[Rezension] "Solange die Nachtigall singt" von Antonia Michaelis

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[Rezension] Etwas war geschehen.
[Rezension] Bevor der achtzehnjährige Tischlergeselle Jari Cizek endgültig ins Berufsleben einsteigt, möchte er sich eine dreiwöchige Auszeit nehmen, die er an der Grenze zu Polen und Tschechien mit Wandern verbringt. Angekommen in einem Dorf lernt er Jascha kennen, die ganz allein in dem verwilderten Wald in einem wunderschönen Haus lebt. Spontan entschließt Jari sich dazu, die Nacht bei ihr zu verbringen. Eine Nacht, die über sein Schicksal bestimmt und zu vielen anderen Nächten wird, in denen er in einen Strudel aus Intrigen, Geheimnissen und Schönheit gerissen wird, dem er sich kaum entziehen kann. Denn Jascha birgt ein Geheimnis, dass ihn für immer verändern wird und auch in der Dunkelheit der alten Bäume verbirgt sich eine uralte Geschichte voller Gefahr und Angst...
[Rezension] Der Duft von Laub und ein kühler, frischer Wind wehen dem Leser entgegen, sobald er einmal in diesem Werk verschwunden ist, denn Antonia Michaelis Schreibstil erweckt die Geschichte zum Leben. Ohne jeglichen Zweifel ist ihr Schreibstil anders. Mit einer sanften Poesie und leisen Tönen erzählt sie eine düstere Geschichte so, dass ein besonderer Widerspruch zwischen der Atmosphäre und dem Geschehen entsteht. Hier treffen Gewalt und Schönheit aufeinander, Brutalität und Sanftheit. Und dies wusste Michaelis sehr gut umzusetzen, denn obwohl ihre Geschichte wie ein Märchen erzählt ist, ist sie mit einem düsteren Unterton abgeschmeckt. Viele kurze und prägnante Sätze dominieren Michaelis' Schreibstil, aber auch lange und verschachtelte Sätze, poetische Wiederholungen werden gekonnt eingesetzt. In jedem Fall findet man hier einen Schreibstil mit Wiedererkennunswert und einer besonderen, subtilen Spannung.
[Rezension] Der Wald kann ein Ort der Ruhe sein, ein behagliches Plätzchen, dass Einsamkeit und Stille verspricht. Er kann ein Ort zum Nachdenken sein und verändert sich mit jeder Jahreszeit in ein neues Paradies. Doch neben all diesen schönen Eigenschaft kann der Wald gefährlich, ja, sogar tödlich sein. Wenn sich die eben noch sanften Äste in Klauen verwandeln, der frische Wind plötzlich umschlägt und dichte Nebelschwaden die Sicht versperren. Auch die Geschichte um Jari spielt in einem verwilderten Wald, der all die genannten Eigenschaften in sich vereint - und noch viele mehr. Es ist die Geschichte eines jungen Mannes, der sich selbst suchte und stattdessen Schönheit und Veränderung fand. Eine Geschichte, so düster und geheimnisvoll, wie die Protagonisten, von denen sie erzählt. Eine Geschichte, die Zwiespalt hinterlässt, aber auch genau dort trifft, wo sie treffen soll.
[Rezension] Antonia Michaelis ist kein unbekannter Name - ganz im Gegenteil: Jeder, der ein bisschen was mit Büchern zu tun hat, wird ihre Namen irgendwo zumindest schon einmal gehört haben. Spätestens seit dem Märchenerzähler ist sie aus der deutschen Literatur wohl nicht mehr wegzudenken und vielleicht lag es an dem Hype um das Buch, dass ich zwar zwei ihrer Werke kaufte, sie aber nie gelesen habe. Bisher. Denn irgendwie lockte mich "Solange die Nachtigall singt" und nun habe ich es gewagt und muss sagen, dass meine Erwartungen (die zugegebenermaßen sehr hoch waren) zwar nicht hundertprozentig erfüllt wurden, ich aber dennoch eine unvergleichliche und vor allen Dingen überraschende und tiefgehende Geschichte gelesen habe. Zugegeben: Die Geschichte ist anders. Merkwürdig beklemmend legt sie sich über den Leser und hüllt ihn ganz ein bis er kaum noch Fiktion von Realität zu unterscheiden vermag. Und genau das gelingt der Autorin auch so gut: Sie stülpt ihre Geschichte nach Außen, sodass man das Gefühl hat, selbst in dem Wald zu sein und selbst die Nebelschwaden wabern zu sehen.
