Rezension: Soro (Gary Victor)

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Haiti im Januar 2010 – die Erde bebt und löst damit eine der schlimmsten humanitären Katastrophen aus. Inmitten der Trümmer irrt Inspektor Dieuswalwe Azémar umher. Azémar ist süchtig nach Soro, einem aromatisierten Zuckerrohrschnaps von fragwürdiger Qualität. Und auch sonst hat der Ermittler jede Menge private Sorgen am Hals. Dass er nun auch noch den Tod eines berühmten Malers aufklären soll, macht die Lage nicht besser.

Eine zerrüttete Gesellschaft

Seit Jahrhunderten wird das haitianische Volk schweren Prüfungen unterzogen. Naturkatastrophen und Erdbeben, aber auch Staatsstreiche und Kriege sind dem kleinen Inselstaat wohlbekannt. Autor Gary Victor, ebenfalls Haitianer, lässt die Zerrissenheit der Bewohner, ihren ständigen Kampf ums Überleben, zwischen den Zeilen durchschimmern.

So hat die Verzweiflung zu dubiosen Geschäftsideen geführt. In seiner dunkelsten Stunde sucht Inspektor Azémar einen Schwarzmagier auf. Es ist diese Verwischung von Realität und dunklem Zauber, von dem, was war und dem, was gewesen sein könnte, die Soro zu einem interessanten Werk macht.

Versuch einer Ordnung

Besonders beklemmend gestaltet sich beim Leser der Eindruck, dass die Haitianer selbst im größten Chaos versuchen, ein Stück Normalität zu erringen. So bemüht sich selbst der innerlich zerstörte Azémar, seinen polizeilichen Pflichten nachzukommen.

Der Schnaps ist der Kleber, der ihn zusammenhalten soll. Doch immer wieder treibt die stumpfe Gewalt einen Keil zwischen die Vernunft und die Menschen, die darum bemüht sind, klaffende Wunden endlich verheilen zu lassen. Und so geht es auch dem notdürftig durch Zuckerrohrgesöff-verkleisterten Inspektor.

Dick im Abschluss, dünn in der Haptik

Ein düsterer, spannender Krimi darf nicht vorhersehbar und langweilig zu Ende gehen, klar. Aber hier schlägt Autor Victor doch ein wenig über die Stränge. Problematisch an Soro ist auch die Leserlichkeit. Absätze sind so selten wie eine nüchterne Phase beim Inspektor. Eine typografische Auflockerung hätte dem Text gut getan.

Daher verwundert es nicht, dass dieser Roman mit nur 144 Seiten aufwartet. Das lässt jedoch keine Rückschlüsse auf die Qualität zu – Soro ist eine gute Geschichte, flüssig erzählt und mit einem fesselnden Einblick in das haitianische Leben.

VICTOR, GARY: Soro. Roman. litradukt Literatureditionen, Trier 2015, 144 S., 11,90 €

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