|Rezension| "Solange am Himmel Sterne stehen" von Kristin Harmel

Von Paperdreams @xGoldmarie


Die Straße vor dem Bäckereifenster liegt still und schweigend da, und in der halben Stunde genau vor Sonnenaufgang, während ein leichter Schimmer der Morgenröte am Horizont sichtbar wird, könnte ich fast glauben, der einzige Mensch auf der Welt zu sein.
Die gerade frisch geschiedene Hope McKenna, die mit ihrer zwölfjährigen und etwas rebellischen Tochter eigentlisch schon genug Probleme hätte, führt ganz alleine ihr Familienvermächtnis: Die Bäckerei, die schon seit Generationen im Besitz der Familie ist. Durch finanzielle Schwierigkeiten könnte sie diese nun verlieren, ebenso wie ihre an Alzheimer erkrankte Großmutter Rose McKenna. Bis diese in dem unendlichen Nebel ihrer Krankheit einen klaren Moment hat und Hope eine Liste mit französischen Namen gibt, denn Rose hat ein Geheimnis, das niemand kennt und das nur Hope herausfinden kann. Denn Rose weiß, dass sie sich bald womöglich an nichts mehr erinnern kann und ihre Geschichte für immer verschwinden würde. Als Hope sich schließlich nach Paris aufmacht, ahnt sie noch nicht, dass das, was sie dort finden wird, ihre eigene Geschichte völlig durcheinanderwirbeln wird...
 Müsste ich ein Buch nennen, welches unter den Begriff "Schmöker" fällt, so wäre es definitiv "Solange am Himmel Sterne stehen" - und das ist absolut nicht negativ gemeint, denn dieses Buch ist derart warmherzig und liebevoll geschrieben, dass man sich direkt wie zu Hause fühlt. Das vornehme Pariser Flair vermischt sich mit dem Duft frisch gebackener Kekse und dem bitteren Geschmack des Holocausts, sodass für jeden etwas bei sein dürfte und auch stiltechnisch weiß Harmel jede Nuance der Geschichte geschickt und angebracht an den Leser zu bringen. Und dafür braucht sie nicht viel, denn ihr Stil ist ansprechend, aber nicht blumig, ihre Worte warm, aber nicht kitschig. Das Buch liest sich trotz vieler verschachtelter Sätze flüssig und schnell, ist atmosphärisch dicht und schafft den Spagat zwischen ansprechendem Schreibstil und leicht lesbaren Worten.
Die Vergangenheit ist ein Ort, an den die allermeisten nur zu gern zurückkehren möchten. Nicht nur, weil man eventuelle Fehler, die man im Taumel der Zeit begangen hat, beheben könnte, sondern auch, weil vieles einfacher und weniger kompliziert
war, vielleicht sogar, weil man jemanden verloren hat, den man nicht verlieren wollte. Die Vergangenheit ist aber auch ein Ort, der düster sein kann, voller Geheimnisse und Rätsel steckt und vor allen Dingen von diesem großen Elefanten verdeckt wird, der "Was-wäre-wenn" heißt. Mit der großen Frage nach dem, was hätte sein können, beschäftigt sich auch "Solange am Himmel Sterne stehen" unter anderem, doch neben der Vergangenheit ist die Geschichte um Rose, Hope und Annie auch ein kleiner Familienepos und eine Geschichte zum eintauchen, um sich darin zu verlieren.
Ich muss direkt mal zugeben, dass "Solange am Himmel Sterne stehen" nicht die Art Buch ist, die ich sonst so lese, auch wenn zwischendrin natürlich das ein oder andere Exemplar dabei ist, aber es braucht schon einiges, um mich für ein Buch begeistern zu können.Was in diesem Fall direkt auffiel, war das hübsche Cover, aber auch der Klappentext machte mich neugierig - Alzheimer ist schließlich kein Thema, was man oft in Büchern anfindet und daher für mich definitiv ein interessanter Faktor. Außerdem hatte ich Lust auf eine atmosphärisch dichte Geschichte, die ohne Fantasyelemente auskommt und dennoch spannend und mitreißend ist. Ob ich das in der Geschichte um Hope und co. bekommen habe? Definitiv. Die Geschichte bietet derart viele Handlungsstränge, Themen- und Problemkomplexe, dass sicherlich für jeden etwas dabei sein dürfte.