Was hat nun aber diesen Zwiespalt ausgelöst, der trotz der guten Geschichte immer im Hinterkopf blieb? Nun ja, es gibt viele Punkte, mit denen ich nicht ganz warm wurde. Zum einen plätscherte die Geschichte ab einem gewissen Zeitpunkt nur so dahin, obwohl einige wichtige Geheimnisse ans Licht gekommen sind und man als Leser im Grunde schon wusste, was als nächstes kommt. So wird man lange Zeit hängen gelassen bis es dann richtig weitergeht. Natürlich wurde die Geschichte von dieser subtilen Spannung bestimmt, die sich auch konstant durch das Buch zieht, auch wenn man vieles glaubt durchschaut zu haben, allerdings ging es mir stellenweise einfach zu schleppend voran. Weiterhin fand ich die Charaktere trotz ihrer Tiefgründigkeit oft sehr befremdlich. Jari redet beispielsweise oft mit sich selbst, was im Grunde nichts ungewöhnliches ist, aber er tut dies immer in der 3. Person, was mir doch oft etwas merkwürdig vorkam. Die Konversationen wirkten auch oft sehr konstruiert, aber ich denke, das liegt daran, dass sich das Buch einfach wie ein Märchen liest.
[Rezension] Die Figuren sind komplex. Und wenn ich sage komplex, dann meine ich auch komplex. So komplex, dass es einem bis zum Ende nicht gelingt sie vollends zu durchblicken. Vor allen Dingen Jascha war mir von Anfang bis zum Ende ein einziges Rätsel. In einem Moment glaubte ich sie zu durchschauen und schon im Nächsten war ich mir sehr unsicher. Die Autorin führt einen hier geschickt an der Nase herum, streut Rätsel und Fragen, wo sie kann und ebenso geht es auch Jari. Der Zeisig, wie er oft genannt wird, ist eine interessante Persönlichkeit, die sich im Laufe der Geschichte stark wandelt und der Dunkelheit direkt ins Auge blickt. Obwohl er es nicht ganz in mein Herz schaffte, habe ich mit ihm mitfiebern können und stand meistens auf seiner Seite.
Besonders prägnant sind jedoch die Wendepunkte in der Geschichte. Im Grunde besteht sie aus zwei Handlungssträngen, die sich am Ende treffen, denn nebenbei wird in kursiv eine Geschichte aus der Vergangenheit erzählt, die mit dem Schicksal Jaris und Jaschas fest verknüpft ist. So oft erfährt man Neues, wodurch man die Geschichte ständig aus einem anderen Blickwinkel betrachten kann, immer wieder geschehen unvorgesehene Dinge - ein Verwirrspiel der ganz besonderen Art. Zudem spielen sehr viele Themen in die Geschichte ein, die das Buch teilweise immer düsterer und verquerer machen, wie beispielswiese die oft angespielte Erotik, die perfide Schönheit, der Tod, Moral, die Liebe, etc. Womöglich fiel es mir daher oft schwer, die Geschichte richtig zu greifen, beziehungsweise zu verstehen. Das Ende empfand ich als sehr ernüchternd! Die Spannung und die Fragen die über vierhundert Seiten lang aufgebaut wurden, lösen sich innerhalb weniger Sätze in Luft auf. Die Aufklärung lässt enorm viele Fragen offen (*SPOILER* Ist Jascha schizophren oder hat sie eine multiple Persönlichkeitsstörung? *SPOILER*), die kaum beantwortet werden können, weil sich das Buch auf so viele unterschiedliche Arten deuten lässt, da man sie als reale Geschichte wissenschaftlich betrachten, jedoch auch als Märchen verstehen könnte.
[Rezension] Zwischen den Ästen und Zweigen, versteckt unter Steinen und vielen Jahren verbirgt sich diese besondere Geschichte, die, erzählt mit poetischen Worten, von einer großen Komplexität ist. Die düstere, märchenhafte Atmosphäre löst schnell ein beklemmendes Gefühl aus, dass sich immer mehr verstärkt durch die vielen Handlungsstränge und das Verwirrspiel, welches die Autorin, aber auch die Protagonisten mit dem Leser treibt und so wird man in kurzer Zeit in einen Strudel aus Ereignissen gezogen, denen man sich kaum zu entziehen weiß. Die merkwürdigen und komplexen Figuren und der Plot sorgen für eine subtile Spannung und auch wenn ich die ein oder andere Schwäche entdecken konnte, so kann ich die Geschichte dennoch empfehlen - allerdings muss man sich in jeden Fall darauf einlassen und die Worte auf sich wirken lassen. Tut man dies, wird man mit einer brutalen, düsteren, aber auch schönen und sanften Geschichte belohnt.
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[Rezension]  [Rezension] Antonia Michaelis wurde in Kiel geboren und verbrachte die ersten beiden Jahre ihres Lebens in einem kleinen Dorf an der Ostsee. Anschließend zog sie mit ihren Eltern nach Augsburg, wo sie zwar zur Schule ging, aber nie aufpasste, weil sie unter der Bank dicke Bücher verfassen musste. Ihre Abiturarbeit schriebt sie über Faust 2, den sie nie gelesen hat. Danach ging sie für ein Jahr nach Südindien, um an einer kleinen Schule nahe Madras alles zu unterrichten, was ihr unter die Finger kam, vor allem Englisch, Kunst und Schauspiel. Heute lebt Antonia Michaelis in einem kleinen Dorf gegenüber der Insel Usedom. Sie arbeitet für mehrere Verlage und, dramaturgisch, für die Montessorischule Greifswald - und verbringt den Rest mit Tochter und Mann, zwei Katzen, einem Förderkind und 3000 Quadratmetern Brennesseln.
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