|Rezension| "Silver Linings" von Matthew Quick



Ohne aufzuschauen, weiß ich, dass Mom mal wieder einen ihrer Überraschungsbesuche macht.
Trotz Psychatrieaufenthalt und Tablettenschluckerei glaubt der vierunddreißigjährige Pat Peoples an den Silberstreif. In Filmen gibt es schließlich immer ein Happy End und so hat er nur ein Ziel: Seine Frau Nikki zurückerobern, wofür er täglich viele Stunden Sport macht und alle Bücher liest, die sie so geliebt hat, um endlich der Mann zu werden, den sie immer verdient hätte. Doch so sehr Pat sich auch anstrengt - zu Gesicht bekommt er Nikki nicht und das hat gute Gründe. Auch in seiner Familie läuft nicht alles glatt: Sein Vater ignoriert ihn und hat permanent schlechte Laune, wenn sein Lieblingsfootballteam verliert und irgendwie scheint sich in der Zeit von Pats Psychatrieaufenthalt etwas zu viel verändert zu haben. Bei seinen täglichen Joggingsausflügen jedoch folgt ihm Tiffany, die Schwester einer Bekannten, auf Schritt und Tritt ohne ein Wort zu sagen. Denn auch Tiffany hat etwas verloren und ist mindestens genauso verkorkst wie Pat. Eine verrückte, schweigsame und verkorkste Freundschaft entwickelt sich und bald muss Pat feststellen, dass man den Silberstreifen auch woanders finden kann...
"Silver Linings" ist einer dieser Romane, die in diesem kindlichen und trotzdem nicht platten Stil geschrieben sind. Aus der Sicht von Pat geschrieben, bekommt man eine sehr gute Innensicht und erlebt auch nur das, was Pat weiß und denkt. Und er denkt zeitweise sehr naiv, was dafür sorgt, dass der Stil nachdenklich-reflektierend und gleichzeitig aus vielen mit einem "und" verbundenen Sätzen besteht. Somit liest sich das Buch sehr leicht und flott weg und verliert trotzdem nicht an Tiefe, ganz im Gegenteil: Gerade diese hoffnungsvolle, traurige und gleichzeitig so schöne Atmosphäre, die der Schreibstil aufzubauen vermochte, haben dem Buch das besondere Etwas und ihm leicht philosophische und verträumte Nuancen verliehen.
Jeder kennt ihn, jeder braucht ihn und jeder vergisst ihn ab und an: Den Silberstreif am Horizont, der immer dafür sorgt, dass am Ende doch alles gut geht und an dem man unbedingt festhalten muss, um glücklich zu sein - laut Pat jedenfalls. Dieser klammert sich an seiner Hoffnung und seiner Liebe fest, um ein besserer Mensch zu werden und erzählt so eine besondere Geschichte von Verlust, dem Leben, wie es wirklich ist und der Liebe, in ihren verschiedenen Ausführungen. Mit kleinen Schönheitsfehlern hat Matthew Quick hier eine atmosphärisch dichte Wohlfühlgeschichte geschrieben, die verquer und schräg und dabei trotzdem bodenständig und realistisch ist und die einem Hoffnung auf den eigenen Silberstreifen im Leben macht.
"Silver Linings" ist definitiv ein Figurenroman, schließlich lebt er von seinen Charakteren - allen voran von Pat Peoples, dem Protagonisten, den man fast schon als Antihelden bezeichnen könnte. Schließlich war er eine Zeit lang in der Psychatrie und der Leser erfährt auch erst relativ spät, warum das so ist und für wie lange - ebenso wie Pat, denn der kann sich an kaum etwas erinnern, nur daran, dass er unbedingt die Auszeit mit Nikki beenden muss. Seine Gedanken drehen sich größtenteils um seine Frau und wie er sie zurückgewinnen kann, was anfangs noch verständlich und später immer verdrehter und unverständlicher für den Leser wird. Dabei liest er sich einmal quer durch die amerikanische Literatur (und meckert an der negativen Einstellungen von Plath, Hemingway und co.!) und trainiert seinen Körper bis zur Erschöpfung. Außerdem hat er einen sehr naiven, impulsiven und kindlichen Charakter, der konsequent ehrlich ist und nichts beschönigt. Hier hat mir allerdings eine Eklärung zu diesen Charakterzügen gefehlt - war er schon immer so oder ist er erst so geworden?
