"Ich heiße Gin, und ich töte Menschen."
Die dreißigjährige Gin Blanco, auch unter dem Decknamen "die Spinne" bekannt, ist eine der gefürchtetsten Auftragskillerinnen in ganz Ashland. Ihre Welt ist in den Schatten, im Untergrund der Statd, dort, wo die dreckigen Deals und Geschäfte laufen und Gin angeheuert wird, um Menschen aus dem Weg zu schaffen. Als sie jedoch den Auftrag bekommt einen Geschäftsmann umzubringen, der Geld veruntreut hat, läuft Gins perfekte Planung aus dem Ruder - jemand wurde darauf angesetzt, sie umzubringen und schon bald gerät ihre Welt völlig aus den Fugen. Wer steckt hinter dem Anschlag und warum? Und weswegen fühlt sie sich derart von Detective Donovan Caine angezogen, der doch eigentlich auf der anderen Seite steht und nichts mehr will als ihren Tod?
"Spinnenkuss" liest sich so rasant und spannend wie ein Actionfilm mit dem zusätzlichen Vorteil, dass viel auf Humor und Sarkasmus gesetzt wird. Schreibstil wie Protagonistin haben etwas unnahbares, ja, geradezu cooles an sich, sodass man ständig das Gefühl hat, eigentlich einen Film zu sehen. Das liegt einerseits an Esteps bildhafter Sprache, aber auch daran, dass ihr Stil sehr simpel und wenig verschachtelt gehalten ist - pure Unterhaltung eben! Dabei scheut Estep auch nicht davor zurück, Sex und Gewalt in derben und rauen Worten zusammenzufassen, sodass es zwischendurch schon einmal ziemlich heftig zur Sache gehen kann - in beiderlei Hinsicht. Dennoch hat man nie das Gefühl platten Schund zu lesen, auch wenn die Ideen nicht unbedingt das Rad neu erfinden oder besonders vielschichtig sind - Estep findet den perfekten Mittelweg zwischen Unterhaltung und Anspruch und bietet eine Geschichte mit der Atmosphäre von Gotham City in Batman und der Spannung eines Actionthrillers.
Urban Fantasy ist ein Genre, dass ich in letzter Zeit oft bewusst gemieden habe - gerade was den Jugendbuchbereich angeht. Da der Auftakt der Reihe um Gin Blanco aber für Erwachsene gedacht und geschrieben ist, bin ich wohl aus dem Schneider! Mit einer dreißigjährigen Protagonistin und viel Sex und Gewaltthematiken bietet "Spinnenkuss" auch so einigen frischen Wind, auch wenn es nicht immer besonders orginell zur Sache geht. Der Reiz ist das bekannte Gefühl, das man auch bekommt, wenn man einen Actionthriller sieht: Man möchte Spannung, Waffen und Untergrundgangster - und das alles gepaart mit besonders coolen Protagonisten, die clever und hart im Nehmen sind. Und genau das und noch viel mehr bekommt man in schriftlicher Form von Jennifer Estep - warum dann Urban Fantasy? Weil "Spinnenkuss" nicht in der realen Welt spielt, sondern zusätzlich zu den Auftragskiller/Untergrungeschichten phantastische Elemente aufweist: Elementarmagie, Zwerge, Vampire, Riesen und Hexen - all das findet man in "Spinnenkuss" und das auf eine so natürlich Art und Weise, dass mich die unverhoffte Begegnung mit den magischen Wesen in keinster Weise gestört hat.
Dabei bin ich, was Vampire und co. in der realen Welt angeht, seit gewissen Büchern eher skeptisch aufgelegt - wirkt das Ganze oftmals doch eher lächerlich, als wirklich spannend. Und auch hier hatte ich meine Zweifel, doch Estep katapultiert den Leser ohne große Erklärungen oder Vorgeplänkel direkt ins Geschehen und dieser authentische Umgang mit unrealen Begebenheiten hat wohl letztendlich den Charakter des Buches ausgemacht. Hier wird nämlich weder erklärt, ob die Welt, in der Gin lebt schon immer so war, noch magische Wesen als geheim dargestellt - der Umgang und das Wissen um diese Wesen wird nicht in Frage gestellt, so als gäbe es sie schon immer und wären eben auch nur ganz normale Lebewesen. Gerade was die Atmosphäre angeht, legt Estep viel Wert auf Authentizität - das merkt man schon daran, dass jedes Lebewesen ganz natürlich und seinen Wesenszügen entsprechend handelt, sprich: Vampire glitzern nicht und Auftragskiller verlieben sich nicht direkt auf den ersten Blick. Der Ton ist hier einfach sehr rau und hart und hat mich manches Mal an die Atmosphäre aus Gotham City erinnert.
