher eher ein weißer Fleck auf meiner Küchen-Landkarte. Nicht, weil ich sie nicht mögen würde. Ich habe mich einfach nicht so recht herangetraut. Ändern wollte ich das schon lange – und so kam dieser dicke Wälzer zur Thai-Küche gerade recht.
Die Entstehungsgeschichte des Buches ist faszinierend: Jean-Pierre Gabriel, ein Fotograf und Food-Autor, hat dafür 3 1/2 Jahre lang Thailand bereist. In jeder Region hat er die für sie typischen Rezepte zusammengetragen. Er war dazu nicht etwa in Restaurant, sondern er hat sich in den Haushalten der Menschen umgesehen. Die Rezepte sind folglich authentisch – gekocht wird wie in thailändischen Haushalten. Auf diese Art hat er 500 Rezepte gesammelt. Anschließend wurde die Gerichte von ihm und seinem Team nachgekocht und fotografiert.
Herausgekommen ist dabei zunächst einmal ein Buch, das sehr schön anzusehen ist: außen erfreut der grüne Leineneinband mit Golddruck, innen die herrlichen, großformatigen Fotos; sowohl den gekochten Gerichten, als auch von Landschaften, Menschen und Lebensmitteln. Wer allerdings zu jedem Gericht ein Foto sehen möchte, der wird nicht fündig. Das gibt es nicht – allerdings wäre das bei 500 Gerichten auch sehr viel verlangt. Das Layout ist übersichtlich: die Seiten sind zweispaltig; so passen in der Regel zwei Rezepte auf eine Seite. Was mich etwas stört, sind die Rezept-Überschriften. Die sind auf Deutsch und Thai. Die Thai-Schrift sieht hübsch aus und ist farblich abgesetzt, aber leider gibt es keine Umschrift. Wenn man also, so wie ich, kein Thai lesen kann, dann wird es einem schwer gemacht, Rezepte zu finden, die man unter dem Original-Namen kennt.
Das Buch startet mit einer Einführung: wir erfahren Grundlegendes über Thailands Provinzen, deren Essgewohnheiten und typische Gerichte. Ein weiteres Kapitel widmet sich der eindrucksvollen Entstehungsgeschichte des Buches. Schließlich gibt es noch praktische Informationen zu Aromaprinzipien, Garmethoden, Küchenausstattung und Tischsitten.
Der Rezeptteil startet mit Grundrezepten für Pasten und Saucen, gefolgt von Snacks und Getränken, sowie Salaten. Dann geht es weiter mit Suppen, mit Currys, mit Gegrilltem, Gedämpftem und Fritiertierten. Pfannengerührtes gibt es, Reis und und Nudeln und natürlich Nachtisch. Das Buch steht in der Tradition von Büchern wie dem Silberlöffel, von Pushpesh Pants India und von Vefa Alexiadou – folglich wird der Rezeptteil abgeschlossen mit Rezepten von Gastköchen, die im (englischsprachigen) Ausland thailändisch kochen.
Jean-Pierre Gabel hat 500 Rezepte zusammengetragen – mein Testkochen hat folglich nur an der Oberfläche des Buches gekratzt. Da gibt es noch viel zu tun. Ein wenig Schwierigkeiten hat das Buch mir bereitet, denn die authentischen Rezepte nehmen logischerweise keine Rücksicht darauf, ob wir in Europa die Zutaten herbeischaffen können. Streetfoodklassiker wie geröstete Grillen oder Gerichte mit Roten Ameisen werden nicht ausgespart. Flügelbohnen oder Bittergurke und anderes führt der gut sortierte Asia-Shop, aber bei Bananenblüten, Blüten des Limonenholzbaumes, stinkender Mango oder getrocknetem Tintenfisch und ähnlichem wird es wieder interessant. Es gibt auch recht viele fermentierte Zutaten – teilweise kann man die selbst machen, wenn man sich traut.
Die Rezepte sind gut formuliert und funktionieren. An das Küchenequipment werden keine besonderen Anforderungen gestellt. Ein Wok wäre nützlich. Der Mörser hat seinen Großeinsatz. Der Autor legt großen Wert darauf, dass alle Gewürzpasten mit dem Mörser zubereitet werden, weil das den Geschmack maßgeblich verbessert. Sogar die Sojabohnen für die Sojamilch werden mit dem Mörser zerkleinert……ganz ehrlich…..ich habe die Abkürzung mittels Mixer gewählt. Ein wenig schade ist, dass der Rezeptteil wirklich eine bloße Sammlung von Rezepten ist – hier und da hätten ein paar Anmerkungen und Geschichten sicher nicht geschadet.