Was dieses Buch so besonders macht, ist die Wärme und dieses Wohlgefühl, dass man permanent beim Lesen hat. Immer wenn ich das Buch aufschlug, um weiterzulesen, hatte ich - ja, es klingt pathetisch, aber es ist tatsächlich so - das Gefühl nach Hause zu kommen und wenn ein Buch das schafft, ist das schon immer ziemlich dicker Pluspunkt. Von Anfang an wird eine unterschwellige Spannung aufgebaut, die nicht nervenzereißend ist, aber die Neugierde permanent aufrecht erhalten kann. Die Suche nach Informationen, die Jagd nach vergangenen Momenten und das Finden dieser hat diese besondere Euphorie in mir ausgelöst, die dafür sorgte, dass ich immer wissen musste, wie es weitergeht. Hier vereinen sich Wärme, Familie, Vergangenheit, Liebe und die Zeit um den zweiten Weltkrieg zu einer herzerwärmenden Geschichte, in der man sich verkriechen kann und die einem viel gibt.
Auch die Figuren wussten zu bezaubern, denn jede hat eine eigenständige Persönlichkeit und wirkte dreidimensional und glaubwürdig. Da die Geschichte aus der Ich-Perspektive von Hope beschrieben ist, bekommt man gerade ihr Innenleben sehr verständlich serviert und weiß genauso wenig, wie sie, was dafür sorgt, dass man alles gemeinsam mit ihr herausfindet. Zwischendrin gab es außerdem kleine Abschnitte aus der Sicht der alzheimerkranken Großmutter, die jedoch in der 3. Person geschrieben sind, was wiederum dafür sorgt, dass man Stück für Stück auch Roses' Geschichte herausfindet. Man lernt in diesem Buch eigentlich in jedem Kapitel eine neue
Figur kennen (und teils auch lieben) und diese langsame Art den Figuren näher zu kommen, hat mir ebenso gefallen, wie die Liebesgeschichte, die sich hintergründig und leise anbahnt, aber dennoch schön beschrieben wird.
Negativ fiel mir lediglich die Tatsache auf, dass in dem Buch stark amerikanisiert wird. Diese Feierlichkeit, die mir auch in den Büchern von Nicholas Sparks immer wieder auffällt, wirkte auch hier, ebenso wie das typisch kitschige Ende. Schließlich wendet sich wirklich alles zum Guten und jeder Verlust wird umgekehrt, was mir dann doch eine Spur zu amerikanisch war, aber das ist nur ein kleiner Makel in einem ansonsten ganz wundervollen Buch. Ein besonderes Gimmick, was noch einmal mehr zur Glaubwürdigkeit der Geschichte beiträgt, sind die Rezepte, die in unregelmäßigen Abschnitten auftauchen und tatsächlich von Gebäckstücken sind, die auch im Buch vorkommen. Eins davon, nämlich die Cape-Cod-Cookies habe ich schon nachgebacken und finde sie sehr lecker.
"Solange am Himmel Sterne stehen" wird es hoffentlich so wunderbare und herzerwärmende Geschichten wie diese geben. Mit ganz viel Herz und einer atmosphärisch dichten Story erzählt Harmel eine Familiengeschichte voller Dramatik, Spannung und Liebe, bei der sich jedes Wort wie nach Hause kommen anfühlt. Durch die sympathischen Figuren und die unzähligen Themen und Probleme wirkt das Buch umso realistischer, als könne sie tatsächlich während des zweiten Weltkriegs so geschehen sein. Zwar waren mir manche Szenen etwas zu amerikanisch, aber im Großen und Ganzen bekommt man hier eine wunderschöne Geschichte geliefert, die ich jedem empfehlen kann, der eine ruhige, einfühlsame und doch sehr aktive Geschichte lesen will, die einen mit ins Paris der 1940er nimmt und von einer besonderen Vergangenheit und einer ebenso ereignisreichen Gegenwart erzählt.
Kristin Harmel hat bereits einige Romane veröffentlicht und mit Medien wie People und Glamour zusammengearbeitet. Mit Solange am Himmel Sterne stehen erfüllt sie sich den Wunsch, eine große Geschichte von Liebe und Verlust über Generationen hinweg zu erzählen. Es ist ihr erster Roman, der in deutscher Sprache erscheint, und er wird derzeit in dreizehn Sprachen übersetzt. Kristin Harmel lebt in Orlando, Florida. [via Lovelybooks]
...mehr? *klick*
Für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplares bedanke ich mich sehr herzlich bei