Zugegeben besonders klingt das erst einmal nicht und auf den ersten Blick wirkt die gesamte Geschichte auch eher durchschnittlich, ja, fast schon alltäglich, doch hinter und zwischen den Zeilen und Worten findet man so manches Thema, so manche Problematik, zwischenmenschliche Gefühle und ganz, ganz viel Leben. Vielleicht liegt es daran, dass ich (als absoluter Mannschaftssportnewbie) sogar die vielen Szenen (und es sind wirklich viele!), in denen es um Football geht, ertragen und sogar irgendwie als "verbindend" empfunden habe. Dennoch war ich froh, dass das Spiel an sich nicht detailliert beschrieben worden ist - viel mehr ging es um die Art und Weise, was die Auswirkungen eines solchen Gemeinschaftsgefühls ist und wie Pat das einige Menschen näher gebracht hat.
Die Liebesgeschichte zwischen Pat und Tiffany, die eigentlich gar keine richtige Liebesgeschichte - zumindest nicht im konventionellen Sinne - sondern anfangs eigentlich nur eine ziemlich verkorkste Freundschaft ist, hält sich eher im Hintergrund und erzählt wie zwei Menschen, die große Verluste hinter sich haben und gleichermaßen psychisch nicht ganz so stabil sind, lernen, wieder richtig zu leben. Das schöne hierbei ist einfach die besondere Art der beiden Figuren, die beide sehr komplex und interessant sind. Vor allen Dingen Tiffanys direkte Art und Pats Naivität sorgen für einige witzige Dialoge (oder auch für Schweigen). Die Figuren haben jeweils alle ihre Eigenarten, Makel und Besonderheiten, was sie besonders liebenswert und dreidimensional wirken ließ.
Als negativ empfand ich lediglich die Tatsache, dass die Beziehung zwischen Pat und Tiffany gegen Ende dann irgendwie schnell abgehandelt wurde und der Silberstreifen, den Pat sich erträumt hatte, zwar schon erkennbar, aber irgendwie noch in etwas weiterer Ferne zu sein schien - was zum Werk passt, aber doch irgendwie schade ist, weil man Pat das so sehr gewünscht hat. Außerdem hätte ich gerne eine größere Entwicklung seitens Pats Vater gehabt, weil mir auch das nicht wirklich aufgelöst erschien, aber vielleicht sollte das tatsächlich so sein - schließlich bekommt Pat oft genug zu hören, dass das Leben eben kein Film ist und dass man lernen muss, dass man den Silberstreif nicht immer sehen kann, auch wenn man es noch so sehr will.
Wenn ihr in den Himmel schaut und am Horizont die Wolken von einem strahlenden Streifen umgeben sind, dann wisst ihr: Das ist der Silberstreif. Und den könnt ihr nicht nur am Himmel oder in eurem Leben, sondern auch in manchen Büchern finden. In "Silver Linings" zum Beispiel, einer ganz besonderen Geschichte über das Leben, mit dem Leben und aus dem Leben, die sich flüssig und schön lesen lässt und gleichzeitig zwischen den Zeilen mit viel Tiefe und Wärme ausgestattet ist. Mit den liebevoll ausgearbeiteten und realitätsnahen Figuren, ist "Silver Linings" ein Charakterroman, der seinen Fokus vor allen Dingen auf Pat und seine Gedankenwelt legt. Trotz kleiner Schwächen und etwas zu viel Football bekommt man in diesem Roman eine Menge Wohlfühlgefühle, viel Menschlichkeit und eine verrückte und etwas schräge Geschichte, die zum Leben auffordert.


Matthew Quick wurde 1973 in Oaklyn, New Jersey geboren. Er studierte Anglistik, arbeitete als Englischlehrer, schmiss seinen Job und reiste so lange durch Südamerika und Afrika, bis er endlich den Mut aufbrachte, das zu tun, was er schon immer machen wollte: Einen Roman schreiben. Die Verfilmung seines Debüts Silver Linings gewann einen Golden Globe und wurde für 8 Oscars nominiert. Jennifer Lawrence erhielt den Oscar 2013 für die beste weibliche Hauptrolle. Auch die Filmrechte an seinem zweiten, noch unveröffentlichten Roman wurden bereits verkauft. Matthew Quick lebt mit seiner Frau in Holden, Massachusetts. [via Rowohlt]

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