Auch die Figuren bleiben sich treu und haben alle ihre ganz eigenen Charakterzüge, die sie zu plastischen und sympathischen Wesen machen. Allen voran die eiskalte und derbe Gin, die seit siebzehn Jahren als Assassinin arbeitet. Die Gründe hierfür habe ich in dem Zusammenhang mit Auftragsmördern zwar schon öfter gehört, dennoch passte ihre Vergangenheit zu ihrer Persönlichkeit und hat sie trotz ihrer kühlen und berechnenden Art unheimlich sympathisch und glaubwürdig gemacht. Doch auch die Nebenfiguren wachsen dem Leser schnell ans Herz - ob das nun Fletcher (in den ich mich dooferweise wirklich verliebt habe!), Finn, Donovan Caine, die Zwergenschwestern oder die obligatorischen Nebenfiguren sind. Jeder hat seine eigene Note und ist liebevoll gezeichnet, auch wenn Estep das ein oder andere Mal doch ein paar Klischees zu viel ins Geschehen einbaut. Ansonsten beweist sie aber oft Mut zur Andersartigkeit und da kann eine Figur schon mal sehr skurril, aber doch besonders liebenswert sein.
In einem so rauen Buch darf auch die Liebesgeschichte nicht fehlen, die sich hier zwar sehr offensichtlich gestaltet, aber dennoch sehr im Hintergrund bleibt. Ja, von Liebe an sich wird sogar das ganze Buch über (430 Seiten lang) überhaupt nicht gesprochen, die Gefühle bleiben erst einmal rein körperlich und das fand ich, trotz der etwas übertriebenen sexuellen ersten Reaktion von Gin auf Caine, als sich die beiden lediglich ansehen, sehr erfrischend. Generell hätte das Buch die erotischen Szenen eigentlich gar nicht nötig gehabt - teilweise wirkten sie sogar ein wenig, wie im Nachhinein reingeschrieben, insgesamt hat mir aber gerade die Tatsache gefallen, dass Gin sich einfach nimmt, was sie will - eben genau, wie es ihr Charakter vermuten lassen würde. Da die Reihe 12 Bände umfasst, werden wir hier wohl noch so einiges vors Auge bekommen und auch deswegen gefällt mir der Umgang mit der sich langsam entwickelnden Beziehung, die noch gar keine ist. Was man ebenfalls cleverer hätte gestalten können, war die Geschichte an sich - es gibt hier sehr wenig Dinge, die man selbst herausfinden müsste, vieles ist entweder offensichtlich oder kann vom Leser ohnehin nicht herausgefunden werden - ein wenig mehr Spielerei mit den Dingen, die man zur Verfügung hatte und Überraschungen hätten sich sicherlich noch positiver auf die Spannung ausgelöst.
Urban Fantasy, Spannung, Action und Auftragsmörder - die Mischung gibt es nicht? Eben doch! Der Auftaktband "Spinnenkuss" aus der (bisher) zwölfteiligen Reihe um Assassinnin Gin Blanco beweist, dass gute Urban Fantasy eben doch noch nicht ausgestorben ist. Ein rauer Ton, Gewalt, Sex und so einige Wesen und Magie ergeben mitsamt symapthischer und glaubwürdiger Figuren einen rasanten ersten Band, der Spannung, Witz und Sarkasmus vom Feinsten bietet. Dazu eine Natürlichkeit, die ich magischen Wesen gar nicht zugetraut hätte, eine simple wie mitreißende Sprache und die obligatorische Liebesgeschichte, die noch gar keine ist, haben knapp 430 Seiten lang großen Spaß gemacht und pure Unterhaltung geboten. Da fallen kleine Schwächen nicht allzu großartig ins Gewicht, wenn die Geschichte auch so einige Klischees nicht nötig gehabt hätte. Für diese spannende und mitreißende Geschichte vergebe ich 4 Herzchen!
Jennifer Estep ist Journalistin und New-York-Times-Bestsellerautorin. Sie schloss ihr Studium mit einem Bachelor in Englischer Literatur und Journalismus und einem Master in Professional Communications ab und lebt heute in Bluff City, Tennessee. Bei Piper erschien bisher ihre All-Age-Serie um die »Mythos Academy« sowie die Urban-Fantasy-Reihe »Elemental Assassin«. [via Piper]
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