Angefangen habe ich mit einer Suppe, nämlich der mit Hackbällchen und Eiertofu. Der Eiertofu war mir komplett neu: dafür wird Sojamilch mit Eiern verquirlt. Das ganze stockt im Wasserbad. Heraus kommt dabei eine Masse, die tatsächlich aussieht wie Seidentofu. Sie ist geschmeidig und schmeckt mild, ist aber relativ stabil. In die Suppe kamen ausserdem Hackbällchen, die mit einer vorher gemörserten Paste aus Korianderwurzeln, Knoblauch und Pfeffer gewürzt werden. Die Suppe war toll – würzige Klösschen und milder Tofu, herrlich in Geschmack und Konsistenz.
Endgültig davon überzeugt, dass es eine gute Idee ist, sich endlich mit der Thai-Küche zu befassen, hat mich der Gurkensalat. In dem Moment, als ich das Dressing aus Chili, Tomate, Fischsauce, Knoblauch, Limette und Rohrzucker probierte. Die Ausgewogenheit der Aromen ist einfach beeindruckend.
Ich dachte immer, ich esse gern scharf. Aber als ich das Rezept für die Currypaste las, die zum scharfen, pfannengerührten Schweinefleisch gehört, da kamen mir doch Zweifel: 25 gr. getrocknete und 50 gr. frische Chilis für 500 gr. Fleisch? Bestimmt sollen da die Kerne raus, oder? Im Rezept stand nichts von Kerne raus, also habe ich sie drin gelassen. Das Ergebnis war durchaus überraschend – höllenscharf war das Fleisch, ja. Aber nicht unangenehm…..Ich fand die Schärfe aufmunternd und passend zu den anderen Aromen. Mein Mann übrigens weniger, der griff nach einigen Bissen zum Milchglas und hielt sich lieber an den Reis.
Am Dipp für die fritierten Tofuecken gab es nichts auszusetzen: süß, salzig, sauer, scharf – Aromenpolka, sehr schön. Wenn bloß der Tofu nicht gewesen wäre…womöglich lag das an meiner Tofu-Sorte. Ich gebe zu, er war von der Naturkostkette, die mit A anfängt…es gibt besseres. Aber trotzdem, dass es sich beim Fritieren in ein Stück Ytong verwandelt, das hatte ich nicht vorausgesehen. Da half auch der Dipp nicht.
Nochmal Salat – diesmal von der Pomelo. Hierfür werden Pomelo-Filets mit gerösteten Kokosflocken und Erdnüssen vermischt und mit Fischsauce gewürzt. Der Clou sind die getrockneten Garnelen – die steuern richtig Aroma bei. Fix gemacht und sehr fein.
Die gefüllten Roti brachten mich kurz ins Grübeln….angesichts des klebrigen, weichen Teiges kamen leichte Zweifel auf, ob ich an diesem Abend etwas zu Essen auf den Tisch stellen würde. Nun, es gab etwas. Der Teig wird auf der eingeölten Arbeitsfläche zu dünnen Fladen ausgezogen, das hat bestens funktioniert. Die Füllung besteht aus mild gewürzem Hühnchen-Hack – ein netter Snack.
Zu den Roti (oder heißt es Rotis?) wird ein Gurkenrelish serviert. Das besteht aus einer kleinen Gurke, Chili und Schalotten, die mit einem Sirup aus Weißweinessig, Salz und Zucker übergossen werden. Da war sie wieder, die perfekt ausbalancierte Aromakomposition aus salzig, sauer, süß und scharf. Das Relish passt sicherlich nicht nur zu diesen Roti.
Das klassische Massaman-Curry dauert ein wenig; denn das Rindfleisch wird lange geschmort. Das Fleisch wird erst in Kokosmilch gekocht. Währenddessen kann man die Gewürzpaste zubereiten und anbraten, in der danach alles weitergegart wird. Lorbeer, Kardamom, Zimt Kartoffeln und Süßkartoffeln sind auch noch von der Partie. Das Ergebnis ist die Wartezeit wert: zartes Rindfleisch in einer aromatischen, süß-scharfen sämigen Sauce.
Mein Fazit? Ein umfangreiches, schön aufgemachtes Werk zur Thai-Küche. Wer sich ernsthaft für diese Küche interessiert, ist mit dem Buch gut bedient. Ich finde es gut, dass das Buch mit authentischen Rezepten aufwartet. Auch wenn bei man einigen Rezepten aufgrund der Zutaten passen muss – es bleibt mehr als genug zum Probieren übrig.