Rezension: Stefano Piedimonte – Im Namen des Onkels (Dumont 2014)

Während ‘Nel nome dello Zio’ (2012) in Italien derart erfolgreich war, dass bereits eine Fortsetzung vorliegt, erscheint bei Dumont dieses Jahr die deutsche Übersetzung. Stefano Piedimonte verbindet in “Im Namen des Onkels” das klassische neapoletanische Mafia-Milieu mit einer grotesken (und traurigen) Geschichte aus dem heutigen jungen Italien. Spass, Spannung und Gesellschaftskritik kommen dabei gleichermassen zum Zug.

onkel

Titel: Im Namen des Onkels
Original: Nel nome dello Zio (2012)
Autor: Stefano Piedimonte
Übersetzung: Maja Pflug, Friederike Hausmann
Verlag: Dumont
ISBN: 978-3-8321-9716-2
Umfang: 256 Seiten, gebunden m. Schutzumschlag

Im Mittelpunkt des Buches steht einerseits Der Onkel, ein berüchtigter Mafiaboss aus den Quartieri Spagnoli in Napoli. Er ist der unangefochtene Chef in seinem Viertel: unterstützt von seinen Schergen, den “fünf Monstern”, herrscht er aus dem Untergrund über die engen Gassen des Quartiers, ist Herr über eine ganze Flotte von Dealern, verteilt Schutzgelder, und so weiter. Nur eines lässt ihn alle Geschäfte und sogar Verabredungen mit mächtigen verfeindeten Mafiabossen vernachlässigen: Big Brother. Der Onkel verpasst keine einzige Folge der Reality-TV-Show – und wenn sein Leben in Gefahr ist.

Dann wird er verraten. Der entstellte Polizeikommissar “Woody Alien” hat Beweise gegen ihn in der Hand, will ihn festnehmen, doch dem Onkel gelingt die Flucht. Gemeinsam mit seiner Frau Gessica taucht er unter.

Die “fünf Monster” und “Peppino der Stinker”, ein weiterer treuer Ergebener, rekrutieren nun den jungen, armseligen und schlecht gebildeten Dealer Anthony, den sie ins Big-Brother-Haus schleusen wollen, wo er dem Onkel via TV-Bildschirm eine wichtige Botschaft überbringen soll. Der Clou gelingt: Anthony, dem mehr am richtigen Schnitt seiner Augenbrauen als an etwas anderem gelegen ist, wird aufgenommen. Seine Aufgabe: die Botschaft überbringen, sich abwählen lassen und schleunigst verschwinden. Aber…

Selbstverständlich kommt es anders – wie überhaupt fast alles in diesem Buch anders kommt, als es eigentlich beabsichtigt war. Der Unbill des Zufalls (Schicksals?) scheint die Protagonisten von mal zu mal heimzusuchen.

Piedimonte ist ein cleverer Erzähler: abwechslungsweise gibt es Kapitel über den Onkel, die fünf Monster, Woody Alien und Anthony. Die meisten der an der Geschichte beteiligten Protagonisten, laufen sich dabei nicht über den Weg, sondern spielen unabhängig voneinander ihre Rolle im grossen Ganzen dieser Mafiakomödie. Gerade Der Onkel und Anthony, die beiden zentralen Figuren, deren Geschichten einander so entscheidend beeinflussen, könnten sich ferner nicht sein. Der eine untergetaucht, abgeschottet von der Aussenwelt in einem Hotelzimmer – der andere ebenso abgeschottet, dabei aber stets für alle Welt sichtbar vor den Kameras des Big-Brother-Containers… Und doch ist da schliesslich Kommunikation zwischen ihnen: eine faszinierende Ausgangslage für eine Geschichte, die von Piedimonte ansprechend in Szene gesetzt wird.

“Im Namen des Onkels” ist eine vergnügliche, ereignisreiche Kriminalgeschichte mit ernsteren nachdenklichen Untertönen. Piedimonte kombiniert darin auf geschickte Art und Weise “klassische” italienische Motive mit in der Gegenwartsliteratur Italiens oft präsenten Themen wie Bildung, Armut, Kriminalität, mangelnde Zukunftsperspektiven oder Gleichgültigkeit.

Wie etwa Valentina D’Urbano oder Niccolo Ammaniti gehört Stefano Piedimonte, der selbst als Kriminalreporter (u.a. für Corriere della Sera) gearbeitet hat, zu den wichtigen kritischen Stimmen der italienischen Gegenwartsliteratur, die mit ihren Texten gesellschaftliche Missstände offenlegen. Im Gegensatz zur erwähnten Valentina D’Urbano wählt er dabei nicht den drastischen Weg des brutalen Realismus, sondern würzt seine Abrechnung mit jeder Menge Humor.


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